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Flächenbezogene Abschätzung des Risikos durch Protonen- und Stickstoffeinträge

Im Rahmen des Themenkomplexes "Modellierung von Critrical Loads" wurde vom Forschungszentrum Seibersdorf, Abteilung Umweltplanung (H.M Knoflacher & W. Loibl), finanziert vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft, das Projekt "Flächenbezogene Abschätzung des Risikos durch Protonen- und Stickstoff-Einträge für Waldböden des Tiroler Kalkalpin" bearbeitet. Im folgenden wird ein Auszug aus den FBVA-Berichten 94 (1996; S. 231-254) wiedergegeben.

 

Kurzfassung. Auf der Basis der Daten von Felduntersuchungen (Tiroler Bodenzustandsinventur, Österreichische Forstinventur 1985-90 und Ergebnissen aus dem interdisziplinären Forschungsprojekt der Forstlichen Bundesversuchsanstalt "Risikofaktoren für Waldökosysteme") wurden statistische Analysen und Modellberechnungen über das Risiko von Waldbodenveränderungen durch erhöhte Einträge versauernder Substanzen und von Nährstoffen durchgeführt. Die Modellberechnungen wurden für eine Fläche von 380.000ha in den Wuchsgebieten 2.1 und 4.1 angestellt.

Die Ergebnisse beider Berechnungen weisen auf ein erhöhtes Risiko im Bereich der Talflanken hin, wobei die Art des Risikos durch die Standorteigenschaften bestimmt wird. Auf karbonatreichen Standorten sind infolge von Wachstumsbeschleunigungen Mangelerscheinungen bei einzelnen Nährstoffen zu erwarten. Auf silikatreichen Standorten besteht hingegen ein erhöhtes Risiko durch Versauerung.

 

1. Einleitung

Reale Prozesse in der Natur laufen permanent und flächendeckend innerhalb der verschiedenen Ökosysteme ab. Aus methodischen und ökonomischen Gründen können nur ausgewählte Parameter an räumlich eng abgegrenzten Messpunkten über begrenzte Zeiträume erfasst und beschrieben werden. Für die Interpretation der Messergebnisse im räumlichen Zusammenhang und in Verbindung mit den zeitlichen Entwicklungen sind deshalb zusätzliche methodische Hilfsmittel erforderlich. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Einsatz von Modellen, welche auf Basis formalisierter Regeln die Nutzung bisheriger Erkenntnisse für den konkreten Einzelfall erlauben.

Modelltypen

Der Einsatz von Modellen kann für unterschiedliche Zielsetzungen erfolgen. Nach Wissel (1989) lassen sich vereinfacht drei Hauptzielsetzungen für Modellanwendung unterscheiden, denen entsprechende Typen von Modellen zugeordnet werden können:

  • Für die Zusammenfassung und Strukturierung vorhandener Informationen und Daten in knapper, präziser Form werden deskripitive Modelle eingesetzt.
  • Zur Erweiterung des Verständnisses funktioneller Zusammenhänge in Umweltsystemen oder zur Ermittlung der Auswirkungen komplexer Zusammenhänge dienen Simulationsmodelle.
  • Der strukturierten Zusammenfassung bestehender Erkenntnisse und Theorien für die Ableitung von Konsequenzen bestimmter Bedingungen dienen konzeptionelle Modelle.

2. Zielsetzungen

Die Zielsetzung des vorliegenden Projektes liegt in der Ermittlung flächenbezogener Risikofaktoren für Wälder in den Wuchsgebieten 2.1 und 4.1 mit Hilfe von Modellanwendungen und auf Basis vorliegender Mess- und Untersuchungsdaten.

Das Risiko dieser Einträge ist nach zwei Gesichtspunkten zu untersuchen:

  • In Hinblick auf die räumliche Verteilung des Risikos ist zu berücksichtigen, dass von der Gesamtfläche der Wuchsgebiete 2.1 und 4.1 von 380.000 ha rund 150.000 ha auf kristallinem Grundgestein liegen. Solche Flächen weisen gegenüber Säureeinträgen eine geringere Pufferfähigkeit als karbonatbeeinflusste Standorte auf. Es ist deshalb zu untersuchen, welches Risiko für solche Standorte gegeben ist.
  • Auf karbonatbeeinflussten Standorten ist kein direktes Schädigungsrisiko durch Einträge von versauernden oder eutrophierenden Substanzen zu erwarten, es ist jedoch offen, ob sich in Verbindung mit anderen Faktoren sekundäre Schädigungsrisiken ergeben können. Es soll deshalb untersucht werden, ob sich aus den vorliegenden Untersuchungsdaten Aussagen über diese Art von Risiken ableiten lassen.

