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Waldbauliche Strategien für das Pannonische Tief- und Hügelland bei sich ändernden Umweltbedingungen

F. Müller

Kurzfassung. Die klimatischen Besonderheiten des pannonischen Osten Österreichs erschweren die waldbauliche Planung. Die prognostizierte Klimaänderung erhöht das Gefährdungspotential und verändert die Leistungsfähigkeit der Wälder. Zur Einschränkung des Risikos werden die Möglichkeiten der Verringerung des Gefährdungspotentials ausgeführt. Für die Unterstützung waldbaulicher Entscheidungen wird ein Programm zur Bewertung der Funktionen und des Gefährdungspotentials auf Grundlage der natürlichen Waldgesellschaften konzipiert. Damit soll die Ableitung funktionsgerechter Waldbaurichtlinien unter Einbeziehung der Ansprüche der Öffentlichkeit erleichtert werden.

Schlüsselworte: Klimaänderung, Waldbau, Gefährdungspotential, natürliche Waldgesellschaft


1. Einleitung

Waldbauliche Planung beruht auf den gegebenen Ressourcen des Standorts, kalkuliert auf Grundlage der betriebswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen die möglichen Zielvorstellungen und sucht nach geeigneten Verfahren zur Umsetzung der gewählten Zielvorgabe.

Waren aufgrund der klimatischen Besonderheiten die waldbaulichen Handlungen im pannonisch geprägten Osten Österreichs schon bisher mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, so führen die prognostizierten oder schon stattfindenden Änderungen der Umwelt zu weiterer Verunsicherung.

Während man im Klimagebiet der montanen Laub- und Laubmischwaldgebiete bei Änderung der Klimabedingungen noch auf eine Amplitude der Standortstoleranz der Baumarten vertrauen kann oder zumindest die Möglichkeit hat, auf die jeweils am Klimagradienten benachbarte und dort angepaßte Baumartenzusammensetzung zurückzugreifen, sucht man an der hygrischen Waldgrenze im Osten Österreichs vergebens nach heimischen Ersatzbaumarten, die forstlichen Begriffen genügen.

Ein Klimawechsel verschärft das ohnehin schon erhöhte biotische und abiotische Gefährdungspotential, verändert das Leistungspotential der Wälder und führt damit zum Überdenken bisheriger betriebswirtschaftlicher Zielsetzungen.

Verstärktes Interesse der Öffentlichkeit an den Lebensraum- und Umweltleistungen des Waldes, besonders im siedlungsnahen Raum, erleichtert nicht gerade die Entscheidung des Wirtschaftsführers.

In dieser unsicheren Situation scheint es geraten zu sein, nach verläßlichen Grundlagen sowie nach Möglichkeiten zur Verringerung des Gefährdungspotentials zu suchen.

2. Möglichkeiten zur Verringerung des Gefährdungspotentials

2.1 Erhöhung der Wasserspeicherkapazität im humosen Oberboden

Im pannonischen Klimagebiet ist die Menge und Qualität des Humushorizontes für die Wasserspeicherkapazität von entscheidender Bedeutung. Zur Erhaltung eines guten Humuszustandes ist neben einer ausreichenden Zufuhr leicht zersetzbarer Laubstreu die Schaffung und Erhaltung eines ausgeglichenen Bestandesinnenklimas von besonderer Bedeutung. Untersonnung und Windexponiertheit führen zu Humusdegradationen und Verhagerungserscheinungen. Das setzt besonders unter dem lockeren Schirm der Lichtbaumarten die Begründung eines beschattenden Nebenbestandes oder Unterholzes voraus.

2.2 Angepaßte Bestandesverjüngung

Für eine gelungene Naturverjüngung über Samen sind neben den erforderlichen Bestandes- und Fruktifikationsvoraussetzungen auch die jeweiligen Keim- und Anwuchsbedingungen entscheidend. Von den durch Standortseigenschaften gesteuerten Bedingungen sind in der Keim- und Anwuchsphase vor allem die Wasserhaushaltverhältnisse der als Keimbett dienenden obersten Bodenhorizonte zur Versorgung des sich entwickelnden Wurzelsystems von besonderer Bedeutung. Standorte und Böden, die nur geringe Austrocknungsresistenz bzw. keine zusätzliche Wasserzufuhr aufweisen, können selbst bei kurzfristigen Trockenperioden oder auch schon nach extremen Hitzetagen soweit austrocknen, daß die Wasserversorgung für die Sämlinge nur unzureichend gewährleistet ist. Tiefer gelegene Horizonte, deren Wasserreserven für tiefer streichende Wurzeln noch erreichbar sind, sind für Sämlingswurzeln bedeutungslos.

