Forstliche Bundesversuchsanstalt - Index

5. Zusammenfassende Wertung der Ergebnisse

5.1 Beurteilung der Immissionsbelastung

Die Nadelanalysen bestätigen durch Grenzwertüberschreitung bei den Schwefelgehalten und eindeutig überhöhten Werten von Blei und Cadmium zu Versuchsbeginn eine Immissionseinwirkung auf allen drei Flächen. Im Laufe der Versuchsdauer verringerte sich die Einwirkung, sodaß auf der werkfernsten Fläche derzeit keine Einwirkung mehr festgestellt werden kann. Die Bodenanalysen, die teilweise extrem hohe Werte an Blei, Kupfer und Zink, aber auch sehr hohe Schwefelgehalte ergaben, bestätigen diesen Befund. Die zu Versuchsbeginn noch starke Belastung durch Fluorabgase der Superphosphatproduktion hat sich bis 1980 stetig verringert, seither sollen nach Werksangaben keine fluorhaltigen Abgase mehr entstanden sein. Die Emissionsverringerung seit 1987 - insbesondere nach Funktionieren der Rauchgasentschwefelungsanlage und teilweiser Produktionsstillegung - findet sowohl in der Abnahme der Schwefeldioxidkonzentration in der Luft und als auch in der Verringerung der Schadstoffgehalte in den Nadelproben ihre Bestätigung (Abb. 22). Durch die klare Synchronität der Verläufe der Emissionen und den beiden Immissionsparametern wird der entscheidende Einfluß des Werkes auf die Situation im Raum eindrucksvoll bestätigt. Die gesetzlichen Grenzwerte für Schwefel werden auch 1996 noch überschritten. Die Verringerung der Immissionseinwirkung ist noch keinesfalls so einschneidend, daß Pflanzenschäden auszuschließen wären.

Abb.22: Vergleich der Schwefelemissionen von 1974 bis 1992 mit den verfügbaren Jahresmittelwerten
der Luftmessungen an der Station Höhenthurn und den Schwefelgehalten im 1. Nadeljahrgang auf Fläche 701 von 1985 bis 1995.

5.2 Gesamtbewertung des Versuchs

Die bei der Versuchsanlage gestellte Frage nach besonders geeigneten Nachkommen verschiedener Mutterbäume zur Verwendung in immissionsbeeinflußten Gebieten konnte nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Die Nachkommen unterschieden sich zwar im Wachstum signifikant, jedoch war die Streuung zu groß, um bestimmte Kollektive besonders empfehlen zu können. Auch die Testung von resistenten Pfropfpflanzen erbrachte kein für die Praxis verwertbares Resultat. Die Propfungen waren derart auf Schneedruck anfällig, daß sie nicht mit den übrigen Pflanzen mithalten konnten. Unter Berücksichtigung des in den letzten 25 Jahren eingetretenen Wandels der Betrachtungsweise, scheint dies nicht entscheidend zu sein: Wenngleich im Forstgesetz 1975 auf die Möglichkeit der Bestandesumwandlung zur Verminderung der Gefährdung durch Immissionen explizit hingewiesen wird, erscheint diese Vorgehensweise zumindest unter vergleichbaren Bedingungen äußerst fragwürdig. Viel zielführender ist es, Lösungsmöglichkeiten für immissionsbedingte Waldschäden im Sinne einer Verbesserung der allgemeinen Umweltsituation ausschließlich in emissionsseitig zu ergreifenden Maßnahmen zu suchen. Die Suche nach besonders resistenten Klonen, Herkünften oder Baumarten hat dadurch die Bedeutung verloren, die sie zu Projektsbeginn hatte. Im Sinne dieses Wandels sollten daher auch die nachfolgenden Ausführungen gesehen werden. Der Versuch erbrachte jedenfalls den eindeutigen Nachweis, daß auch auf der am stärksten belasteten Fläche 701 im Bereich der 1961/62 durch das Absterben der dort stockenden Fichtenbestände entstandene Blöße die Wiederbegründung von Wald seit 1980 möglich gewesen ist. Ob dies auch in den Jahren höchster Belastung durch Schwefeldioxid- und Fluorabgase unmittelbar nach 1961 möglich gewesen wäre, kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Eine Aufforstung mit einheimischen Laubhölzern, wie sie von NEUMANN und POLLANSCHÜTZ (1982) vorgeschlagen wurde, wäre jedoch erfolgsversprechend gewesen. Daß auch durch eine Wiederbegründung mit Laubholzbeständen die Ertragseinbußen im Vergleich zu den ursprünglich fichtenreichen Bestockungen kaum reduziert worden wären, bleibt unbestritten.