3. Methodik

Siehe FBVA-Bericht 94.


4. Ergebnisse

4.1 Risikoabschätzung mit Hilfe statistischer Methoden

Die statistische Analyse der verfügbaren Daten dient zur Untersuchung der Eigenschaften von Bezugsdaten und der Überprüfung von Zusammenhängen zwischen versauerungsrelevanten Bodenkenngrößen und orographischen Merkmalen. Der erste Teil der statistischen Analyse bildet die Basis für die Verwendung der Daten in den einzelnen Bearbeitungsschritten und liefert deshalb keine spezifischen Aussagen im Sinne der aufgeworfenen Fragestellungen. Die dabei gewonnenen Ergebnisse werden deshalb nur in Verbindung mit den weiteren Arbeitsschritten berücksichtigt.

Die Überprüfung der Zusammenhänge zwischen versauerungsrelevanten Bodenkenngrößen und orographischen Merkmalen geht von der Hypothese aus, dass Flächen ähnlicher Exposition eine weitgehend übereinstimmende Entwicklung bei den Belastungen durch Luftschadstoffe aufweisen. Im Bereich der Nordtiroler Kalkalpen sind wegen der vorherrschenden Windrichtungen auf den Nord- und Norwestabdachungen vorwiegend Ferneinträge aus Nordwesteuropa zu erwarten, welche auf den frei exponierten Flächen der mittleren und größeren Höhen Auswirkungen zeigen sollten. Auf den südexponierten Abhängen zum Inntal sind hingegen vor allem lokale Einträge zu erwarten, deren Auswirkungen besonders in den Tallagen und mittleren Höhen bemerkbar sein sollten. Für die Nord-Süd verlaufenden Quertälern der Alpen lassen sich infolge der komplexen Luftbewegungen keine Hypothesen über die räumlichen Verteilungen von Luftschadstoffeinträgen formulieren.

Für die Untersuchung der Fragestellung wurden die Waldbodendaten der Tiroler Bodenzustandsinventur mit Hilfe der Statistiksoftware SYSTAT auf signifikante Zusammenhänge mit der Exposition und Höhenlage untersucht. Für die einzelnen Bodenhorizonte (0-10 cm, 10-20 cm, 20-30 cm und > 30cm) wurden die Korrelationen zwischen der Exposition und Höhenlage mit den Messgrößen pH, Nges, Ca, K, Mg, und Na mit Hilfe des Pearson Korrelationstests untersucht. Für Nges ließ sich für alle Bodenhorizonte eine auf dem 5% Niveau signifikante positive Korrelation (Zunahme des Messwertes mit zunehmender Höhe) mit der Seehöhe des Probenahmeortes feststellen, für die pH- Werte bestehen signifikante positive Korrelationen nur für die Horizonte 0-10 cm und 20-30 cm. Diese Ergebnisse ließen noch keine Rückschlüsse auf die Verteilungen der Belastungen zu, da gegenläufige Prozesse (z.B. Denitrifikation, Auswaschungen in tiefer liegende Bodenzonen) in Abhängigkeit von zusätzlichen Faktoren (z.B. Temperatur, Niederschlag, Hydrogeologie des Untergrundes) das Ausmaß der Auswirkungen wesentlich mitbestimmen.

Da keine langfristigen Dokumentationen der Einwirkungen durch Luftschadstoffe vorlagen, ergab sich in Hinblick auf die Aussagkraft der Modellberechnungen die Frage, ob sich durch eine differenzierte Auswertung der Bodenprofilmessungen Hinweise auf längerfristige Veränderungen der Versauerungsprozesse finden lassen. Dafür wurden die Messdaten in zwei, durch die Höhenlage, differenzierte Gruppen aufgeteilt:

G1: Bodenproben von Standorten < 1000 m Seehöhe

G2: Bodenproben von Standorten > 1000 m Seehöhe

In jeder Höhengruppe erfolgte eine Auswertung der pH-Werte für die Bodenhorizonte 0-10 cm, 10-20 cm und 20-30 cm nach den Expositionsrichtungen auf die Kennwerte der statistischen Verteilung (Mittelwert, Medianwert, Varianz und Standardabweichung). Wegen der teilweise geringen Stichprobenzahl und den Variationen bei der Expositionsbestimmung wurden gleitende Mittelwerte aus jeweils drei benachbarten Expositionsrichtungen (z.B. NW, N und NE) gebildet.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Probeorte unter 1000 m Seehöhe durchgehend niedrigere pH-Werte aufwiesen als Probeorte ab 1000 m Seehöhe. Hinsichtlich der Exposition zeigten sich in der Klasse der tiefer gelegenen Probeorte im Oberboden große Unterschiede. Die niedrigsten pH-Werte waren an nordexponierten Probeorten festzustellen, die höchsten Werte an ostexponierten Probeorten (Tabelle 1).

Die pH-Werte der einzelnen Expositionsrichtungen bei Probeorten ab 1000 m Seehöhe wiesen weitgehend geringere Unterschiede auf als bei Probeorten unter 1000 m (Tabelle 2). So betrug die Differenz zwischen dem niedrigsten pH-Mittelwert (Nord) und dem höchsten pH-Mittelwert (Süd) 0,32, bei den tiefer gelegenen Probeorten beträgt die Differenz hingegen 0,88. Die Ursachen dafür sind in den stärkeren Beeinflussungen der tiefer gelegenen Standorte durch lokale und regionale Emissionsquellen zu vermuten. Bei höher gelegenen Standorten führen vermutlich Varianzen der großräumigen Transporttrajektorien zu räumlich relativ gleichmäßig verteilten Belastungen der Standorte.

Der Vergleich der pH-Mittelwertdifferenzen zwischen den einzelnen Bodenhorizonten in den unterschiedliche Höhenlagen zeigte relativ gleichmäßige Gradienten bei den hochgelegenen Standorten. Bei den Standorten unter 1000 m war hingegen bei den Expositionsrichtungen Nord und West eine deutlich größere Differenz zwischen den Mittelwerten der beiden oberen Horizonten festzustellen als zwischen den mittleren und dem tiefsten Horizont (Tabelle 3).

Die Ursachen für die Gradientenunterschiede zwischen den einzelnen Horizonten liegen vermutlich im zeitlichen Ablauf der Versauerungsprozesse, wobei die unterschiedlichen Bedingungen in der Auflage und im Mineralboden zu beachten sind. Für die Abschätzung längerfristiger Auswirkungen sind primär die Prozesse in den Mineralbodenhorizonten von Bedeutung. In Höhenlagen unter 1000 m ist aufgrund der Ergebnisse zu vermuten, dass verstärkte Belastungsschübe in der jüngeren Vergangenheit zu einer Beschleunigung der Versauerung im oberen Mineralbodenhorizont führten. In Verbindung mit den ororgrafischen Gegebenheiten ist anzunehmen, dass diese Belastungen vor allem aus regionalen und lokalen Quellen stammen. In Höhenlagen ab 1000 m dürften hingegen langfristig relativ konstante und großräumige Prozesse für die geringen Differenzunterschiede zwischen den einzelnen Mineralbodenhodenhorizonten verantwortlich sein.

4.2 Risikoabschätzung mit Hilfe des SSMB (Steady state mass balance) Modelles

Die hier angewandten Berechnungen erfolgten auf der Basis der Daten der Tiroler Bodenzustandsinventur 1988 und der Österreichischen Forstinventur 1985-90. In beiden Fällen handelt es sich um Erhebungen zu einem einzigen Zeitpunkt, so dass aus den Daten keine Ableitungen der zeitlichen Entwicklungen erfolgen können. Die Ergebnisse der statistischen Analyse zeigten, dass die Anforderungen des SSMB Modelles in Lagen ab 1000 m Seehöhe weitaus besser erfüllt werden als an tiefer gelegenen Standorten. Infolge der verstärkten Versauerung in den Oberböden war zu erwarten, dass die Modellergebnisse für diese Standorte zu hohe Critical Loads, d.h. eine Überschätzung des Pufferpotentials, ergeben.

