Die österreichische Schadenslawinen-Datenbank

Berichte über Lawinen-Schadensereignisse in der Geschichte reichen weit zurück: Eintragungen in den ältesten Rechnungsbüchern der landesfürstlichen Kammer von Tirol (um 1300) bestätigen, dass einzelnen Leuten die Zahlung der Steuer wegen Verwüstung ihrer Felder durch Lawinen erlassen wurde. Im Jahre 1912 gab das K. u. K. Ackerbauministerium das Ziel vor, Unterlagen über Lawinenabgänge planmäßig zu sammeln. Damit wurden die Voraussetzungen für eine gesamtösterreichische Lawinenforschung geschaffen.

Die Schadlawinen-Datenbank des BFW erfasst Lawinenereignisse, durch die Menschen verschüttet oder menschliche Güter beschädigt worden sind. Dabei werden Katastrophenlawinen und Unfall- oder Touristenlawinen unterschieden. Katastrophenlawinen verursachen Personen- und Sachschäden im Siedlungsraum (Wohn- und Arbeitsraum) und an Verkehrsverbindungen. Von Unfall- oder Touristenlawinen spricht man, wenn Skifahrer oder Bergsteiger im freien Gelände betroffen sind.



Das Bundesheer schaufelt an der Arlberg-Westrampe einen von Lawinen verschütteten Güterzug frei.
(29. Jänner 1982). Foto: Lothar Brunner, Klösterle
März 1988: Albona-Lawine in Stuben am Arlberg (Gemeinde Klösterle). Neben anderen Sachschäden wurden auf einem Parkplatz 143 Fahrzeuge verschüttet und zerstört. Foto: WLV Bludenz.

Mit dem massiven Vordringen in Bereiche unserer Landschaft, die seit jeher von Naturgefahren bedroht sind, riskieren Menschen ihr Leben und die Zerstörung der in diesen Bereichen installierten und sehr kostenintensiven Systeme. Die Schadlawinen-Datenbank dokumentiert die Ereignisse und das Ausmaß der Zerstörung.

Lawinenschadens-Eckdaten der Winter 1967/68 – 2003/04 für Österreich

Schadensart
Anzahl/Menge
Getötete Personen
>900
Zerstörte Bauwerke
>750
Verschüttete Verkehrswege
>200.000 lfm
Zerstörte Fahrzeuge
>300
Schadholz
>320.000 fm
Wald- und Flurschäden
>2.000 ha
Verbindungsleitung
>30.000 lfm

Zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten

Als "Lawinenstatistiken" geführte winterweise Zusammenfassungen unterschiedlicher lawinenrelevanter Daten ("Lawinenaufzeichnungen") erscheinen in den meisten Ländern mit Hochgebirgsanteil. Es handelt sich dabei zunächst meist um die systematische Erhebung und Erfassung von Daten, welche dann in einer übersichtlichen Form (Tabellen, Diagramme) aufbereitet werden.

Aus den wegen ihres hohen Informationsgehaltes zahlreichen Verwendungsmöglichkeiten von Lawinenaufzeichnungen ist ersichtlich, wie relevant Daten von Lawinenereignissen („Lawinenstatistik") für die Bereiche der Planung im alpinen Raum, der Forschung und der Lehre sein können. Die österreichische Lawinenstatistik bzw. deren Weiterentwicklung zur Datenbank dient als Grundlage für nahezu den gesamten Forschungsbereich und darüber hinaus als Entscheidungshilfe für sowohl aktive als auch passive Maßnahmen des Naturgefahren- und Krisenmanagementes.
Die Nutzung der Schadenslawinendatenbank soll in Zukunft in vielfältiger Weise erfolgen:

  • Risikoanalyse: aus der Entwicklung der Lawinenschäden in der Vergangenheit können Prognosen für die Zukunft abgeleitet werden. Daher wird es möglich, raumplanerisch auf die künftige Risikoentwicklung einzuwirken, die sehr stark sowohl durch Verbauungsmaßnahmen als auch durch Nutzungsänderungen (Ausweitung der Siedlungen, Intensivierung des Fremdenverkehrs) beeinflusst werden. Die Risikoanalysen sollten vom regionalen (Bezirk) bis zum lokalen (ein Skigebiet) Bereich skaliert sein.
  • Schaffung verbesserter Entscheidungsgrundlagen für integrale Schutzkonzepte durch die Ableitung objektiver Wahrscheinlichkeiten aus relativen Häufigkeiten.
  • Kosten-Nutzenanalysen: Monetäre Einschätzung der Schäden und Einsatz öffentlicher Mittel, Steuereinnahmen, Entfall von (Steuer)-Einnahmen, Wertschöpfung.
  • Untersuchungen zur Wirksamkeit von Verbauungs- und Präventivmaßnahmen (Wie hat sich beispielsweise der Lawinenerlass auf die Anzahl der Lawinenverschüttungen im organisierten Skiraum ausgewirkt?).
  • Wie ändert sich das Lawinengeschehen im Zusammenhang mit Klimaschwankungen?
  • Wie stark sind die Ereignisse an bestimmte Wetterlagen gebunden, auch unter dem Aspekt menschlicher Tätigkeiten (Freizeit!)?
  • Wie groß ist die Bedeutung des Fremdenverkehrs in Gegenwart und künftig? Einbindung von Daten in den im Aufbau befindlichen österreichischen Online-Wildbach- und Lawinenkataster (Schnetzer, 2001).
  • Eingliederung in eine noch zu erstellende Metadatenbank "Naturgefahren" (Aspekt: Ereigniskataster).
  • Zugang zu ausgewählten Daten im Internet, jedenfalls für spezielle Benutzergruppen.
  • Durch eine feinere Auflösung der gemeindeweisen Schadenslawinendichte (nach dem Parameter „Örtlichkeit") wird eine weitere Konkretisierung der Situation erreicht.
  • Extremereignisse sind festzustellen und kartographisch zu verorten.
  • Analyse der Extremereignisse durch Rekonstruktion gesamter Winterverläufe (Vorverfüllung!) und Vergleich mit kurzfristigen Strömungslagen.
  • Anwendung mathematisch-statistischer Analyseverfahren zur Aufdeckung von Signifikanzen und Zufälligkeiten (Struktur entdeckende und prüfende Methoden sollen komplexe Zusammenhänge erkennbar machen).
  • Internationaler Erfahrungsaustausch (Eidgenössisches Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos; (Laternser et al., 1995, Schneebeli et al. 1998)) und der Vergleich von Ergebnissen sollen die Datenauswertung intensivieren und deren Effizienz steigern.
Um die oben genannten Aufgaben und Fragen mit Hilfe der Schadenslawinendatenbank bearbeiten zu können, muss sie entsprechend strukturiert, kontrolliert, korrigiert, ergänzt und weitergeführt werden. Für die rasche Beantwortung von Anfragen müssen Abfragealgorithmen definiert und programmiert werden. Zudem werden die Wetterlagen bzw. Strömungslagen nach Steinacker (STEINACKER, 2000) retrospektiv (fünf Tage ab Ereignis) erfasst.


08.11.06 | Autor: Rammer, L. Quelle: /db/bfwcms2.web?dok=5368