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Auszug aus: B. Heinze: Molekulargenetische Unterscheidung und Identifizierung von Schwarzpappeln und Hybridpappelklonen

3.3 Reihenuntersuchungen zur Introgression

Die in den Kapiteln 3.1 und 3.2 diskutierten Analysen wurden zur Beurteilung der Introgression von Hybridpappeln mit der einheimischen P. nigra herangezogen. Dabei wurde Untersuchungsmaterial aus den folgenden Quellen bezogen:

1) Knospen aus vier Beständen unterschiedlichen Alters im Wiener Raum;

2) Knospen von Steckhölzern aus einem Großteil des österreichischen Verbreitungsgebietes, die für die Anlage einer repräsentativen Klonsammlung gesammelt wurden (s. Kapitel 5.2);

3) Knospen- und Blattmaterial von Sämlingen, die aus selbstgeerntetem Saatgut gezogen wurden.

Die ökologischen Bedingungen der einzelnen Standorte, von denen das Probenmaterial stammt, reichen von einzelnstehenden Bäumen in der Kulturlandschaft bis zu alten Beständen im Nationalpark Donau-Auen.

3.3.1 Untersuchte Klone und DNA-Marker

Ortsbezeichnungen und die genauen geographischen Koordinaten des Untersuchungsmaterials sind in Tabelle 3-7 angeführt. Es wurden sowohl Knospen und Blätter von Bäumen nahezu jeden Alters als auch Keimlinge oder im Versuchsgarten aus Samen gezogene Pflanzen untersucht.

Es wurden die in Kapitel 3.1 und 3.2 vorgestellten Marker angewendet. Dabei diente für die Beurteilung der Chloroplasten-DNA hauptsächlich nur Primerpaar trnD-trnT, da die Unterschiede zwischen P. nigra einerseits und P. deltoides und P. x euramericana andererseits mit diesem Marker bereits ohne Durchführung der Restriktions-Analyse darstellbar sind. Von den nuklearen Markern wurde annähernd das gesamte Material mit win3, ein Großteil auch mit PPAL - Hae III (Kapitel 3.2) untersucht. Andere in Kapitel 3.2 erwähnte Marker wurden nur für wenige Herkünfte angewendet. Eine Übersicht gibt Tabelle 3-8.

Eine Pflanze wurde dann als nicht mehr "reine" Schwarzpappel qualifiziert, wenn mindestens einer der untersuchten Marker die für P. deltoides / P. x euramericana typische Ausprägung aufwies. In ähnlicher Weise wurden Bestände beurteilt. Der Anteil von Hybridpappel-beeinflußten Pflanzen im Bestand wurde als Prozentsatz der Pflanzen mit Chloroplasten-Markern oder Kern-DNA-Markern berechnet, die nicht der Schwarzpappel entsprechen.

3.3.2 Ergebnisse

Der überwiegende Teil der untersuchten Pflanzen und Herkünfte wies in allen untersuchten Merkmalen die für P. nigra typischen Marker auf. Die gefundenen Abweichungen von dieser genetischen Konstellation sind in Tabelle 3-9 angeführt. Dabei handelt es sich um:

4) Samenpartien direkt von Hybridpappeln geerntet oder unter alten Hybridpappeln aufgelesen;

5) einen Bestand im oberen Murtal / Steiermark außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes, der somit vermutlich aus gesetzten Hybridpappeln besteht;

6) einzelne offensichtlich aus Samenanflug hervorgegangene Bäume vorwiegend jüngeren Alters (bis ca. 20 Jahre) und

7) um möglicherweise durch Ausschlag von Hybridpappel-Wurzelstöcken entstandene Bäume.

Diese letztere Kategorie betraf z.B. zwei Bäume auf einer ca. 60jährigen Fläche in Wien.