Die bisherigen Arbeiten zur Ermittlung des Versauerungsrisikos in Österreich beruhen auf Bodenklassen, für welche innerhalb der Klassenbandbreiten die Berechnungskennwerte mit Hilfe von Expertenschätzungen festgelegt wurden. Im vorliegenden Projekt konnten hingegen Daten aus Felduntersuchungen von Einzelstandorten herangezogen werden. Für die Berechnung der Critical Loads für Versauerung von Waldböden sind Daten über die Freisetzung basischer Kationen durch Verwitterung, den Eintrag der basischen Kationen durch Depositionen und deren Aufnahme durch die Baumvegetation, sowie die Sickerwassermengen aus dem Wurzelhorizont erforderlich (Formel [11]). Alle Parameter sind dabei als Stoffflüsse pro Hektar und Jahr darzustellen, wodurch Transformationen der statischen Messdaten aus den Untersuchungen in Flussvariable erforderlich werden.

Für die Gewinnung der Analysedaten aus den Bodenuntersuchungen der Tiroler Bodenzustandinventur wurden nur die Horizonte des Mineralbodens herangezogen. Dadurch blieben die relativ kurzfristig ablaufenden Nährstoffumsätze der Bodenauflageschicht, welche in den Modellen derzeit nicht berücksichtigt sind, aus der Modellberechnung ausgeblendet. Dies ermöglicht Vereinfachungen bei der Darstellung von dynamischen Teilprozessen (z.B. Denitrifikationsprozessen) und bei der Bestimmung der Flussgrößen.

Aus den Daten der Tiroler Bodenzustandsinventur wurden die Kenngrößen Höhenlage des Untersuchungsprofils, Gesamtprofiltiefe, Horizontverteilung, Untergrundgeologie und Gehalte von Ca, Mg, K sowie P in den einzelnen Horizonten für die Modellberechnungen herangezogen. Die Umwandlung der Messwerte in Flussgrößen erfolgte mit Hilfe einer modifizierten Umwandlungsformel nach Hettelingh et al. (1991) unter Berücksichtigung der Höhenlagen (Formel [15]). Für die Kenngrößen Versickerungsraten und Deposition basischer Kationen lagen keine flächendeckenden Messungen vor. Die Kenngröße Versickerungsrate wurde deshalb über die Verteilung der Niederschlagsmengen nach den Daten in Knoflacher & Loibl (1993a) mit Hilfe der Abschätzung der Versickerungsanteile nach Baumgartner et al. (1983) unter Berücksichtigung der Untergrundgeologie und der Höhenlage ermittelt (Formeln [12] und [13]). Die Depositionskennwerte beruhen auf den Berechnungen von Kovar et al. (1995).

Die Ermittlung der Aufnahmeraten durch die Baumvegetation erfolgte mit Hilfe der Kenndaten Baumart, Vorratsmasse und Altersklasse aus den Datensätzen der Österreichischen Forstinventur 1985-90 als mittlere jährliche Aufnahmeraten. In Bezug auf die Wachstumsfunktionen von Waldbeständen ergaben sich dadurch Unterschätzungen der spezifischen Aufnahmeraten in den unteren Altersklassen. Der dadurch hervorgerufenen Fehler bei der Berechnung wurde jedoch durch die Beschränkung der Vorratsbetrachtung im Boden auf eine Profiltiefe von 50 cm kompensiert.

4.3 Ergebnisse der Abschätzung des Versauerungsrisikos

4.3.1 Ergebnisse an den Einzelmesspunkten

Die Ergebnisse der Berechnung zeigten für Standorte auf Karbonaten mit einem Mittelwert von 5 keq.ha-1.a-1 relativ niedrige Critical Loads für Versauerung, welche jedoch rund dreimal so hoch waren wie jene auf kristallinen Standorten mit einem Mittelwert von 1,5 keq.ha-1.a-1. Die Unterschiede zwischen den Medianwerten waren mit 1,9 keq.ha-1.a-1 auf Karbonatstandorten und 1,2 keq.ha-1.a-1 auf Kristallinstandorten deutlich geringer.

