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Die Insektenfamilie der Borkenkäfer - Biologie, Bedeutung und Schäden
Borkenkäfer-Kalamität 2009: Ursachen für unterschiedliche regionale Befallsentwicklungen
Wie erwartet sind die Borkenkäferschäden 2009 - in der zweiten bzw. dritten Saison nach den Sturmschäden - enorm angestiegen und erreichten die Rekordmarke von 2,87 Millionen Festmeter Schadholz. Bei der Analyse der von den Bezirksforstinspektionen erhobenen Schadholzmengen der letzten Jahre waren in vergleichbaren Bezirken regional unterschiedliche Entwicklungen zu beobachten.

Die Höhe der Borkenkäfer-Ausgangspopulation sowie rasches und konsequentes Handeln bei drohender Borkenkäfervermehrung sind wesentliche Faktoren für den Erfolg oder Misserfolg bei der Borkenkäferbekämpfung. Dies wird anhand einiger Beispiele aufgezeigt.

Enormer Anstieg der Borkenkäferschäden 2009

Der Trend der vorangegangenen drei Jahre - eine geringfügige, aber konstante Abnahme - setzte sich 2009 nicht fort: Die Bezirksforstinspektionen meldeten 2,87 Millionen Festmeter Käferholz (Dokumentation der Waldschädigungsfaktoren). Mit dieser Rekordmarke wurde die bislang höchste Schadensmenge von 2005 um  mehr als 300.000 Festmeter überschritten (Abbildung 1). Der Anstieg von rund 50 Prozent kann beinahe als "explosionsartig" bezeichnet werden.


Abbildung 1: Vergleich der Schadholzmengen durch Sturm und Schnee mit den Borkenkäferschäden, bis 2009.

Befürchtungen sind eingetreten

Beim Bericht über die Situation des Jahres 2008 hatten die Autoren die Gradation der 1990er und 2000er Jahre mit dem Schweizer Kalamitätsverlauf verglichen und in Anbetracht der enormen Sturmschäden von 2007 und 2008 mit fast 19 Millionen Festmetern einen neuer­lichen Anstieg der Käferholzmenge prognostiziert (Steyrer und Krehan 2009).

Unterschied zur Schweiz

In der Schweiz blieben die Borkenkäferschäden auch 2009 auf einem "eisernem Niveau" von knapp 100.000 Festmetern. Im Jahr 2005 wurden noch zirka 2,1 Millionen Festmeter registriert, innerhalb von nur fünf Jahren konnte die Menge auf 100.000 Festmeter hinunter gedrückt werden. Hätten sich in Österreich die Schadholzmengen im gleichen Ausmaß reduziert, so hätten wir 2009 eigentlich nur mehr 600.000 Festmeter Käferholz haben dürfen (vgl. Abbildung 2, Pfeil). Das wäre ungefähr das Niveau, von dem die Massenver­mehrung 2003 gestartet war (vgl. Abbildung 1).


Abbildung 2: Entwicklung der Borkenkäfer-Schadholzmengen in der Schweiz (Quelle: Meier et al. 2010, verändert)

Die Situation in Österreich unterscheidet sich jedoch von den Schweizer Gegebenheiten wesentlich: In der Schweiz wurden ab 2006 keine annähernd so hohen Schäden durch Stürme und Schneebruch verzeichnet wie in Österreich. Die Borkenkäferpopulation steigt nach großen Windwürfen teilweise im ersten Folgejahr, meistens im zweiten und dritten Jahr an (siehe Literaturliste in Steyrer und Krehan 2009). Entscheidend ist auch der Zeitpunkt der abiotischen Schadereignisse: Davon hängt es ab, wie lange die liegenden Schadhölzer "fängisch" bleiben und wann mit der Aufarbeitung begonnen werden kann.

Vergleich der Schadensentwicklung in einzelnen Bezirken

Sind durch diesen Zusammenhang die unterschiedlichen Käferholzschäden und deren Entwicklung erklärt? Sicherlich gibt es neben dem zusätzlichen Brutangebot und der schädigungsbedingten Disposition noch andere Einflussgrößen (siehe Kasten):

Faktoren für den Verlauf einer Borkenkäfermassenvermehrung
  • Ausgangspopulation (Populationsdruck)
  • Entwicklung der Käferpopulation
    • Brutangebot (abiotische Schadereignisse, Bewirtschaftung)
    • Generationenanzahl und Geschwisterbruten (Witterung)
    • Mortalität (Parasiten, Räuber, Krankheiten, Überwinterungsbedingungen)
  • Disposition des Wirtsbaumes (Reduktion der Abwehrkraft)
    • Witterung (Trockenheit)
    • abiotische Schäden (Wurf, Bruch, Wurzel­verletzungen)
    • biotische Schäden (Fäule)
    • Standortstauglichkeit
  • Bekämpfung
    • Aufarbeitung (Reduktion der Population, Entzug von Brutangebot)
    • Überwachung
    • Schnelligkeit und Konsequenz

Um diese Wirkungen von überlappenden Faktoren besser abgrenzen zu können, werden die Schäden durch Windwurf und Schneebruch den Borkenkäferschäden auf Bezirksebene anhand von sechs Beispielspaaren gegenüber gestellt.

