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Die Insektenfamilie der Borkenkäfer - Biologie, Bedeutung und Schäden
Borkenkäfer 2006: Situation und Monitoring
(Artikel aus Forstschutz Aktuell Nr. 39)

Borkenkäfer-Situation

Trotz teils intensiver Maßnahmen gegen die Borkenkäfer-Massenvermehrung waren im Vorjahr keine deutliche Trendwende und auch keine einheitliche Entwicklung zu beobachten. Während in den Bundesländern Salzburg, Niederösterreich, Burgenland, Vorarlberg und Tirol die Schadholzmengen laut Meldungen der Bezirksforstinspektionen (Quelle: Dokumentation der Waldschädigungsfaktoren, kurz DWF) zurückgingen oder beinahe unverändert blieben, stiegen sie in den übrigen Bundesländern – besonders in der Steiermark – deutlich an (Abbildung 1). Österreichweit hat sich die Borkenkäferholzmenge zwar um zirka 140.000 Festmeter reduziert, erreicht aber bereits in vier aufeinander folgenden Jahren ein absolutes Rekordhoch seit dem Beginn der Zeitreihe im Jahr 1944 (Abbildung 2). Beim Kupferstecher (Pityogenes chalcographus) und dem Kleinen Fichtenborkenkäfer (Ips amitinus) konnte weiterhin ein starker Anstieg der Schadholzmenge beobachtet werden.


Abbildung 1: Entwicklung der Borkenkäfer-Schadholzmengen in den Bundesländer


Abbildung 2: Zeitreihe der Schadholzmengen infolge von Borkenkäfer-Befall, Sturm und Schneedruck


Folgende Ursachen werden für die kritische Borkenkäfer-Situation verantwortlich gemacht:
• Sturmschadholz vom November 2002: Fehler bei der Aufarbeitung wirken sich erst nach Jahren vollständig aus.
• Halbherziges und zu spätes Vorgehen bei der Räumung von Borkenkäfernestern: In Gebieten, wo die Borkenkäferbekämpfung sofort und in voller Intensität angelaufen ist, sind die Folgeschäden geringer.
• Zu geringe Vorlage von Fangbäumen: Groß angelegte Fangschläge zeigten meist bessere Wirkung als gering dimensionierte (Einzel)Fangbaumvorlagen.
• Logistische Probleme bei der Aufarbeitung und dem Abtransport des Schadholzes aus dem Wald: Mangelnde Verfügbarkeit und Koordinierung der Personalressourcen führte zu folgeschweren Verzögerungen.
• Ungeschützte Holzzwischenlager im oder zu nahe am Wald

Die klimatischen Bedingungen in den Jahren 2005 und 2006 hatten die Populationsentwicklung der wichtigsten Borkenkäferarten nicht überdurchschnittlich gefördert. Vor allem der Temperaturverlauf verhinderte, im Gegensatz zum Jahr 2003, die Ausbildung zusätzlicher Generationen. Trotz des günstigen Witterungsverlaufes musste die Borkenkäferpopulation als extrem hoch eingestuft werden, wie die Schadholzzahlen und die Ergebnisse von Fangbaumvorlagen und Pheromonfallen gezeigt haben.
Schneebruchschäden aus dem Winter 2005/2006 und lokale Hagelschlagschäden aus dem Sommer 2006 waren weitere Faktoren, die zum Fortbestand der Borkenkäferproblematik beitrugen. Die Situation hatte sich noch nicht entspannt.
Die Jänner-Stürme 2007 („Franz“, „Kyrill“, „Olli“) führten zu großen Schäden – Schätzungen sprechen von 4 bis 5 Millionen Festmeter Schadholz, werden aber laufend nach oben revidiert – und lieferten damit neuerlich besonders große Mengen Brutmaterial für die Borkenkäfer. Die rechtzeitige Aufarbeitung der gebrochenen oder geworfenen Stämme bis spätestens Mai wurde dadurch erschwert, dass die Schäden meist verstreut an Einzelbäumen oder in Nestern, aber nicht flächig aufgetreten sind.

Aufgrund von Kapazitätsgrenzen bei Schlägerungs- und Transportunternehmern sowie Holzabnehmern wird teilweise die Lagerung des Holzes auf provisorischen „Naturlagerplätzen“ außerhalb des Waldes nötig werden. Besonders wird dabei auf einen Sicherheitsabstand von mehr als 500 Meter zu befallsgefährdeten Beständen zu achten sein. Kann dieser Sicherheitsabstand aufgrund der Geländegegebenheiten nicht eingehalten werden, sind bekämpfungstechnische Maßnahmen, wie Pheromonfallengürtel um den Lagerplatz, unbedingt durchzuführen. Da auch Kiefern und Buchen von den Stürmen betroffen waren, sollten die Schädlinge dieser Baumarten auch nicht außer Acht gelassen werden.
Das extrem hohe Borkenkäferniveau aus 2006 und das verbleibende Brutmaterial infolge der Jänner-Stürme 2007 stellen Herausforderungen dar, die die österreichische Forstwirtschaft in diesem Jahr zu bewältigen hat. Sollten auch heuer ähnliche Probleme bei der Borkenkäfer-Bekämpfung auftreten, wird jedenfalls mit einem neuerlichen Rekordwert an Käferschadholz zu rechnen sein.