An den Standort angepaßte Baumarten, wie beispielsweise die Eichen, entwickeln in der ersten Vegetationsperiode Pfahlwurzeln mit einer Länge von durchschnittlich 30-90 cm. Hainbuchen bilden seltener Pfahlwurzeln aus, ihr Herzwurzelsystem erreicht im ersten Sämlingsjahr eine durchschnittliche Tiefe von 30-50 cm.

Noch kritischer wird die Wasserversorgung für kultivierte Pflanzen im ersten Anzuchtsjahr, da die Wurzel im Verhältnis zur Masse der oberirdischen Pflanzenteile durch Schnitt und eventuelle Deformation bei der Pflanzung nur vermindert den Boden aufschließt. Eine weitere Gefährdung infolge Wurzelschnitts ist in einer latenten Schwächung nach Pilzinfektion gegeben. Verschärft wird die Wasserverknappung, wenn auf den Kulturen oder Verjüngungsflächen eine konkurrierende Bodenvegetation dem Boden zusätzlich Wasser entzieht.

Auf den zur Trockenheit neigenden Standorten hat die Ausschlagverjüngung gegenüber den aus generativer Vermehrung stammenden Pflanzen Vorteile durch

Die Vorteile der Ausschlagverjüngung gelten uneingeschränkt jedoch nur für die erste Ausschlaggeneration eines Stockes, da mit zunehmender Stockalterung die Bodenwasserreserven immer schlechter ausgenützt werden (Krapfenbauer 1983).

Je unausgeglichener der Wasserhaushalt eines Standorts infolge lage- und bodenbedingter Merkmale ausgebildet ist, desto sicherer gelingt in trockenen Jahren die Wiederverjüngung des Waldes durch Nutzung des Ausschlagvermögens. Die notwendige generative Erneuerung kann sich dann auf feuchtere Jahre mit positiver oder ausgeglichener Wasserbilanz konzentrieren bzw. sind erfolgreiche, gut gelungene Kulturen auf diese Jahre beschränkt (Krissl & Müller 1989).

2.3 Biologische Vielfalt

2.3.1 Artenvielfalt

Hohe Artenvielfalt erweitert die ökophysiologische Amplitude und damit das Puffervermögen, da diese Vielfalt die Reaktionsfähigkeit auf Umweltreize durch wechselseitige Ergänzung und Unterstützung verbessert. Eine Gleichstellung von Artenvielfalt mit hoher ökologischer Stabilität ist jedoch nicht zulässig (Karrer 1993), da es auch sehr artenarme, trotzdem sehr stabile Ökosysteme gibt.

Eine einfache Diversitäts-Stabilitäts-Beziehung gibt es nicht (Whittaker 1975, zit. in Dierschke 1994).

Großflächige Reinbestände sind am meisten störungsanfällig.

2.3.2 Baumartenwahl

Je enger die ökologische Amplitude einer Baumart, desto geringer ist die Toleranz gegenüber Umweltveränderungen. Pionierbaumarten mit weiter ökologischer Amplitude sind in der Regel durch größere Anpassungsfähigkeit gekennzeichnet als Klimaxbaumarten (Thomasius 1991).

Baumarten, die sich derzeit schon im ökologischen Grenzbereich befinden, sind stärker gefährdet als jene, die im Optimalbereich vorkommen.

