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Die Insektenfamilie der Borkenkäfer - Biologie, Bedeutung und Schäden
Verstärktes Auftreten des Kleinen Buchenborkenkäfers in Bayern - Aktuelle Erkenntnisse zur Schwärmaktivität und zum Befallsverhalten in Abhängigkeit von Lufttemperatur und Holzfeuchte
(Artikel aus Forstschutz Aktuell Nr. 45)

Seit der extrem heißen und sehr trockenen Witterung des Jahres 2003 treten an der Rotbuche abiotische und biotische Schadfaktoren auf, die zu auffälligen Vitalitätseinbußen und wirtschaftlichen Verlusten führen. Für Bayern haben sich regionale Schwerpunkte in der Verteilung der Schadflächen herausgebildet. Besonders betroffen sind lichte Altholzbestände auf Kalkverwitterungs- und tongründigen Zweischichtböden mit den Geländewasserhaushaltsstufen „mäßig frisch“ über „mäßig trocken“ in der Ebene und Plateau- bzw. Hangkuppenlage, die bereits unter normalem Witterungsverlauf über einen mäßigen und angespannten Wasserhaushalt verfügen. Die Schadensmeldungen werden unter dem Begriff der Komplexen Buchenerkrankung zusammengefasst und sind nicht neuartig.
Aufmerksamkeit erregt dabei der Kleine Buchenborkenkäfer (Taphrorychus bicolor Hrbst.). Diese sekundäre Borkenkäferart besiedelt vorzugsweise absterbende Äste, gefällte Stämme und Schichtholz, ohne eine größere forstliche Bedeutung für die Buche zu haben (Escherich 1923). Andererseits beschreibt Schönherr (1980) nach dem Trockenjahr 1976, dass sich der Buchenborkenkäfer über Jahre allmählich und unbemerkt vermehren konnte und in den aufgelichteten geschädigten Beständen mit Trockenästen und Rindenbrand ideale Bedingungen für eine kalamitätsartige Vermehrung fand.
Nach 2003 stieg in geschwächten Buchenbeständen Bayerns die Populationsdichte des Kleinen Buchenborkenkäfers wieder erheblich an und ein Übergreifen auf angrenzende gesunde Bestandesbereiche konnte nicht ausgeschlossen werden (Abbildung 1). Die praktische Bedeutung des Schädlings besonders im Hinblick auf eine künftige Häufung extremer Trockenjahre und -perioden wächst. Auf Grund seines bisherigen seltenen Auftretens gibt es nur spärliche oder widersprüchliche Angaben zu seiner Lebensweise, Generationsfolge und möglichen Schadwirkung.


Abbildung 1: Schrotschussartig verteilter Schleimfluss am Buchenstamm deutet auf einen Befall durch Taphrorychus bicolor hin (links),Weibchen des Taphrorychus bicolor (rechts).

Um das Gefährdungspotenzial künftig beurteilen zu können, fand im Zeitraum von 2005 bis 2007 eine Untersuchung zur Lebensweise und Entwicklung des Kleinen Buchenborkenkäfers und seiner Bruten sowie zur Populationsdynamik des Käfers statt. Hierbei erfassten von Skatulla et al. (1992) entwickelte, elektronische Messstationen das lockstoffbedingte tageszeitliche Schwärmverhalten des Käfers in Abhängigkeit von mikroklimatischen Umweltfaktoren wie Temperatur (in Luft, Rinde und Boden) und Niederschlag an Überwinterungs- und Brutorten. Weitere biologische Parameter wie das Geschlechterverhältnis in Bruthölzern und in Lockstofffallen, die Entwicklungsdauer der Brut sowie der Feuchtegehalt und Bruterfolg befallener Buchenstämme ergänzten die Untersuchung.

Erkenntnisse zur Schwärmaktivität

Durch die quantitative und lückenlose jahreszeitliche Erfassung der Schwärmaktivität des Kleinen Buchenborkenkäfers konnten je nach Witterung unterschiedliche Anflugzahlen und -muster registriert werden. Die Interpretation dieser Fangergebnisse lassen Rückschlüsse auf die Generationsfolgen, aber auch auf den für die Schwärmaktivität wichtigen Temperaturschwellenwert zu. So nimmt der Kleine Buchenborkenkäfer bezüglich seines Schwärmbeginns im Frühjahr unter den Borkenkäferarten eine Zwischenposition ein. Der ermittelte minimale Toleranzwert für die Flugaktivität von 14,0 °C schließt ihn als Spätschwärmer, wie es beispielsweise der Buchdrucker mit einem Schwellenwert von 16,5 °C ist, aus (Lobinger 1994). Er zählt jedoch auch nicht, wie der Laubnutzholzborkenkäfer mit einem Toleranzwert von 10,0 °C (Parini und Petercord 2006), zu den typischen Frühschwärmern.
Die Ergebnisse belegen eine doppelte Generationsfolge mit Hauptschwärmzeiten im März und Mai/Juni. Die überwinternde Population zeigt sich Ende März/Anfang April, sobald eine Wärmeperiode mit Temperaturen über 14,0 °C eintritt (Abbildung 2). Die Entwicklung der ersten Generation ist Anfang Juni beendet. Durch Sommerbefall begründet der Borkenkäfer eine zweite Generation. Ein deutlicher Rückgang der Anflüge von August bis Oktober weist auf das Aufsuchen der Überwinterungsquartiere hin. Eine bedeutende Befallstätigkeit konnte so spät im Jahr nicht nachgewiesen werden.