Im Vergleich zu den aktuellen Einträgen versauernd wirkender Substanzen durch nasse Depositionen von rund 0,7 keq.ha-1.a-1 in Hochlagen unterhalb der Waldgrenze und rund 1,3 keq.ha-1.a-1 in Tallagen reichen die ermittelten Pufferkapazitäten in der Regel aus. Durch trockene und okkulte Depositionen können jedoch die Einträge die rechnerischen Pufferkapazitäten an verschiedenen Standorten überschreiten. Dieser Zustand hat jedoch unterschiedliche Bedeutungen für die einzelnen Standorte. Auf karbonatreichen Gesteinen mit leichter Löslichkeit führt vermutlich ein erhöhter Eintrag von versauernden Substanzen zu einer Beschleunigung der Nährstoffbereitstellung und in weiterer Folge zu einer Erhöhung der Wachstumsleistung in der Vegetation. Durch diese Prozesse ist, abgesehen von Verschiebungen der Nährstoffverhältnisse, keine kritische Veränderung in den Waldböden zu erwarten. Offen ist dabei derzeit jedoch die Frage, wie weit es dabei zu kritischen Veränderungen bei der Bodenbildung mit weiteren Konsequenzen für die Hangstabilität und den Wasserhaushalt kommen kann. Auf kristallinen Standorten sind hingegen bei Überschreitungen der ermittelten Pufferkapazitäten, wegen der weitaus geringeren potentiellen Versorgungsrate mit basischen Elementen, längerfristig Versauerungen der Böden mit entsprechenden Schädigungen der Vegetation zu erwarten.

4.3.2 Ergebnisse der Flächeninterpolation

Siehe FBVA-Bericht 94.

4.4 Abschätzung der Auswirkungen von Stickstoffeinträgen als eutrophierender Faktor

4.4.1 Ergebnisse an den Einzelmesspunkten

Natürliche Waldstandorte sind in der Regel mit Stickstoff unterversorgt, Erhöhungen der Stickstoffeinträge führen deshalb in erster Linie zu einer Steigerung der Wachstumsleistungen der Vegetation. Kritische Wirkungen können sich jedoch ergeben, wenn dadurch Ausfälle von Pflanzenarten auftreten, die Wachstumsbeschleunigungen zu Mangelversorgungen bei anderen Nährstoffen führen oder die Überschüsse aus Stickstoffeinträgen in Grundwässer gelangen und dort zu Belastungen durch Nitrat führen.

Die Berechnung der Critical Loads für Stickstoff als eutrophierenden Faktor berücksichtigten das potentielle Risiko einer Unterversorgung der Nährstoffe Kalzium, Kalium und Magnesium sowie das Belastungsrisiko von Grundwässern durch Nitrate (Formel [22]). Die Modellberechnungen wurden unter zwei unterschiedlichen Annahmen durchgeführt. In der ersten Annahme wurde davon ausgegangen, dass Abweichungen zu den festgestellten Wachstumsleistungen zu Mangelerscheinungen in der Baumvegetation führen. Die zweite Annahme ging davon aus, dass die kritischen Belastungen durch Stickstoff von der Nachlieferungsrate der Nährstoffe im Boden bestimmt werden. Im Vergleich zur ersten Annahme liefern diese Ergebnissen längerfristig gültige Aussagen über die Critical Loads, da sie in einem geringeren Ausmaß durch kurzfristige Prozesse bestimmt werden.

Für Karbonatstandorte ergaben sich bei der Berechnung der ersten Annahme Critical Loads für Stickstoff (CLNmin) zwischen 0,5 und 19 kg.ha-1.a-1 mit einem Mittelwert von 13,8 kg.ha-1.a-1, nach der zweiten Annahme lagen die Ergebnisse (CLNmax) zwischen 4 und 31 kg.ha-1.a-1 bei einem Mittelwert von 17, 6 kg.ha-1.a-1. Für kristalline Standorte ergaben sich bei der Berechnung der ersten Annahme (CLNmin) Critical Loads für Stickstoff zwischen 8 und 14 kg.ha-1.a-1 mit einem Mittelwert von 10,4 kg.ha-1.a-1; nach der zweiten Annahme (CLNmax) lagen die Ergebnisse zwischen 9 und 18 kg.ha-1.a-1 bei einem Mittelwert von 12,7 kg.ha-1.a-1.

4.4.2 Ergebnisse der Flächeninterpolation

Angesichts der Linearität des Einflusses der flächenhaft vorliegenden Variablen Seehöhe, Gründigkeit und Niederschlag auf den CLNmin konnte eine Funktion mit Hilfe eines multiplen linearen Regressionsmodells in der Form

y = a + b * Seehöhe + c * Gründigkeit + d * Niederschlag (3)

approximiert werden.

Für CLNmax wurde diese Vorgangsweise nur für die Kalkstandorte gewählt. Die Daten der (wenigen Silikat-Standorten) stammten von Probestandorten in geringerer Höhe als die Kalk-Standorte. Die lineare Regression ergab unter anderem deshalb extrem steile Anstiege der Regressionsgeraden, die zu unrealistisch hohen CLNmax führen.

