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Die Insektenfamilie der Borkenkäfer - Biologie, Bedeutung und Schäden
Neue Borkenkäferarten in Bayern
(Artikel aus Forstschutz Aktuell Nr. 38)

Der Schwarze Nutzholzborkenkäfer - ein Alleskönner

Ursprünglich stammt der Schwarze Nutzholzborkenkäfer (Xyleborus germanus Blandf.) aus Ostasien. Er wurde in den 1930er Jahren in die USA verschleppt und 1952 erstmals in Deutschland im Raum Darmstadt nachgewiesen (Groschke 1953). Die Art hat sich auch in Frankreich, Belgien, Schweiz und Österreich stark ausgebreitet. Hinsichtlich der Brutsubstratwahl (Baumarten, Stärke des Baumes, Zersetzungsgrad) zeigt X. germanus - „der Schwarze“ - eine außergewöhnlich große Bandbreite. Der Holzbrüter und Ambrosiapilzzüchter befällt Laub- und Nadelholz (Zach et al. 2001). Laubholzheister, Schlagabraum, Holzerntestöcke, frisches und älteres im Wald lagerndes Holz als auch anbrüchige stehende starke Bäume werden befallen.
Bisher galt die Art als typischer Sekundärschädling. Wie Untersuchungen der LWF in Nordbayern im Steigerwald zeigten, werden Bäume mit Verpilzungen, Astabbrüchen, Spalten oder Mulmhöhlen bevorzugt angeflogen. Das massive Auftreten an Biotopbäumen lässt befürchten, dass für den Naturschutz wertvolle Exemplare beschleunigt absterben könnten. Die Art ist der Wegbereiter für Nachfolgeschäden durch Braun- und Weißfäulepilze. Primärbefall wurde an Laubholzheistern festgestellt.
Der Schwarze Nutzholzborkenkäfer (Abbildung 1) bevorzugt den bodennahen Bereich der Wälder bis fünf Meter Höhe. Die in Belgien vermutete Höhengrenze von maximal 350 Metern für eine dauerhafte Ansiedlung (Henin und Versteirt 2004) hat sich nicht bestätigt. Im Steigerwald und Spessart wurde der Käfer auch in Seehöhen zwischen 400 und 500 Metern festgestellt.
Ein bisher nur ansatzweise diskutierter Effekt ist die Verdrängung von einheimischen Arten. Bei Untersuchungen in Eichenmittelwäldern im Vorderen Steigerwald (Bussler und Müller 2004) war der heimische Xyleborus dispar noch die häufigere Art und Xyleborus germanus „nur“ dominant. In den Buchenwäldern des nördlichen Steigerwaldes hingegen war das Verhältnis der beiden Arten bereits umkehrt.


Abbildung 1: Der Schwarze Nutzholzborkenkäfer (Xyleborus germanus) ist aufgrund seiner weiten ökologischen Amplitude eine ökologische Bedrohung in den Wäldern Bayerns. Er ist 2 bis 2,3 mm groß und damit deutlich kleiner als der heimische Xyleborus dispar (F.). Er schwärmt ab Ende April aus und erreicht seine höchsten Dichten im Juni und Juli (Bussler und Müller 2004).

Xyleborus peregrinus - der „Fremde“

Nach Untersuchungen der LWF in den Jahren 2002 bis 2004 im Steigerwald und Spessart ist der ebenfalls zu den holzbrütenden Ambrosiakäfern gehörige Borkenkäfer „Xyleborus peregrinus“ (Abbildung 2) inzwischen eine teilweise dominante Borkenkäferart in Laubwäldern Nordbayerns (Bussler und Müller 2004). Peregrinus - „der Fremde“ - heißt richtigerweise Cyclorhipidion bodoanus Rtt., 1913 (syn. Xyleborus punctulatus Kurenzov, 1948). Es handelt sich um eine sibirisch-nordasiatische Art. Über ihre Verbreitung im Ursprungsgebiet und in Europa liegen keine umfassenden Angaben vor. Wann genau die Einschleppung aus Osten nach Mitteleuropa erfolgte, ist ebenfalls ungeklärt. Die ersten Belege, nach dem Erstfund 1944, stammen nach den vorliegenden Daten aus dem Jahr 1960 aus dem Elsass. Seit 1990 gibt es viele Meldungen aus Süddeutschland. Der Käfer entwickelt sich besonders in wärmegetönten Eichenwäldern, bevorzugt im Kronenraum an starken Ästen der Eiche, selten von Edelkastanie (Bussler und Müller 2004). Eine Beteiligung am Bild komplexer Eichenschäden ist nicht auszuschließen. Außerhalb von Wäldern konnte die Art 2005 in lichten, mit Stieleichen bestockten Parkbereichen am Starnberger See nachgewiesen werden.


Abbildung 2: „Peregrinus“ heißt übersetzt der Fremde, da für den Entdecker des Erstfundes in Deutschland 1944, Eggers, die Herkunft der Art ungeklärt war. Heute wissen wir, dass Xyleborus peregrinus die Art Cyclorhipidion (Xyleborus) bodoanus ist. Sie ist inzwischen in wärmegetönten Eichenwaldgesellschaften Nordbayerns weit verbreitet, seine Rolle bei der Komplexerkrankung von Eichen ist ungeklärt.

