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Die Insektenfamilie der Borkenkäfer - Biologie, Bedeutung und Schäden
Trypodendron laeve Eggers, 1939 - Ein wenig bekannter Nutzholzborkenkäfer
(Artikel aus Forstschutz Aktuell Nr. 45)

Nomenklatorischer Wirrwarr

Bereits der gültige Name der Gattung ist nicht geklärt, sowohl Trypodendron wie auch Xyloterus werden in der aktuellen Literatur verwendet. Trypodendron laeve wurde 1939 von Eggers aus Japan beschrieben, Trypodendron piceum 1946 von Strand aus Norwegen. Im Handbuch zur Bestimmung der europäischen Borkenkäfer (Grüne 1979) werden weder Trypodendron laeve noch Trypodendron piceum erwähnt. In Freude, Harde und Lohse, dem Standardwerk für die Bestimmung mitteleuropäischer Käfer, wurden Trypodendron laeve und Trypodendron piceum von Schedl (1981) als synonym zu Xyloterus lineatus gestellt. Erst im Supplementband von 1994 wird Xyloterus laeve als eigene Art mit dem Synonym Trypodendron piceum aufgeführt (Pfeffer 1994). Auf Grund der taxonomischen Verwirrungen wurde deshalb die Existenz einer weiteren Nutzholzborkenkäferart in Europa in vielen forstentomologischen Untersuchungen weitgehend ignoriert (Martikainen 2000).

Gesamtverbreitung und Nachweise aus Mitteleuropa

Als Verbreitungsgebiet von Xyloterus laeve nennt Pfeffer (1995) Japan, Norwegen, Schweden und Niederösterreich. Nach Holzschuh (1995, 1999) sowie Krehan und Holzschuh (1999) ist die Art auch aus Russland, China, Polen, Finnland, Estland und Tschechien bekannt. Trypodendron laeve wurde in Österreich erstmals 1982 in Niederösterreich entdeckt und bald darauf auch im Burgenland nachgewiesen (Holzschuh 1990a) sowie später aus den Bundesländern Wien, Oberösterreich und Steiermark gemeldet (Holzschuh 1990b, Krehan und Holzschuh 1999). Trypodendron laeve wurde als Forstschädling betrachtet, der nach Österreich eingeschleppt wurde (Holzschuh 1990a, 1990b, 1995). Dies basiert auf der Tatsache, dass die Nachweise gehäuft an Holzlager- und Umschlagplätzen mit importierten Nadelhölzern aus Osteuropa erfolgten.
Aus Deutschland ist Xyloterus laevae (sic!) nur aus Bayern gemeldet (Köhler und Klausnitzer 1998). Der deutsche Erstnachweis erfolgte bereits im Jahr 1953 im Allgäu, der Beleg ist vorhanden und wurde überprüft (Böhme, pers. Mitt. 2008). Im Jahr 2007 wurden nun im Rahmen des Biodiversitäts- und Klimaprojektes des Nationalparks Bayerischer Wald zehn Exemplare (2 ♂♂ und 8 ♀♀) von Trypodendron laeve von Mai bis August in bodennahen Flugfensterfallen nachgewiesen. Auch im angrenzenden tschechischen Sumava Nationalpark ist T. laeve vorhanden. Zeleny und Dolezal (2004) betrachten die Art sogar als für den Naturschutz bedeutsam.

Determination, Biologie und Ökologie

Tryopdendron laeve ist anhand seiner meist großteils schwarzen Beine (eigentlich) sofort von Trypodendron lineatum (immer mit hellen Beinen) unterscheidbar (Abbildung 1). Die Morphologie der Art gleicht eher Trypodendron signatum als lineatum. Auffällig ist der dimorphe Bau der Fühlerkeule bei T. laeve: Bei den Männchen ist sie verkehrt eiförmig und gleicht der Keule von T. signatum, bei den Weibchen ist sie annähernd rund, wie bei T. lineatum.Weitere Unterscheidungsmerkmale zwischen T. laeve und T. lineatum, inklusive Vergleich der männlichen Genitalstrukturen, werden von Holzschuh (1990a) ausführlich dargestellt.


Abbildung 1: Markantes makroskopisches Merkmal zur Unterscheidung von Trypodendron laeve (a) und T. lineatus (b): Die Beine von T. laeve sind immer und größtenteils schwarz, vor allem die Schenkel.

Als Wirtsbaumarten von T. laeve werden genannt: Picea (Holzschuh 1995), Picea abies (Strand 1946), Picea jeozoensis, Picea obovata, Picea abies und Pinus sylvestris (Pfeffer 1994, 1995), Picea abies und Pinus sylvestris (Martikainen 2000). Die Brutbilder der in Nadelholz brütenden Ambrosiakäfer T. laeve und T. lineatum mit radial im Holz verlaufenden Leitersprossengängen sind sehr ähnlich.
T. laeve erscheint sehr früh im Jahr, hat aber zum Unterschied von T. lineatum nur eine sehr kurze Flugzeit, die sehr früh im Jahr ihren Höhepunkt erreicht. 1999 endete die Flugzeit der Art in Österreich bereits in der letzten Aprilwoche (Krehan und Holzschuh 1999). Bei den vom Mai bis August 2007 im Nationalpark Bayerischer Wald nachgewiesenen Exemplaren handelt es sich überwiegend um Jungkäfer auf der Suche nach einem Überwinterungsquartier. Nach Untersuchungen in Finnland beginnt die Flugaktivität von T. laeve bereits bei 13 °C und erreicht ihren Höhepunkt bei 15 °C, dem Schwellenwert für den Flugbeginn von T. lineatum. Die Flugperioden der beiden Arten überschneiden sich kaum. T. laeve scheint vor allem unter der Rinde von stehenden Bäumen und stehendem Totholz zu überwintern, was es der Art ermöglicht, auch bei noch geschlossener Schneedecke auszufliegen (Martikainen 2000). Dies dürfte ein wichtiger Konkurrenzvorteil der Art gegenüber T. lineatum sein, da im montanen Bereich oft bis spät im Mai geschlossene Schneedecken vorhanden sind.