Monitoring-Ergebnisse 2006

Das österreichische Borkenkäfer-Monitoring liefert, basierend auf den Auswertungen von Pheromonfallen-Fängen, Waldbesitzern und -bewirtschaftern regionale Daten über Beginn, Verlauf und Intensität der Borkenkäferaktivität. Es ist damit ein wichtiges Instrument zur Abschätzung der Borkenkäfergefahr und des Gefahrenzeitraumes, kann aber die Beurteilung der lokalen Verhältnisse und die Kontrolle der eigenen Waldbestände nicht ersetzen.

2006 haben sich sieben Bundesländer am Borkenkäfer-Monitoring beteiligt, Tirol und Wien nahmen nicht teil. Insgesamt wurden 170 Pheromonfallen eingesetzt; 32 Fallen mehr als 2005. Die Lockstoffe waren bei 90 % der Fallen auf den Buchdrucker (Ips typographus) und den Kupferstecher ausgerichtet, in den restlichen Fallen wurden weiters der Große Lärchenborkenkäfer (Ips cembrae), der Große Zwölfzähnige Kiefernborkenkäfer (Ips sexdendatus) und der Sechszähnige Kiefernborkenkäfer (Ips acuminatus) gefangen. Die Seehöhenverteilung reichte von den tiefsten Waldflächen (165 m) bis auf 1900 m Seehöhe (Abbildung 3). Für die 79 Fallenstandorte von Burgenland, Niederösterreich und Salzburg wurden durch assoziierte Klimastationen zusätzlich Temperatur- und Niederschlagsdaten erfasst. Der Flugverlauf kann auf der Borkenkäfer-Homepage des BFW verfolgt werden.


Abbildung 3: Verteilung der Borkenkäfer-Pheromonfallen nach Seehöhenstufen


Das Jahr 2006, wie auch 2005, waren bezüglich der Käferentwicklung und der Generationenanzahl „normale“ Käferjahre: In den Tieflagen wurden beim Buchdrucker zwei vollständig entwickelte Generationen, in den Hochlagen jedoch nur eine gebildet. Flugverläufe und sogar Fangmengen waren an den identischen Fallenstandorten in denmeisten Fällen sehr ähnlich (Beispiel: Falle „Walserberg“; Abbildung 4). Die Abweichungen waren wahrscheinlich auf die lokalen Witterungsunterschiede zurückzuführen.


Abbildung 4: Gut übereinstimmende Flug- und Fangergebnisse der Jahre 2005 (a) und 2006 (b) einer Salzburger Buchdruckerfalle


Die Ergebnisse des Borkenkäfer-Monitoring zeigten deutlich, dass auch in den Hochlagen ungeheuer große Mengen an Borkenkäfer präsent waren. Der Flugbeginn setzte dort auch schon zu Zeiten ein, wo noch dicke Schneedecken vorhanden waren – ein Hinweis darauf, dass adulte Buchdrucker in den Hochlagen nicht überwiegend in der Bodenstreu sondern in der Rinde von stehenden oder liegenden Stämmen überwintern. Die geringer als angenommen ausfallenden Differenzen im Flugbeginn zwischen den unterschiedlichen Höhenlagen können weiters ein Indiz dafür sein, dass die Borkenkäfer zusätzlich mit Aufwinden in höhere Regionen verfrachtet werden.

Flugverlauf des Buchdruckers in verschiedenen Seehöhen

Der Schwärmhöhepunkt lag 2006 in sechs der sieben Bundesländer exakt in der gleichen Woche (KW 26; 19.06.2006), nur in Vorarlberg wurde er eine Woche früher erreicht. Ebenso hat der Käferflug sehr einheitlich ab Mitte April begonnen, nur in Salzburg und der Steiermark wurden bereits in der zweiten Aprilwoche erste Fänge verzeichnet (Abbildung 5). Der Flug hielt lange an: Noch Mitte bis Ende September wurden größere Fangmengen festgestellt, wenige Käfer sind sogar bis in den November geflogen.