Die Orientierung der Baumartenwahl an der potentiellen natürlichen Waldgesellschaft eines Standorts, die auch die in der jeweiligen Waldgesellschaft auftretenden Pionier- und Begleitbaumarten berücksichtigt, bietet folgenden entscheidenden Vorteil: Die potentielle natürliche Waldgesellschaft stellt die unter den gegenwärtigen Bedingungen eines Standorts konkurrenzstärkste Vegetationsform dar, sofern man mögliche Vorteile fremdländischer Baumarten und das Fehlen entscheidender Besiedlungsbarrieren ausschließt. Jede andere Vergesellschaftung von Baumarten ist daher vom Umweltstreß stärker belastet. Bei Klimaänderung könnte jedoch eine Baumartenzusammensetzung, die den neuen Bedingungen besser angepaßt ist, Konkurrenzvorteile erhalten. Solche Gründerpopulationen würden als Initialpunkte einer künftigen Ausbreitung dienen.

Der Anbau fremdländischer Baumarten, häufig Gegenstand kontroverser Diskussionen - nicht nur in forstlichen Kreisen - sollte mit Abwägung der Risiken und Chancen durchgeführt werden. Schlechte Erfahrungen bei Fremdländeranbau, zumeist begründet in der mangelhaften genetischen Adaption bzw. in einer unausgewogenen Wirt-Parasit-Beziehung infolge Fehlens einer Koevolution lassen einen großflächigen Anbau fragwürdig erscheinen. Von den fremdländischen Baumarten ist nach kritischer Prüfung nur der Douglasie auf größeren Flächen Anbauwürdigkeit einzuräumen (Otto 1993).

Kleinflächige Anbauten begrenzen das Risiko und eröffnen die Möglichkeit, die waldbauliche Eignung weniger erprobter Baumarten unter sich ändernden Bedingungen zu prüfen. Unter dieser Voraussetzung sind die Versuchsanbauten mit Exoten wie Gleditschie, Götterbaum oder Baumarten mit süd- und südosteuropäischer Verbreitung wie Zürgelbaum, Silberlinde wertvoll.

2.3.3 Genetische Vielfalt

Die ausgewogene Balance zwischen erforderlicher Angepaßtheit und der zum künftigen Überleben einer Baumart notwendigen Anpassungsfähigkeit ist in die waldbauliche Strategie einzubeziehen.

Naturverjüngung
Die Weitergabe und Weiterentwicklung dieser genetischen Strukturen wird im Hochwald am besten gesichert durch Anwendung geeigneter Naturverjüngungsverfahren von Beständen, die durch ihre Vitalität und das Fehlen von Mängeln offensichtlich gut an die gegebenen Standortsbedingungen angepaßt sind. Geeignete Naturverjüngungsverfahren sind solche, die Dauerbestockung, gestufte Bestandesstrukturen, heterogene Entwicklungsbedingungen und lange Verjüngungszeiträume mit Nutzung mehrerer Samenjahre ermöglichen.

Der im Osten Österreichs betriebene Niederwald mit vegetativer Reproduktion kann als Klonsammlung angepaßter Baum- und Straucharten aufgefaßt werden und damit einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung der genetischen Vielfalt leisten.

Im Mittelwald sorgt ausgewogenes Altersklassenverhältnis durch gestufte Einzelstammentnahme besonders gut für Weitergabe der genetischen Information, da die Kurzfristigkeit der Nutzungsperioden auf kleiner Fläche kontinuierliche Überlappung mehrerer in generativer Phase befindlicher Baumgenerationen ermöglicht (Müller 1993).

Künstliche Bestandesbegründung
Bei künstlicher Bestandesbegründung bestehen erhebliche Möglichkeiten des Verlustes an genetischer Information:

Die Auswahl ungeeigneter Herkünfte insbesondere bei Transfer von Vermehrungsgut aus Wuchsgebieten oder Ländern mit anderen Umweltbedingungen gefährdet nicht nur die genetische Nachhaltigkeit in situ, sie führt auch durch Pollenausbreitung in weiterer Folge zur Verdrängung lokaler Populationen.

Forstliches Vermehrungsgut kann gegenüber Naturverjüngungspflanzen durch zu geringe Anzahl von Bäumen, von denen das Saatgut im Ausgangsbestand gewonnen wurde und durch Größensortierung im Forstgarten an genetischer Vielfalt eingeschränkt sein.

Die gesetzliche Neuregelung des forstlichen Vermehrungsgutes, die neben der Übernahme der neuen Wuchsgebiets- und Höhenstufeneinteilung für die Herkunftssicherung auch Mindestanzahlen von zu beerntenden Samenbäumen und die kontrollierte Vermischung mehrerer Reifejahre enthält, trägt zur Sicherung der genetischen Nachhaltigkeit bei.