Positiv- und Negativbeispiele

Beispiel 1: In Abbildung 3 werden die Auswirkungen von Sturmschäden für eine Bezirksforstinspektion (BFI) mit hoher Borkenkäfer-Ausgangspopulation (BFI Graz-Umgebung) mit einer BFI mit geringem, eisernem Bestand verglichen (BFI Voitsberg): 2008 wurden in beiden BFIs etwa 1,3 Millionen Festmeter Sturmschadholz registriert. Die Borkenkäferschäden betrugen in Graz-Umgebung im Jahr 2009 rund 100.000 Festmeter und in Voitsberg nur 18.000 Festmeter (Abbildung 3).



Abbildung 3: Schadholzentwicklung 2002 bis 2009; Waldflächenanteil nach Besitzstruktur, Fichtenfläche, Schutzwaldanteil, mittlere Seehöhenstufe und Erschließungsgrad (in Laufmeter Forststraße pro ha) in den Bezirken Graz/Umgebung und Voitsberg (Steiermark)

Der wesentliche Faktor für die unterschiedliche Entwicklung scheint die Höhe der Borkenkäfer-Ausgangspopulation zu sein. Diese lag im Jahr 2002 im Bezirk Graz/Umgebung schon beim Vierfachen im Vergleich zum Bezirk Voitsberg. Weitere Faktoren sind die Konsequenz bei der Borkenkäferbekämpfung und der Anteil sekundärer Fichtenwälder. Anders ist es nicht zu erklären, dass zwischen 2002 und 2005 die Schadholzmengen im Bezirk Voitsberg weiter zurückgingen, während im Bezirk Graz/Umgebung eine Verdoppelung eintrat. Die Besitzstrukturen sind in beiden Bezirken vergleichbar, etwa 75 % des Waldes ist in Kleinwaldbesitz.

Beispiel 2: unterschiedliche Entwicklungen in den beiden obersteirischen BFIs Murau und Stainach (Abbildung 4). Hier hat der Föhnsturm "Uschi" im November 2002 etwa 500.000 Festmeter Schadholz verursacht. Bereits im Jahr 2003 hat die Borkenkäfer­kalamität begonnen, da die Sommerhitze und -trockenheit besonders günstige Entwicklungsbedingungen geschaffen haben. Danach ist in Murau nach dem Gradationshöhepunkt 2004 mit zirka 55.000 Festmeter Käferholz der Befall in den darauf folgenden Jahren deutlich zurückgegangen und erst wieder nach dem Sturm 2008 geringfügig angestiegen.



Abbildung 4: Schadholzentwicklung 2002 bis 2009; Waldflächenanteil nach Besitzstruktur, Fichtenfläche, Schutzwaldanteil, mittlere Seehöhenstufe und Erschließungsgrad (in Laufmeter Forststraße pro ha) in den Bezirken Murau und Stainach (Steiermark)

In Stainach, mit ebenfalls geringen Borkenkäferschäden im Jahr 2002, hat sich 2003 die Situation kaum verschlechtert, jedoch in den Folgejahren ist die Schadholzmenge bis auf 200.000 Festmeter (2006) und nach dem Sturm 2007 sogar auf 225.000 Festmeter im Jahr 2009 angestiegen.

Gründe für die unterschiedliche Entwicklung der Borkenkäferschäden liegen zum Teil beim viermal höheren Schutzwaldanteil und bei der um rund 50 % schlechteren Erschließung, die natürlich die Bekämpfung im Bezirk Stainach erschwert haben. Wie man es richtig macht, haben die Waldbesitzer (67 % Kleinwald) im Bezirk Murau gezeigt: Durch rasche und konsequente Schadholzaufarbeitung ist hier kein großes Borkenkäferproblem entstanden.

Beispiel 3: die beiden Salzburger Bezirke Lungau (Tamsweg) und Pongau (St. Johann). Föhnsturm "Uschi" hat 2002 im Lungau etwa eine Million Festmeter Schadholz verursacht, im Pongau "nur" ein Drittel davon. Borkenkäfer spielten zu diesem Zeitpunkt keine große Rolle (Abbildung 5).