Bei den direkt von weiblichen Hybridpappeln gewonnenen Samen (Fall 1), die zum Großteil keimfähig sind, wurde ein buntes Sammelsurium von genetischen Konstellationen gefunden. Das wird aufgrund der Mendelschen Vererbungsregeln dann erwartet, wenn Kreuzungen von Hybridpappeln untereinander oder mit Schwarzpappeln stattgefunden haben. Es fanden sich darunter auch Kern-DNA-Marker der P. deltoides in der reinerbigen Konstellation (z.B. Samencharge "Melk"). Eine solche Konstellation kann nur entstehen, wenn sich P. deltoides oder ihre Hybriden untereinander kreuzen. Im vorliegenden Fall handelt es sich also mit höchster Wahrscheinlichkeit um Nachkommen einer Kreuzung P x euramericana X P. x euramericana. Bei den Fällen 2 und 4 zeigten die Marker die für Hybridpappeln der ersten Generation typische Konstellation: die Chloroplasten-Marker entsprachen P. deltoides, und die untersuchten Kern-DNA-Marker wiesen je ein Allel von P. nigra und eines von P. deltoides auf. Daraus kann geschlossen werden, daß es sich bei diesem Material tatsächlich um Hybriden der ersten Generation handelt, die durch Pflanzung dort etabliert wurden und sich z.B. durch Stockausschlag auch nach der ersten Umtriebszeit halten konnten. Der Fall 3 betrifft die eigentliche Introgression, also die schleichende Vermischung der Arten. Auf diesen Umstand weist die eigentümliche Marker-Konstellation an manchen dieser Pflanzen hin. Es wurde nämlich an manchen Genmarkern die P. nigra - typische, an anderen die auf Hybriden hinweisende Konstellation gefunden. Daraus läßt sich schließen, daß es sich um Kreuzungen Hybrid x Schwarzpappel handelt. Der Chloroplasten-Marker weist darauf hin, daß in den bisher aufgetretenen Fällen Hybridpappelklone als Samenbäume anzunehmen sind. Die Bestäubung erfolgte demnach durch P. nigra - Pollen. Der umgekehrte Fall der Bestäubung einer weiblichen P. nigra durch Hybridpappel-Pollen männlicher Klone trat im Untersuchungsmaterial nur bei drei Pflanzen aus Stockausschlag im Revier Seebarn der Forstverwaltung Grafenegg auf: Am PPAL - Hae III - Marker wiesen diese das typische Hybrid-Muster auf, während alle anderen Marker auf typische P. nigra hinwiesen. Dieser Fall könnte aber nicht nur eine Einkreuzung, sondern alternativ auch ein bisher nicht entdecktes P. nigra - Allel darstellen.

3.3.3 Diskussion

Die Ergebnisse lassen die folgenden Schlüsse zu: Hybridpappeln vermehren sich auch auf generativem Weg; Sämlinge von Hybridpappeln können sich auch unter natürlichen Bedingungen halten; und gepflanzte Hybridpappeln oder Stockausschläge können relativ leicht mit einheimischen Schwarzpappeln verwechselt werden. Dennoch besteht die überwiegende Mehrheit des untersuchten Materials aus "reinen" Schwarzpappeln, wofür verschiedene Faktoren verantwortlich sein können.

Die Möglichkeit, daß sich Hybridpappeln auf generativem Weg, also über Samen und Pollen, vermehren können, wurde offenbar bisher unterschätzt. Hybridpappeln wurden teilweise für steril gehalten, teilweise hielt man sie deswegen für fortpflanzungsunfähig, weil nach Entfernung der Schwarzpappeln in der Nähe männlicher Sorten keine Verjüngung gefunden wurde (Wendelberger-Zelinka 1952). Tatsächlich aber scheint es keine generelle Sterilität der Hybridpappelklone zu geben. Hybridpappeln lassen sich untereinander in verschiedenen Kombinationen und mit Schwarzpappeln im Glashaus künstlich kreuzen. Allenfalls könnte man herabgesetzte Fertilität vermuten. Die vorliegenden Ergebnisse beweisen, daß solche Kreuzungen auch unter natürlichen Bedingungen am Standort vorkommen. Dabei kreuzen sich sowohl Hybridpappeln untereinander, wie in der Samencharge "Melk", als auch weibliche Hybridpappeln mit einheimischen Schwarzpappeln, wie zumindest eine am Standort Mannswörth aufgefundene Pflanze zwingend beweist. Diese Kreuzungen sind rein äußerlich nicht von Schwarzpappel-Sämlingen zu unterscheiden.