Für die Begründung von Beständen, deren künftige Leitfunktion nicht die Holzproduktion, sondern die Schutzwirkung auf ökologisch labilen Standorten ist, muß das Vermehrungsgut in höherem Maße Anpassungsfähigkeit an gegebene und künftige sich verändernde Umweltbedingungen aufweisen. Im neuen Forstlichen Vermehrungsgutgesetz ist daher eine Zusatzkategorie mit der Bezeichnung Erhöhte genetische Vielfalt enthalten, die durch besondere Auswahl des Ausgangsbestandes, erhöhte Anzahl von beernteten Bäumen bzw. von Klonen oder Einzelbaumnachkommenschaften in Samenplantagen sowie nicht durchgeführte Größensortierung bei der Forstgartenanzucht populationsgenetische Anforderungen erfüllt, die eine erhöhte Anpassungsfähigkeit der Nachzucht erwarten lassen.

Für Standorte, die aufgrund extremer Umweltbedingungen besondere Anforderungen an die Angepaßtheit einer Population bzw. Herkunft stellen, beispielsweise Trockenstandorte, ist derzeit kein geeignetes Vermehrungsgut im Handel. Die geltenden Zulassungsgrundsätze für die Auswahl von Samenerntebeständen, die auch den EU-Richtlinien entsprechen, haben die Forderung zur Grundlage, genetisch hochwertiges Vermehrungsgut zu verwenden, um die forstliche Erzeugung in wesentlichem Umfang zu steigern und damit die Voraussetzungen für die Ertragsfähigkeit des Bodens zu steigern. Diese Zulassungsgrundsätze berücksichtigen nicht, daß bei Beurteilung von Saatguterntebeständen für Extremstandorte Massen- und Formmerkmale gegenüber Anpassungs- und Vitalitätsmerkmalen zurücktreten müssen. Die Erweiterung der Zulassungsgrundsätze mit der Bezeichnung Angepaßtheit, um die Möglichkeit zu eröffnen, bestimmte Anpassungsformen an die vorherrschenden ökologischen Bedingungen eines Standorts zum Vertrieb zuzulassen, ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Die Anzahl der Pflanzen je Flächeneinheit bei der Bestandesbegründung und damit die Selektionsmöglichkeit während der Selbstdifferenzierung oder bei Bestandespflegemaßnahmen entscheidet ebenfalls über das Ausmaß an genetischer Anpassung und damit an Überlebensfähigkeit nach Veränderung der Umwelt. Die aus Kostengründen stark reduzierte Pflanzenanzahl bei der künstlichen Begründung von Beständen, die Anwendung von Sparverbänden, beeinträchtigt die genetische Nachhaltigkeit. Die genetische Nachhaltigkeit, auf die der in der Forstwirtschaft so oft zitierte Begriff der Nachhaltigkeit ausgedehnt werden müßte, ist erst dann gesichert, wenn bei der Bewirtschaftung und Wiederbegründung des Waldes das Anpassungspotential gewahrt bleibt (Müller-Starck 1995, Ziehe et al. 1995).

Der Waldbauer hat die Möglichkeit, die Kultur je nach Zielorientierung des zu begründenden Bestandes zu gestalten:

Ist Wertholzoptimierung das Ziel, dann wird der Vorteil der reduzierten Anzahl hochwertiger (teurer) Pflanzen auf der Kultur gegenüber dem Nachteil der Einschränkung an Anpassungspotential und genetischer Nachhaltigkeit überwiegen. Steht insbesondere auf ökologisch labilen Standorten die genetische Nachhaltigkeit im Vordergrund, ist möglichst hohe Pflanzendichte anzustreben.

Moderne Kulturbegründungsverfahren versuchen, diese Gegensätzlichkeit zwischen optimierter Wertholzproduktion und Wahrung des Anpassungspotentials durch geeignetes Bestandesbegründungsdesign zu mildern. Dabei werden Hauptbaumarten in weitständigen Clustern eingebracht, die Zwischenflächen werden natürlichen Sukzessionsvorgängen überlassen und sichern neben der notwendigen bestandespfleglichen Wirkung auch die genetische Nachhaltigkeit.