Abbildung 5: Schadholzentwicklung 2002 bis 2009; Waldflächenanteil nach Besitzstruktur, Fichtenfläche, Schutzwaldanteil, mittlere Seehöhenstufe und Erschließungsgrad (in Laufmeter Forststraße pro ha) in den Bezirken Lungau und Pongau (Salzburg)

Erwartungsgemäß erreichten die Borkenkäferschäden drei Jahre später in beiden Bezirken den Höhepunkt: allerdings in Tamsweg mit zirka 100.000 Festmetern nur 10 % der Sturmschadholzmenge aus dem Jahr 2002, in St. Johann dafür mit 140.000 Festmetern fast 44 % des Sturmholzes. Insgesamt verursachten im Pongau "Uschi" und nachfolgende Würfe (zirka 425.000 Festmeter) bis 2006 Borkenkäferschäden im Ausmaß von etwa 438.000 Festmetern. Im Lungau folgten den Sturmschäden in der Höhe von einer Million Festmetern im gleichen Zeitraum nur 230.000 Festmeter Käferholz.

Auch hier lässt sich folgern, dass im Bezirk Pongau die drohende Borkenkäfergefahr nicht richtig eingeschätzt wurde; zu berücksichtigen ist auch die unterschiedlich große Fichtenfläche. In beiden Bezirken liegt der Kleinwaldbesitz etwas über 50 %, in St. Johann ist der ÖBf-Anteil ein wenig höher. 2009 lagen die Käfer­holzmengen im Pongau ¿ allerdings auch bedingt durch erneut aufgetretene Sturmschäden ¿ bei zirka 40.000 Festmeter, während im Lungau nur wenige Tausend Festmeter registriert wurden.

Beispiel 4: Interessant ist auch der Vergleich zwischen den beiden niederösterreichischen Bezirken Zwettl und Krems, die eine ähnliche Borkenkäfer-Ausgangslage hatten (Abbildung 6).



Abbildung 6: Schadholzentwicklung 2002 bis 2009; Waldflächenanteil nach Besitzstruktur, Fichtenfläche, Schutzwaldanteil, mittlere Seehöhenstufe und Erschließungsgrad (in Laufmeter Forststraße pro ha) in den Bezirken Zwettl und Krems (Niederösterreich)

Erwartungsgemäß kam es im Trockenjahr 2003 zu einem gewaltigen Anstieg des Käferschadholzes auf rund 100.000 Festmeter. Während im Bezirk Zwettl schon im Jahr 2004 die Schäden auf ein geringes Niveau abgesenkt werden konnten, blieb die Situation in Krems bis 2007 angespannt. Danach zeigte sich die negative Auswirkung des Sturmes auf die weitere Borkenkäferentwicklung sehr deutlich. In Krems konnte aufgrund der wesentlich geringeren Sturmschäden und durch rasches Handeln die Käferholzmenge sogar geringfügig reduziert werden. Der mehrfache Unterschied zwischen den Bezirken in der Fichtenfläche und auch ausfallende Fichten in Mischbeständen sind bei der Entwicklung zu berücksichtigen. In Zwettl erreichten zunächst die Borkenkäferschäden einen Höchstwert von 225.000 Festmetern, jedoch schon im folgenden Jahr  konnte eine deutliche Reduktion ­- als Folge konsequenter Borkenkäferbekämpfung ¿ erreicht werden.

Beispiel 5: Ernste Käferprobleme gibt es auch in den nördlichen Randalpen, wo in schwierig zugänglichen Beständen mehrmals hintereinander Sturmschäden auftraten wie in den Bezirken Steyr und Lilienfeld (Abbildung 7).



Abbildung 7: Schadholzentwicklung 2002 bis 2009; Waldflächenanteil nach Besitzstruktur, Fichtenfläche, Schutzwaldanteil, mittlere Seehöhenstufe und Erschließungsgrad (in Laufmeter Forststraße pro ha) in den Bezirken Steyr (Oberösterreich) und Lilienfeld (Niederösterreich)

Nach dem Dürrejahr 2003 ist die Borkenkäferpopulation stark angestiegen und dadurch sind auch die Folgen der Stürme 2007 und 2008 in Lilienfeld besonders stark ausgefallen. In Steyr ist man vor den Stürmen zwar schon wieder auf das (relativ hohe) Niveau von 2002 zurückgekehrt (zirka 20.000 Festmeter), anschließend stiegen allerdings die Käferschäden wieder drastisch an und werden wohl insgesamt die Höhe des Sturmschadholzes erreichen - kein Indiz für rasche und effektive Maßnahmen.