Heimische Art oder nicht?

Trypodendron laeve wurde 1982 erstmals bei Gahns in 1300 m Seehöhe in Österreich gefunden und danach noch mehrmals an Holzlager- und Umschlagplätzen nachgewiesen, weshalb eine Einschleppung angenommen wurde (Holzschuh 1990a, 1990b, 1995, Krehan und Holzschuh 1999). Der bayerische Erstfund und damit der erste Nachweis für Mitteleuropa erfolgten jedoch bereits 1953 im Allgäu. Auch die jüngsten Nachweise im Nationalpark Bayerischer Wald und im Sumava Nationalpark lassen Zweifel aufkommen, ob es sich bei T. laeve nicht um eine boreomontane Reliktart handelt, die bisher bei den meisten Untersuchungen weitgehend unbeachtet und deshalb unerkannt blieb.
Die Fundpunkte der Art lagen im Nationalpark Bayerischer Wald zwischen 790 m und 1396 m Seehöhe. Ein gewichtiges Indiz dafür, dass es sich um eine einheimische Art handeln könnte, ist ihre Vergesellschaftung im Nationalpark mit weiteren, zum Teil extrem seltenen, boreomontanen Faunenelementen, wie Bius thoracicus F., Corticaria interstitialis Mannh., Corticaria obsoleta Strand, Orthocis pseudolinearis Lohse, Xestobium austriacum Rtt., Dryocoetes hectographus Rtt., Anastrangalia reyi Heyden oder Judolia sexmaculata L. Vor allem das Vorkommen der beiden Corticaria-Arten, die aus Lappland, Schweden und Finnland beschrieben wurden, zeigen, dass nordisch weit verbreitete Arten auch im Bayerischen Wald heimisch sind. Seit dem Frühjahr 2008 werden im Nationalpark Bayerischer Wald mittels Pheromonfalleneinsatz Verbreitung und Abundanzen von T. laeve genauer untersucht. Notwendig sind in Deutschland aber auch gezielte Untersuchungen in den Alpen und weiteren Mittelgebirgen.

Danksagung

Für die umfassende Unterstützung der Arbeit gilt unser Dank Jörg Müller, Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald, Grafenau.

Literatur

Grüne, S. 1979: Handbuch zur Bestimmung der europäischen Borkenkäfer. Verlag M. & H. Schaper, Hannover: 182 S.
Holzschuh, C. 1990a: Ein neuer, gefährlicher Nutzholzborkenkäfer in Österreich. Forstschutz Aktuell, Wien (3): 2.
Holzschuh, C. 1990b: Ergebnisse von Untersuchungen über die Einschleppung von Borkenkäfern an Holzlager- und Umschlagplätzen. Forstschutz Aktuell, Wien (5): 7-8.
Holzschuh, C. 1995: Forstschädlinge, die in den letzten fünfzig Jahren in Österreich eingewandert sind oder eingeschleppt wurden. Stapfia 37: 129-141.
Köhler, F., Klausnitzer, B. 1998: Verzeichnis der Käfer Deutschlands. Entomologische Nachrichten und Berichte 4: 146.
Krehan, H., Holzschuh, C. 1999: Trypodendron laeve – Vorkommen in Österreich. Forstschutz Aktuell, Wien (23/24): 6-8.
Martikainen, P. 2000: Flight period and ecology of Trypodendron proximum (Niijima) (Col., Scolytidae) in Finland. J. Appl. Ent. 124: 57-62.
Pfeffer, A. 1994: 91. Familie: Scolytidae. In: Lohse, G. A, Lucht, W. H.(Hrsg.): Die Käfer Mitteleuropas, Bd. 14: 180.
Pfeffer, A. 1995: Zentral- und westpaläarktische Borken- und Kernkäfer (Coleoptera: Scolytidae, Platypodidae). Pro Entomologia, c/o Naturhistorisches Museum Basel: 198.
Schedl, K. E. 1981: 91. Familie: Scolytidae (Borken- und Ambrosiakäfer). In: Freude, H., Harde, K. W., Lohse, G. A.(Hrsg.): Die Käfer Mitteleuropas, Bd. 10: 99.
Strand, A. 1946: Seven new species of Coleoptera from Norway. Norsk Entomologisk Tidskrift 7: 168-172.
Zeleny, J., Dolezal, P. 2004: Kurovcoviti brouci (Scolytidae, Coleoptera) na smrku na Sumave – Bark beetles (Scolytidae, Coleoptera) on spruce in the Bohemian Forest. Aktuality Sumavskeho Vyzkumu II: 221-223.
01.04.09 | Bussler H.; Schmidt O.; LWF Bayern
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