Bei künstlicher Begründung von Beständen, deren langfristige Stabilität bei sich ändernden Umweltbedingungen von besonderer Bedeutung ist, ist die Saat vorteilhaft. Damit kann die bei natürlicher Verjüngung stattfindende Reduktion der Keimlingszahlen, die ein Potential für den Abbau genetischer Belastung darstellt, nachgeahmt werden. Bei der Anzucht im Forstgarten unterbleibt diese Selektion, was sich für die Überlebensfähigkeit des künftigen Bestandes nachteilig auswirken kann.

Bei drastischen Veränderungen der Umweltbedingungen wird das durch seltene Alleltypen repräsentierte latente genetische Anpassungspotential aktiviert. Infolge der geringen Häufigkeiten dieser Allelvarianten besteht bei geringen Pflanzenzahlen und dem damit verbundenen Drifteffekt eine besondere Gefährdung dieses Potentials durch Allelverlust (Ziehe et al. 1995).

2.3.4 Strukturvielfalt

Vielfalt der Strukturen ergibt eine ebenso mosaikartige Vielfalt heterogener Entwicklungsbedingungen. Damit bleiben die Auswirkungen gerichteter Selektionen und Störungen begrenzt, die Pufferkapazität und die Elastizität des gesamten Waldgesellschaftskomplexes wird erhöht.

Der Plenterwald weist zwar kleinflächig höchste strukturelle Diversität auf, doch bleibt diese charakteristische Struktur auf der gesamten Waldfläche räumlich und zeitlich immer dieselbe (Frank 1994). Femelschlagverfahren, besonders der Schweizerische Femelhieb, nach dem Bestandesteile in frei gewählter Hiebsart neben- und nacheinander, in gestaffelten und ausgedehnten Zeiträumen verjüngt werden, ermöglichen die Schaffung und Erhaltung einer nachhaltigen Textur von Bestandesentwicklungsstadien, die wenigstens ausschnittsweise Elemente des natürlichen Phasenkreislaufs enthalten.

Die Mittelwaldstruktur bietet durch die besondere Art der Bewirtschaftung auf kleiner Fläche unterschiedliche Zustandsformen des Kleinstandortes, die einer Vielfalt zwischen und innerhalb der Arten - auch jene der Bodenvegetation und der Fauna - entgegenkommen. Ebenso bietet der Mittelwald den seltenen Edellaubbaumarten, die infolge der geringen Konkurrenzkraft im Hochwald zumeist nur am Waldrand verbleiben können, erhöhte Überlebenschancen.

2.4 Förderung natürlicher Prozeßabläufe

Das Dulden oder Fördern natürlicher Dynamik nutzt die Fähigkeit zur Selbstregulation oder Eigenstabilisierung und trägt damit auch zur Verringerung des Gefährdungspotentials bei.

Störungen, als integraler Teil des dynamischen Geschehens, können zur Strukturverbesserung und Anreicherung der Wälder im Sinne hoher Biodiversität genutzt werden (Otto 1995).

Die unter dem Begriff Naturnaher Waldbau bezeichneten Maßnahmen orientieren sich ebenfalls an der natürlichen Dynamik von Waldökosystemen. Als typisches Beispiel ist die Einbeziehung natürlicher Vorwaldentwicklung bei der Bestandesbegründung, die Nutzung der Selbstdifferenzierung bzw.

Förderung der vitalen Individuen bei der Bestandespflege oder die Reduktion der Anzahl der Auslesebäume bei der Auslesedurchforstung (Spiecker 1995) zu nennen.

3. Funktionsgerechter Waldbau

Eine Ausrichtung der waldbaulichen Planung zur Erfüllung aller Waldfunktionen auf allen Standorten führt zwangsweise zu Zielkonflikten. Funktionsgerechter Waldbau leitet zu einer verstärkten räumlichen Aufteilung in der Zielverfolgung und damit zur Entflechtung von Zielkonflikten.

Diese Funktionsorientierung ist auf eine sichere ökologische Basis zu stellen. Als Beurteilungseinheit bieten sich die potentiellen natürlichen Waldgesellschaften eines Gebietes an, da diese die räumliche Differenzierung der Standortseigenschaften repräsentieren und als waldbauliche Behandlungseinheit geeignet sind.