Im GIS wurden die multiplen Funktionen für Kalk- und Silikat-Standorte zusammengeführt, um anhand der flächenhaft vorliegenden Variablen Seehöhe, Gründigkeit und Niederschlag zu einem flächenhaften Extrapolationsergebniss zu gelangen. Die Einflussgröße, mit der jede der drei Variablen für die Charakteristik des flächenhaften CLNmin beiträgt, wird durch die Regressionskoeffizienten repräsentiert. Für CLNmax musste für Kristallin-Standorte eine Vorgangsweise analog wie für CLA gewählt werden.

Ein Abflachen der Kurve war aufgrund der Datenlage nur durch die Wahl einer nichtlinearen Funktion in der Form der Gleichung (1) darstellbar. Die prinzipielle Vorgangsweise ist bereits in Kapitel 4.4 erläutert.

Im Vergleich zu früheren Untersuchungen, bei denen für Waldgebiete nur grobe Einschätzungen vorlagen, ergaben die neueren Berechnungen höhere Critical Loads für Stickstoff. Die Differenzen zwischen den beiden Ergebnissen der beiden Berechnungen ergaben sich primär durch die verbesserten Datengrundlagen der neuen Berechnung. Zusätzlich wurden bei den früheren Berechnungen empirisch festgelegte Werte für hochalpine Vegetation verwendet, welche zur Vermeidung von Artenverschiebungen definiert wurden. Dieser nur für Flächen außerhalb von Waldgebieten anzuwendende Ansatz wurde bei der neu durchgeführten Berechnung nicht berücksichtigt.

Im Vergleich zu den Depositionswerten von Stickstoff sind tendenziell in den talnahen Lagen Auswirkungen durch erhöhte Stickstoffeinträge zu erwarten. Die Auswirkungen könnten dabei sowohl in Form von Mangelerscheinungen einzelner Nährstoffe bei Bäumen oder auch in Form erhöhter Nitratbelastungen des Grundwassers auftreten. Bei höher gelegenen Standorten sind hingegen bei diesem Kriterium nur an einzelnen Standorten kritische Auswirkungen zu erwarten. Keine Aussagen können jedoch über mögliche Veränderungen in der Artenzusammensetzung in der Krautschicht und in den Vegetationsbeständen oberhalb der Baumgrenze gemacht werden.

5. Zusammenfassung und Ausblick

Das Schädigungsrisiko durch Versauerung oder erhöhte Nährstoffeinträge für Waldböden im Bereich des Nordtiroler Kalkalpin wurde mit Hilfe statistischer Methoden und Massenbilanzmodellen untersucht. Die Ergebnisse der statistischen Analyse weisen auf erhöhte Belastungen in den Bereichen der Talflanken hin, wobei eine Beschleunigung der Prozesse durch Einträge aus lokalen und regionalen Quellen in jüngerer Zeit zu vermuten ist.

Die Ergebnisse der Modellberechnungen für das Versauerungsrisiko auf Basis von Untersuchungsdaten deuten darauf hin, dass auf karbonatreichen Standorten die erhöhten Einträge von versauernden Substanzen mit einem verstärkten Vegetationswachstum verbunden sind. Die Ursachen dafür sind in verstärkten Nährstoffverfügbarkeiten infolge erhöhter Verwitterungsraten und erhöhten Stickstoffeinträgen zu vermuten. Auf silikatreichen Standorten können sich in Abhängigkeit von den Schadstoffeinträgen zunehmende Versauerungserscheinungen zeigen. Der Vergleich der Berechnungsergebnisse mit den Eintragsmessungen lässt ein erhöhtes Schädigungsrisiko an den Hangflanken der Täler erwarten, speziell in Gebieten mit hohen lokalen und regionalen Emissionen von Stickstoff- und Schwefelverbindungen.

In weiteren Untersuchungen wird zu prüfen sein, wie weit unterschiedliche Baumartenzusammensetzungen dabei einem erhöhten Risiko durch Verschiebungen des Nährstoffangebotes infolge unterschiedlicher Poolkapazitäten ausgesetzt sind.

 

Vollversion mit Literaturzitaten, Abbildungen und Anhang: FBVA-Berichte (Forstliche Bundesversuchsanstalt) Nr. 94, 231-254.

04.10.05 | Knoflacher H., Loibl W.
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