Eine Selektion am natürlichen Standort gegen diese Produkte der Introgression scheint möglich (Legionnet & Lefèvre 1996), läßt sich aus den vorliegenden Daten jedoch nicht ableiten. Immerhin sei festgehalten, daß unter den im Versuchsgarten gezogenen Sämlingen solche von Hybridpappeln eine etwas höhere Ausfallsrate zu zeigen scheinen.

Während die generative Vermehrung weiblicher Hybridpappeln nachgewiesen werden konnte, fehlen zwingende Nachweise für die Bestäubung von Schwarzpappeln durch Pollen männlicher Hybridpappeln. Nur im Fall der Hybridpappel-Absaaten muß Hybridpappel-Pollen beteiligt gewesen sein (die drei eigentümlichen Seebarner PPAL - Hae III - Muster könnten, müssen aber nicht auf Hybridpappel-Pollen zurückzuführen sein). Die Möglichkeit der Bestäubung von weiblichen P. nigra - Bäumen durch Hybridpappel-Pollen kann aber aufgrund der erhobenen Daten keinesfalls generell ausgeschlossen werden. Im Gegenteil scheint eine solche Konstellation aus statistischen Überlegungen plausibel. Es wurden außer unter weiblichen Hybridpappeln nur wenige Exemplare von Kreuzungen weiblicher Hybridpappeln mit Schwarzpappel-Pollen gefunden. Wenn Kreuzungsprodukte von weiblichen P. nigra mit P. x euramericana-Pollen ähnlich selten sind, könnten sie rein zufällig nicht in den Stichproben vorhanden gewesen sein.

Eine Erklärungsmöglichkeit für tatsächliche Häufigkeitsunterschiede zwischen den beiden Richtungen der Rückkreuzung wäre in der Dauer und im Zeitpunkt der Blühperiode zu suchen. Ein Bestand weiblicher Hybridpappeln, meist nur aus einem Klon bestehend, der dann in einem relativ engem Zeitintervall blühen würde, kann durch die kontinuierliche Pollenproduktion eines natürlichen Schwarzpappelbestandes leicht bestäubt werden. Eine Anzahl weiblicher Schwarzpappeln, die zu unterschiedlichen Zeiten blühen und auf die relativ enge Blühperiode eines männlichen einklonigen Hybridpappelbestandes angewiesen wären, würde wahrscheinlich eher von vorhandenen männlichen Schwarzpappeln mit kontinuierlicher Pollenproduktion bestäubt als vom Hybridpappelklon mit der engeren Blühperiode.

Ein weiterer Grund für die Seltenheit von Kreuzungen P. nigra X P. x euramericana könnten spezifische genetische Unverträglichkeiten sein. Es ist denkbar, daß manche P. deltoides-stämmige Gene für die korrekte Kooperation mit P. deltoides-stämmigen Chloroplasten, die mütterlich vererbt werden, notwendig sind.

Die enge Verwandtschaft vieler "alter" Hybridpappelklone untereinander könnte die gegenseitige Befruchtungsrate verringern (Inzuchtdepression) und Schwarzpappeln bei der Bestäubung weiblicher Hybridpappeln bevorzugen. Das könnte ebenfalls den hohen Anteil von P. nigra-Genkombinationen in Hybrid-Absaaten erklären.

Sämlinge aus solchen Kreuzungen können sich unter "natürlichen" Schwarzpappelanflug mischen und am natürlichen Standort zumindest die ersten Jahre mit den "echten" Schwarzpappelsämlingen mithalten. Legionnet & Lefèvre (1996) vermuten, daß sich der Anteil solcher eingekreuzter Nachkommen mit der Zeit verringert, diese also verstärkt ausfallen. Demgegenüber erscheint es aber durchaus möglich, daß z.B. bei Anflug geringerer Dichte einzelne eingekreuzte Individuen in den Bestand mit einwachsen, oder daß Sämlinge, die sich schon im frühen Alter gegen die Konkurrenz durchgesetzt haben, dies auch weiterhin tun werden. Dies wäre eine alternative Erklärungsmöglichkeit für die 60jährigen Pappeln mit Hybrid-Muster auf der Fläche in Albern.