Für jede Waldgesellschaft ist zu prüfen, in welcher Weise die einzelnen Funktionen (Nutz-, Wohlfahrts-, Schutz-, Erholungsfunktion) erfüllt werden können, wobei neben den im Forstgesetz definierten Wirkungen noch die Naturschutzfunktion (auch als Arten- oder Ökosystemschutzfunktion oder Lebensraumfunktion bezeichnet, vgl. Pitterle 1993) zu berücksichtigen ist.

Zur Erleichterung einer objektiven Beurteilung sind für jede Waldgesellschaft folgende Fragen zu beantworten:

Die Abschätzung möglicher Beeinträchtigungen und der Zielkonflikte führt zu einer Bewertung unter Einbeziehung der Sicherung ökologischer und genetischer Nachhaltigkeit, der betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten und der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. So wird z.B. die Aufrechterhaltung einer Nutzfunktion für eine ertragsarme Waldgesellschaft nicht mehr sinnvoll erscheinen, insbesondere wenn durch Entgeltleistungen die Wohlfahrtsfunktion einer natürlichen Bestockung honoriert wird. Auf ertragreichen Standorten kann bei Wahrung der Erhaltung der ökologischen Nachhaltigkeit die Nutzfunktion optimiert werden.

Das Ergebnis der Bewertung wird entweder die Widmung eines Bestandes einer bestimmten Leitfunktion oder einer optimierten Kombination von Funktionen sein.

Diese Widmung ist Grundlage für die Optimierung der waldbaulichen Maßnahmen. Durch die zielorientierte Vorgangsweise ist die waldbauliche Strategie auf sicherer ökologischer Grundlage vorgegeben.

So wird z.B. bei Bestandesbegründungen die Auswahl der Herkünfte, der Pflanzplan und das Pflegekonzept von der künftigen Funktion oder optimierten Funktionskombination des Bestandes bestimmt:

Auf Standorten, wo mit hoher Sicherheit erwartet werden kann, daß sich waldbauliche Investitionen zur Wertholzproduktion lohnen und bis zum Abtriebsalter realisiert werden können, wird die konsequente Anwendung nutzholzoptimierter Konzepte Vorrang haben. Homogenes, vorsortiertes oder gezüchtetes und damit genetisch eingeengtes Pflanzenmaterial wird vorteilhaft mit entsprechender - den Endbestand bereits einkalkulierter - Pflanzanordnung zur Kultur verwendet. Minimierte waldbauliche Eingriffe konzentrieren sich unter Vermeidung von Vornutzungen auf die frühzeitig ausgewählten Z-Stämme, die nach baumartenspezifischen Pflegemodellen mit möglichst kurzer Umtriebszeit zu Wertträgern erzogen werden. Sieht das Bestandesbegründungs- und -erziehungskonzept keinen Fortbestand über das Abtriebsalter hinaus infolge Naturverjüngung vor, wirken die Entscheidungen zu Baumarten- und Herkunftswahl auch relativ kurzfristig.

Völlig anders zu beurteilen sind labile Waldgesellschaften, deren Fortbestand bei Änderung der Umwelt gefährdet sind. Hier wäre es verfehlt, stammzahlarme Kulturen mit homogenem Pflanzgut eingeengter genetischer Vielfalt zu begründen. Statt dessen sind alle durch biologische Vielfalt begründeten Anpassungspotentiale zu nutzen.

4. Konzept zur Unterstützung waldbaulicher Entscheidungen im Pannonischen Tief- und Hügelland

Ist das Gefährdungspotential gering, so besteht große waldbauliche Freiheit und es ist die Anwendung nutzholzoptimierter Konzepte möglich.

Ist das Gefährdungspotential hoch, so besteht geringe waldbauliche Freiheit; es müssen alle waldbaulichen Möglichkeiten zur Verringerung des Gefährdungspotentials und zur Verbesserung der Anpassungsfähigkeit genutzt werden.

Nachdem die Anwendung nutzholzoptimierter Konzepte auf diesen Standorten fragwürdig ist, werden Widmungen für andere Leistungen als die Holzproduktion vorrangig sein.