Abbildung 2: Relative Fangzahlen von Taphrorychus bicolor in Abhängigkeit von Temperatur-Tagesmaximum und Regentagen an Lockstofffallen am Fallenstandort „Rhön“ im Beobachtungsjahr 2007

Sowohl lockstoffbedingt auf den Untersuchungsflächen als auch lockstoffunabhängig beim Ausflug aus Überwinterungsstämmen zeigte der Kleine Buchenborkenkäfer einen charakteristischen tageszeitlichen Aktivitätsrhythmus (Abbildung 3). Der Schwärmflug erreichte seinen Aktivitätshöhepunkt stets gegen 16 – 17 Uhr. Die tageszeitliche Verteilung der Schwärmaktivität richtete sich somit nicht nach den maximalen Tagestemperaturen. Im Gegenteil, der spezielle Tagesrhythmus spricht eher für eine Meidung der höheren Temperaturen zur Mittagszeit.


Abbildung 3: Tageszeitliche Schwärmaktivität von Taphrorychus bicolor am Fallenstandort „Frankenhöhe“ im April bis Juni 2006

Holzfeuchtegehalt des bruttauglichen Materials

An Hand von Holzfeuchtemessungen befallener und unbefallener Buchenstämme wurde der Zusammenhang zwischen dem Wassergehalt des Rindengewebes und der Besiedelung durch den Kleinen Buchenborkenkäfer untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass er in einem Holzfeuchtebereich von 45,0 % bis 88,4 % Brutbilder erfolgreich anlegt und die ganze Palette von toten, in Zersetzung befindlichen bis frischen, lebenden Holz abdeckt (Abbildung 4).


Abbildung 4: Muttergänge und Einischen von Taphrorychus bicolor in stark abgetrockneter Buchenrinde

Ausgehend vom hydrologischen Faktor findet der Buchenborkenkäfer nach den Trockenschäden 2003 in absterbenden Kronenästen wie auch an Stämmen geschwächter Buchen ausreichend Brutmaterial. Hinzu kommt das noch frische und nicht aufgearbeitete Kronenmaterial aus den Herbstfällungen. Allerdings bestätigen fehlgeschlagene Einbohrungen und verlassene Einbohrgänge, dass der Feuchtegehalt nicht allein für den Dispositionsgrad eines Baumes ausschlaggebend ist. Auch Stämme mit weit abgetrockneten Rindenpartien und für den Käfer geeigneten Holzfeuchten können zwar nicht mehr durch Saftfluss, aber durch Kallusbildung einen Befall abwehren.

Momentane Befallssituation auf Buchenschadflächen

Extreme Witterungsbedingungen im Zusammenhang mit einer unmittelbaren Störung des kurz- bismittelfristigen Wasserhaushaltes haben zu einer erkennbaren Vitalitätsschwächung von Buchen geführt. Besonders in stark aufgelichteten Buchenalt- und Verjüngungsbeständen zeigen die Bäume mit schütterer Belaubung und der Beginn von absterbenden Kronenbereichen eine Schädigung an. Ein wesentlicher Faktor in der Entwicklung dieser Flächen ist die Populationsdichte rindenbrütender Schädlinge. Der sekundär lebende Kleine Buchenborkenkäfer kann sich auf Grund der großen ökologischen Valenz gegenüber seinem Brutmaterial stark vermehren und im Absterbeprozess der Buche eine bedeutendere Rolle einnehmen. In befallsgefährdeten Bereichen wie Bestandesrändern, Kuppen, Steilhängen und verlichteten Altholzbeständen auf exponierten Standorten muss daher ab Ende März/Anfang April mit Befall gerechnet werden.
Zudem könnte der Buchenprachtkäfer (Agrilus viridis L.) als häufig aggressiverer Schädling in vorgeschädigten Beständen an Bedeutung gewinnen. Die starke Schädlingsvermehrung ist auf den massiven Anfall an bruttauglichem Material im Kronenraum prädisponierter Buchen aber auch auf im Bestand liegen gelassenes Kronenmaterial zurückzuführen. Nach Trockenjahren sollten daher in Buchenbeständen mit deutlicher Vitalitätsschwächung befallene Bäume ohne größere Bestandesauflichtung entnommen sowie vorhandenes Brutmaterial reduziert werden.

Literatur

Escherich, K. 1923: Die Forstinsekten Mitteleuropas, Zweiter Band. Verlag Paul Parey, Berlin.
Lobinger, G. 1994: Die Lufttemperatur als limitierender Faktor für die Schwärmaktivität zweier rindenbrütender Fichtenborkenkäferarten, Ips typographus L. und Pityogenes chalcographus L. Col., Scolytidae). Anz. Schädlingskde., Pflanzenschutz, Umweltschutz 67: 14-17.
Parini, C., Petercord, R. 2006: Der Laubnutzholzborkenkäfer Trypodendron domesticum L. als Schädling der Rotbuche. Mitteilungen aus der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz, 59 (6): 63-77.
Schönherr, J. 1980: Neue Erkenntnisse über Buchenschädlinge: Erfahrungen vom Buchensterben in Oberhessen. AFZ, 35: 513-514.
Skatulla, U., Feicht, E. 1992: Untersuchungen zum Anflugverhalten des Kupferstechers (Pityogenes chalcographus L.) und einiger Beifänge an Pheromonfallen mit Hilfe eines neuartigen elektronischen Messgerätes. Anzeiger für Schädlingskunde, Pflanzenschutz, Umweltschutz 65 (1): 4-7.
01.04.09 | Muck M.; LWF Bayern
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