Beispiel 6: heftige Folgen nach abiotischen Schäden bei schon seit Jahren hohen Borkenkäfer-Ausgangspopulationen (Abbildung 8).



Abbildung 8: Schadholzentwicklung 2002 bis 2009; Waldflächenanteil nach Besitzstruktur, Fichtenfläche, Schutzwaldanteil, mittlere Seehöhenstufe und Erschließungsgrad (in Laufmeter Forststraße pro ha) in den Bezirken Gmunden und Kirchdorf an der Krems (Oberösterreich)

In den Bezirken Gmunden und Kirchdorf/Krems konnten die Käferschäden nach dem Föhnsturm "Uschi" und dem Hitzejahr 2003 nicht bzw. nicht wesentlich reduziert werden. Die Schneebrüche 2006 führten in Kirchdorf zu einer Verdreifachung der Käferholzmenge im Folgejahr, das Schadensniveau von Gmunden wurde dadurch erreicht. Ebenso schnell und groß war aber auch deren Abnahme ein weiteres Jahr später. Gmunden war zwar von ähnlichen Schneebrüchen betroffen, die Käferschäden stiegen jedoch nicht weiter an. Nach den Sturmkatastrophen 2007 und 2008 reduzierten sie sich zuerst sogar - wahrscheinlich fungierten die geworfenen Stämme als Fangbäume. Aber 2009 verdreifachte sich auch in Gmunden der Stehendbefall, extrem hohe Schäden wurden gemeldet. Die erhobene Käferholzmenge von zirka 280.000 Festmetern wurde in den 1970er Jahren nicht einmal im gesamten Bundesgebiet erreicht. Der Anstieg der Käferschäden nach den Stürmen fiel in Kirchdorf moderater aus.

In den kommenden Jahren werden die Schäden in diesen Borkenkäfer-Problemgebieten nur mit sehr aufwendigen Maßnahmen reduziert werden können, vorausgesetzt es kommt zu keinen weiteren Unwetterschäden in den gefährdeten Waldbeständen. Der Schutzwaldanteil, als Indikator für schwierig erreichbare und nutzbare Waldbestände, ist in Gmunden doch deutlich höher als in Kirchdorf, unter diesen Verhältnissen ist allerdings in beiden Bezirken die Erschließung mit Forststraßen (40 lfm/ha) recht hoch.

Ist mit einem Zusammenbruch der Borken­käfergradation in Kürze zu rechnen?

Unter der Annahme, dass die Borkenkäferkalamität im zweiten oder dritten Jahr nach Sturmereignissen ihr Maximum erreicht, wird man auch 2010 von hohen Borkenkäferschäden in Österreich ausgehen müssen. Danach sollten unter der Voraussetzung, dass keine neuen Stürme und Dürreperioden über das Land hereinbrechen, die Bekämpfungsmaßnahmen soweit gegriffen haben, dass man nach dem Schweizer Vorbild wieder zu einem ¿normalen¿ Schadensniveau zurückkehrt. Die angeführten Positiv- und Negativbeispiele zeigen, dass man durch gezielte und vor allem ohne Aufschub gesetzte Maßnahmen die Käfergradationen relativ kurz halten kann; im Idealfall ist es durchaus möglich, dass Sturmschäden keine größeren Borken­käferprobleme nach sich ziehen.

Die Ergebnisse zeigen auch, dass die Borkenkäferproblemgebiete immer mehr in die höheren und steileren Standorte "wandern". Dort zeigt sich klar, wie gut die Betriebe, egal ob Klein- oder Großbetrieb, ob Bundesforste oder Privatbesitz, mit der Problemlösung logistisch, technisch und personell zu Rande kommen.

Literatur

Meier, F., Forster, B., Engesser, R. 2010: Borkenkäfer - entspannte Buchdrucker-Situation. Waldschutz Aktuell 1/2010. In: www.waldschutz.ch/wsinfo/wsaktuell_DE (08.04.2010).
Schadauer, C. 2006: Ergebnisse der Österreichischen Waldinventur 2000-2002. http://web.bfw.ac.at/i7/oewi.oewi0002, August 2010.
Steyrer, G., Krehan, H. 2009: Borkenkäfer-Kalamität 2008: Ist ein weiterer Rückgang wahrscheinlich? Forstschutz Aktuell, Wien, (46): 9-15.
02.06.15 | Krehan, H.; Steyrer, G.; Tomiczek, C.
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