Mögliche Faktoren, die den Anteil solcher eingekreuzter Individuen an Verjüngungen bestimmen, sind: das Dichteverhältnis Schwarzpappeln/Hybridpappeln, das Alters- und Kronenvolumensverhältnis, die Geschlechterverteilung, die klonspezifischen Blühperioden, und die Verfügbarkeit von Ansamungsflächen. Da man davon ausgehen kann, daß Hybridpappelbestände meist einklonig sind, ist eine Gruppe "natürlich" entstandener Schwarzpappeln meist dahingehend bevorteilt, sich eher untereinander zu kreuzen: beide Geschlechter kommen vor, und die Blühperioden sind über einen längeren Zeitraum verteilt. Bei gemischtklonigen Hybridpappel-Flächen spielen diese Faktoren ebenfalls eine Rolle. Im Nationalpark Donau-Auen z.B. bestehen viele Flächen aus den beiden Klonen "Harff-Regenerata" (weiblich) und "Robusta" (männlich). Da sich deren Blühperiode anscheinend überschneidet, ist durchaus mit Kreuzungsnachkommen zu rechnen. Andererseits verfügen gerade in diesem Bereich die verbliebenen alten Schwarzpappeln über größere Kronen, sie stehen oft freier und weisen oft ein größeres Alter auf, alles Faktoren, die die Blühwilligkeit der Bäume erhöhen. Im Gegensatz dazu neigen Hybridpappeln geringeren Alters im engen Verband weniger zur Blütenbildung.

In den vorliegenden Untersuchungen lagen die Anteile von Hybridpappel-beeinflußten Pflanzen unter Schwarzpappeln zwischen 0 und ca. 10 %. Allerdings ist zu bemerken, daß manchmal nur aufgrund der großen Stichproben diese Pflanzen erfaßt wurden. Die tatsächlich mögliche "Dunkelziffer" kann daher durchaus auch mehr betragen. Diese subtile "Einwanderung" oder Introgression der Hybridpappeln in den Genpool der heimischen Schwarzpappel ist aufgrund morphologischer Betrachtung sicher nur schwer nachzuvollziehen, vor allem bei Aufnahmen im Gelände. Aus dem Fehlen äußerer Hybridpappel-Merkmale in Schwarzpappel-Verjüngung sollte also nicht automatisch auf der "Reinheit" von Hybridpappel-Genen geschlossen werden.

Die Pyramidenpappel P. nigra "Italica", die praktisch in ganz Österreich verbreitet ist, könnte durch Einkreuzung den Genpool der Schwarzpappel ebenfalls stark einschränken. Dieser Klon wurde in die Untersuchungen mit einbezogen. Aus den vorliegenden Daten können allerdings keine Aussagen über eine solche Einkreuzung abgeleitet werden: Keiner der untersuchten Marker war für diesen Klon typisch. Das könnte mehrere Gründe haben:

8) Der Klon, der schon seit Jahrhunderten in Europa präsent ist, hat seine Gene bereits so weit in den Genpool eingebracht, daß er sich genetisch nicht mehr besonders auffällig unterscheidet. Im Gegensatz dazu zeigt z.B. der wenig verbreitete weibliche Klon "Femina", die weibliche Spitzpappel, ein abweichendes Muster am Marker win3.

9) Deutliche Unterschiede könnten in weiteren, bisher nicht untersuchten Genen vorhanden sein.

10) Der Klon, der aus West- oder Zentralasien stammt, unterscheidet sich tatsächlich nur wenig vom europäischen Genpool.

Bessere Markersysteme wie etwa Mikrosatelliten wären notwendig, um diese Fragen zu klären.


HeiB/FeiH, 1999-02-08 top Forstliche Bundesversuchsanstalt - IndexForschungPublikationen