Entsprechende Leistungsentgelte bei Inanspruchnahme durch die Öffentlichkeit bzw. finanzielle Unterstützungen von Zuständen mit minimiertem Gefährdungspotential sind zu kalkulieren.

Die waldbaulichen Maßnahmen können sich dabei auf die notwendige Erhaltung der ökologischen und genetischen Nachhaltigkeit beschränken.

Zusammenfassung

Die klimatischen Besonderheiten des pannonischen Osten Österreichs ("hygrische Waldgrenze") erschweren die waldbauliche Planung. Die prognostizierte Klimaänderung erhöht das Gefährdungspotential und verändert die Leistungsfähigkeit der Wälder. Zur Einschränkung des Risikos sind alle Möglichkeiten der Verringerung des biotisch und abiotisch begründeten Gefährdungspotentials zu nutzen, wie:

Eine verstärkte räumliche Aufteilung der Zielsetzungen führt zu Entflechtung von Zielkonflikten und erleichtert die Ausrichtung waldbaulicher Planung ("funktionsgerechter Waldbau"). Diese Funktionsorientierung ist auf die potentielle natürliche Waldgesellschaft eines Standortes, als sichere ökologische Basis, abzustellen.

Zur Unterstützung waldbaulicher Entscheidungen wird daher ein Katalog der potentiellen natürlichen Waldgesellschaften mit folgenden Merkmalen und Analysen zu erstellen sein:

Literatur

Dierschke H. 1994: Pflanzensoziologie: Grundlagen und Methoden, In: UTB für Wissenschaft: Große Reihe, Stuttgart, Eugen Ulmer, 683 S.

Karrer G. 1993: Nachhaltigkeit und Biodiversität - aus der Sicht der Vegetationskunde, XX. Tagung der Fachgruppe Wald- u. Holzwissenschaften, 27. u. 28. Okt. 1993, Univ. f. Bodenkultur, Wien: 45-61.

Krapfenbauer A. 1983: Beiträge zur Problematik des Mittelwaldes und seiner Bewirtschaftung, Inf. Schr. zur Exkurs. am 21.4.1983, Sekt. Ausschlagwald des Verbandes NÖ. Forstbetriebe, Wien, 52 S.

Krissl W. u. Müller F. 1989: Waldbauliche Bewirtschaftungsrichtlinien für das Eichen-Mittelwaldgebiet Österreichs, FBVA-Berichte, Nr. 40, 134 S.

Müller F. 1993: Auswahl und waldbauliche Behandlung von Gen-Erhaltungswäldern, FBVA-Berichte, Nr. 73, 22 S.

Müller-Starck G. 1995: Beiträge der Forstgenetik zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung, Forum Genetik-Wald-Forstwirtschaft, 25. - 27. Okt. 1995, Freising-Weihenstephan.

Otto H.-J. 1993: Fremdländische Baumarten in der Waldbauplanung, Forst u. Holz, 48:454-456.

1995: Die sukzessionale Variabilität von Wäldern des niedersächsischen Pleistozäns als Grundlage eines naturnahen Waldbaues, Forstarchiv, 66:133-140.

Pitterle A. 1993: Nachhaltig - multifunktionale Waldwirtschaft, Reihe Veröffentlichungen der Abt. Gebirgswaldbau, 1, Univ. f. Bodenk. Wien, 212 S.

Spiecker H. 1995: Ein Vergleich natürlicher und pflegebedingter Selektionsprozesse, Mitt. d. Forstl. Versuchsanstalt Rheinland-Pfalz, 34:161-179.

Thomasius H. 1991: Mögliche Auswirkungen einer Klimaveränderung auf die Wälder in Mitteleuropa, Forstw. Cbl., 110:305-330.

Tiefenbacher H. 1995: Waldbau auf forstgenetischer Basis, Forst u. Holz, 50:134-141.

Ziehe M., Gregorius H.-R., Herzog S. 1995: Populationsgröße, genetische Variation und Anpassung - Betrachtungen zu Risiken für die forstliche Praxis bei der Bestandesbegründung, Mitt. d. Forstl. Versuchsanstalt Rheinland-Pfalz, 34:180-201.


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