5.3 Waldbauliche Wertung der Pfropfungen

Die Mortalität der Pfropfungen ist unabhängig von der Lage der Flächen stets höher als die der gleichzeitig gesetzten Kernwüchse, auch ist das Höhenwachstum der Pfropfungen deutlich geringer. Je stärker die Fläche belastet ist, umso eher können die Pfropfungen mit den Kernwüchsen mithalten. Im Durchschnitt der drei Flächen erreichen die Pfropfungen jedoch nur 50 % der Höhe der Kernwüchse und scheiden daher aus Konkurrenzgründen früher oder später aus. Rund die Hälfte aller Pfropfungen weist Krüppelwuchs ohne eindeutigen Leittrieb auf. Eine Ursache dafür können (Naß-)Schneefälle sein, wodurch in der Anwuchsphase wenig stabile Pflanzen gebrochen werden und offenbar nur zum geringen Teil fähig sind den einmal verlorenen Leittrieb zu ersetzen. Auf ähnliche Schwierigkeiten bei der Umstellung von zweig- auf ein baumförmiges Wachstum hat bereits HOLZER et al. (1982) hingewiesen. Inwieweit dabei durch den Entnahmeort des Pfropfreises das Wuchsverhalten bestimmt wird, kann nicht gesagt werden. SCHÜTT und KOCH (1978) wiesen darauf hin, daß die Höhe der Entnahme am Baum bzw. vom Ast (Seitenäste erster, zweiter oder höherer Ordnung) einen wesentlichen Einfluß darauf nimmt, ob und wie lange plagiotropes Wuchsverhalten beibehalten wird. Es ergaben sich Anzeichen dafür, daß Primärpfropfungen weniger beeinträchtigt sind als bereits von Pfropfungen abstammende Pflanzen. Die im Jahr 1986 gesetzten, also später erzogenen Pfropfungen sind auffällig weniger beeinträchtigt. Der optische Aspekt der Pfropfungen war auf den stärker belasteten Flächen 701 und 702 im Durchschnitt besser als der vergleichbarer Kernwüchse, jedoch lassen die weit entscheidenderen Ergebnisse der Mortalität und des Höhenwachstums in diesem Versuch keine Hoffnung auf eine Nutzung von Pfropfpflanzen für Aufforstungen in der forstlichen Praxis entstehen.

5.4 Wertung der Zuwachsbeeinträchtigung

Das Wachstum auf Fläche 703 ist mit Bonitäten jenseits der 17. Absolutbonität als extrem groß zu bezeichnen. Mit 29 Jahren werden dort bereits mehr als 17 m erreicht, für das Alter 30 ist für die 17. Bonität für Fichte-Bayern eine Oberhöhe von nur 15,7 m angegeben. Von einer Zuwachsbeeinträchtigung auf der entferntesten Fläche kann somit keinesfalls gesprochen werden, obwohl eine Immissionseinwirkung durch Nadelanalysen nachgewiesen wurde. Ein noch größeres Wachstum ohne Immissionseinwirkung wäre zwar prinzipiell möglich, jedoch quantitativ äußerst schwer vorstellbar. Auf 702 entspricht das Wachstum sowohl hinsichtlich der Oberhöhe und der Gesamtwuchsleistung derzeit etwa einer 13. Bonität. Vergleichsmöglichkeiten zu früher fehlen leider, da die vorhandenen Bonitätsangaben für die Bestände vor 1961 offensichtlich unzuverlässig sind. Die Auswertung einzelner Stammanalysen im Rahmen des CARINTHIA-Projektes (NEUMANN und POLLANSCHÜTZ, 1982) aus lagemäßig vergleichbaren Beständen erbrachten niedrigere Bonitäten. Eine Wachstumsbeeinträchtigung zu Projektbeginn erscheint dennoch auf Grund des verzögerten Jugendwachstums und der als hoch einzuschätzenden Mortalität wahrscheinlich. Diese Beeinträchtigung muß sich auch in der nun erreichten Oberhöhe bzw. in der GWL niederschlagen. Daraus folgt, daß der aktuelle Zuwachs höher sein muß als einer 13. Bonität entsprechend. Somit kann zumindest für die Zukunft eine Beeinträchtigung ausgeschlossen werden. Auf 701 sind die Verhältnisse anders zu bewerten. Nachwirkungen der früheren Belastungen und derzeit noch einwirkende Belastungen sind hier anzunehmen. Die aktuelle Bestockung setzt sich aus den 1976 gesetzten Schwarzkiefern und den nachfolgend gesetzten Baumarten zusammen. Die ursprünglich gesetzten Fichten sind fast vollständig ausgefallen, schon daraus resultierte ein Zuwachsausfall von 100 % für 5 bzw. 10 Jahre. Von der Ertragsseite ist außerdem zu berücksichtigen, daß die ohne Belastung möglich gewesene Zielbestockung nicht erreichbar war, wenngleich sie unter derzeitigen Verhältnissen möglich erscheint. Auf Grund der ungleichförmigen Struktur der Fläche ist es derzeit nicht möglich, das Wachstum gesamtheitlich zu bewerten. Das Höhenwachstum der Schwarzkiefer entspricht einer geringen Bonität. Die derzeit erreichte Höhe der Fichte (Pflanzung 1972/73 und 1976) würde etwa einer 4. Bonität entsprechen. Die Schätzung der Bonität auf Basis des Höhenzuwachses der letzten 5 Jahre (STERBA, JANDL und ZEHENTNER, 1990) ergibt eine 9. Absolutbonität gemäß Fichte-Bayern. Demzufolge ist auch auf Fläche 701 zumindest beim Höhenwachstum eine bedeutende Verbesserung in letzter Zeit zu verzeichnen.

Abb. 23: Vergleich der Blei- und Schwefelgehalte (1989) im Boden und der Schwefelgehalte im 1. Nadeljahrgang (1986) mit der bis 1986
erreichten Mittelhöhen und der Überlebensraten auf den drei Flächen.

 


NeuM/FieSy, 24/3/98 top Forstliche Bundesversuchsanstalt - IndexForschungPublikationen