Amerikanischer Nutzholzborkenkäfer - der Neubürger aus der Nearktis

Der Amerikanische Nutzholzborkenkäfer (Gnathotrichus materiarius Fitch) stammt aus dem östlichen Teil Nordamerikas und ist dort von Ontario bis Florida verbreitet. Auch er ist ein Ambrosiakäfer und tritt als technischer Holzschädling an Nadelbaumarten wie Pinus, Picea, Abies, Larix, Tsuga und Pseudotsuga auf (Kamp 1970). 1933 wurde diese Art in Europa zuerst in Nordwestfrankreich gefunden. Nachweise gelangen dann 1965 in Holland und fast zeitgleich in Deutschland im Schwarzwald (Schedl 1966). Wie die bisherigen Befunde aus Mitteleuropa zeigen, bevorzugt der Käfer in Bayern als Brutbaum die Kiefer, befällt jedoch auch Douglasien. Die Art ist aufgrund ihrer Herkunft sehr kälteresistent und wurde in Bayern bei der Anlage von Brutsystemen bereits im Januar beobachtet. Er dringt nicht nur tief in das Holz ein, sondern befällt auch geschälte Hölzer, die sonst von Holzbrütern meist gemieden werden (Wulf und Schumacher 2005). Der Amerikanische Nutzholzborkenkäfer (Abbildung 3) breitet sich in den süddeutschen Bundesländern und Nordwestdeutschland aus, aber in deutlich geringerem Umfang als die zuvor genannten Immigranten.


Abbildung 3: Der Amerikanische Nutzholzborkenkäfer (Gnathotrichus materiarius) befindet sich in Deutschland in Ausbreitung, er besiedelt auch entrindete Nadelholzpolder.

Kleiner Eichenborkenkäfer - Immigrant oder nicht erkannt?

Der Kleine Eichenborkenkäfer (Taphrorychus villifrons Duf., 1843) wurde 2005 erstmals in Bayern nachgewiesen (Bussler 2006). Im Gegensatz zu den anderen vorgestellten Arten handelt es sich um einen Rindenbrüter. Besiedelt wird ein breites Wirtsbaumspektrum (Eiche, Hainbuche, Buche - Fagus orientalis, Edelkastanie). In Deutschland wurde er bisher ausschließlich an Stieleiche festgestellt (Gebhardt 2003). Im Rahmen eines LWF-Projekts konnten in Unterfranken die ersten Exemplare in Lichtfallen gefangen werden. Aus Deutschland sind bisher nur sechs verstreute Fundorte bekannt geworden (Kamp 1983, Gebhardt 2003). Da es sich überwiegend um Wärmestandorte handelt, ist davon auszugehen, dass es sich bei diesem „Neubürger“ nicht um eine eingeschleppte Art handelt, sondern dass der Käfer schon immer an geeigneten Standorten in kleinen Populationen vorhanden war, aber wegen seiner großen Ähnlichkeit mit dem Kleinen Buchenborkenkäfer (Taphrorychus bicolor Hbst., 1793) bisher nicht erkannt wurde. Begünstigt durch die Klimaerwärmung kann der Kleine Eichenborkenkäfer (Abbildung 4 und 5) vermutlich vermehrt in höheren Populationen auftreten und deshalb häufiger nachgewiesen werden. Der durch Trockenheit und häufigen Fraß durch Laubholzraupen verursachte Stress für die Eiche könnte durch die Zunahme und Ausbreitung dieser Art deutlich erhöht werden.


Abbildung 4: Der Kleine Eichenborkenkäfer (Taphrorychus villifrons) wurde 2005 zum ersten Mal in Bayern nachgewiesen. Es ist eine südeuropäische Art, deren Verbreitungsschwerpunkt rund um das Mittelmeer liegt, und die von Südosten über die Slowakei und Ungarn bis nach Österreich einstrahlt. Es handelt sich wahrscheinlich um eine heimische Art, die sich im Zuge der Klimaerwärmung ausbreitet.


Abbildung 5: Brutbild des Kleinen Eichenborkenkäfers Taphrorychus villifrons mit typischen Sterngängen in einem Eichenast.

Der Japanische Nutzholzborkenkäfer – nicht nur eine Gefahr für Erlen

Der 1909 aus Japan beschriebene Japanische Nutzholzborkenkäfer Xyleborus alni Niisima (Abbildung 6) wurde 1988 im östlichen Mitteleuropa nachgewiesen. Der bayerische Erstfund erfolgte zehn Jahre später. Wie viele andere pilzzüchtende Holzbrüter besiedelt er ein weites Spektrum an Wirtsbäumen. Bruthölzer sind Erlen, Aspen, Weiden, Stieleichen, Birken und sogar Hasel (Pfeffer 1994). In Hessen ist die Art inzwischen auch an Rotbuche nachgewiesen. Man stellt sich hier die Frage, ob die Schadwirkungen an Buchen, die bisher anderen Borkenkäferarten zugeschrieben wurden, nicht durch Xyleborus alni verursacht werden (Flechtner 2004). Die Überwinterung der Imagines erfolgt im Brutgangsystem, das Ausschwärmen der befruchteten Weibchen beginnt bereits während der ersten warmen Frühlingstage.


Abbildung 6: Der Japanische Nutzholzborkenkäfer (Xyleborus alni) ist ein polyphager Laubholzbesiedler. Er wurde 1998 erstmals in Bayern festgestellt.

Ausblick

Die Etablierung dieser Borkenkäferarten und die Auswirkungen auf unsere Wälder und einheimischen Arten werden uns die nächsten Jahre mehr und mehr beschäftigen. An der Bayerischen LWF soll daher ab 2007 untersucht werden, inwieweit diese Borkenkäfer auftreten, welche Risiken und Abwehrmöglichkeiten bestehen und ob Maßnahmen zum Monitoring von Xyleborus germanus und Xyleborus peregrinus notwendig werden.



Literaturliste bei den Autoren erhältlich.
14.05.07 | Bussler, H.; Immler, T., LWF Bayern
BFW © 2005