Abbildung 5: Schwärmperioden 2006 vom Buchdrucker für sieben Bundesländer (in Tagen)


2005 war der Flughöhepunkt witterungsbedingt bereits um drei bis sechs Wochen früher und das Ende der Flugzeit in der ersten Oktoberhälfte. In einigen Bundesländern wurden bereits ab der 2. Augusthälfte keine bedeutenden Fangemengen erzielt. Die Variation des Käferfluges zwischen den Bundesländern war 2005 wesentlich größer als 2006.

Aufgrund des 2006 sehr gut übereinstimmenden Flugverlaufes (Beginn, Maximum, Dauer) in den mitwirkenden Bundesländern stellte sich die Frage, ob diese Einheitlichkeit auch über verschiedene Seehöhenstufen hinweg gegeben war. Dazu wurden die Seehöhen der Fallenstandorte in fünf Stufen gruppiert und die Flugaktivität der Buchdrucker aus identischen Fallen der Jahre 2005 und 2006 dargestellt (Abbildung 6).


Abbildung 6: Schwärmperioden 2005 (a) und 2006 (b) vom Buchdrucker für fünf Seehöhenstufen (identische Fallen aus 2005 und 2006; in Tagen)


Deutlich zeigte sich, dass der Flug mit steigender Seehöhe später begann und früher endete. Sowohl 2005 als auch 2006 war zwischen der untersten und der obersten Stufe eine Verzögerung des Flugbeginns von vier Wochen aufgetreten. Im Jahr 2005 flogen in der tiefsten Stufe die Buchdrucker um fünf Wochen länger als in der obersten. Die Ergebnisse aus 2006 wichen nur zwischen 500 und 800Meter Seehöhe ab, ansonsten war auch hier der Flug in den Hochlagen um vier Wochen früher beendet. Trotz unterschiedlicher Witterung galt übereinstimmend für beide Jahre, dass der Käferflug in höheren Lagen später einsetzte und kürzer dauerte.

Umso bemerkenswerter war, dass die Periode des Schwärmmaximums (=größte Fangmengen) über die Seehöhenstufen zwischen 2005 und 2006 deutlich variieren (Abbildung 6): Im Jahr 2006 wurde der Höhepunkt über alle Seehöhen übereinstimmend in der KW 26 (19. Juni 2006), nur in der obersten Höhenstufe eine Woche später erreicht. Dagegen fand der Flughöhepunkt 2005 in höheren Lagen (teilweise) weit früher als in den unteren Seehöhen statt. Die besonders günstige Witterung jenes Frühjahres in den Hochlagen wurde von den Käfern voll genutzt.
Stellt man zusätzlich die relativen Fangmengen über der Flugzeit dar, so wird deutlich, dass die unterschiedlich hohen Gipfel in der Fangkurve zwischen den Seehöhenstufen weitgehend übereinstimmend verlaufen waren. Das galt sowohl für 2006 und noch exakter für 2005 (Abbildung 7). Ein weiterer Zusammenhang mit der Höhenlage: Ab der Hälfte der Schwärmzeit gingen mit steigender Seehöhe die relativen Fangmengen zurück.


Abbildung 7: Relative Fangmengen für die Schwärmperiode 2005 vom Buchdrucker für fünf Seehöhenstufen (identische Fallen aus 2005 und 2006)

Vergleich Steiermark – Salzburg

Die Ergebnisse der DWF 2006 zeigten in Salzburg und der Steiermark - jene Bundesländer, die im Jahr 2002 am stärksten vom Sturmereignis getroffen worden waren - eine entgegengesetzte Entwicklung. Während in der Steiermark die Borkenkäfer-Schadholzmengen 2006 weiter anstiegen, wurden aus Salzburg deutlich geringere Schäden als im Rekordjahr 2005 gemeldet. Interessant erschien daher der Vergleich der relativen Fangzahlen von Fallen der mittleren und oberen Höhenlagen.
In den Hochlagen Salzburgs (Standorte über 1000 m Seehöhe) waren 2006 die Fangzahlen während der gesamten Hauptflugzeit (Mitte Mai bis Mitte August) relativ gleichmäßig hoch, die Schwankungen geringer als in der Steiermark. Die Absolutwerte (mittlere Fangzahlen der Fallen in den Hochlagen pro Woche) waren jedoch niedriger als im Jahr 2005. Sowohl die Spitzenwerte als auch die Jahresgesamtfangzahlen nahmen 2006 ab.
In der Steiermark wurde in der ersten Juliwoche 2006 ein deutlicher Höhepunkt und danach maximal 40 % dieses Wertes erreicht. Die Variation der Fangmengen war damit deutlich höher als in Salzburg. Die Gegenüberstellung der Flugphasen und der relativen Mengen zeigte deutliche Unterschiede zwischen den Hochlagen-Fallen beider Bundesländer (Abbildung 8).


Abbildung 8: Relative Fangzahlen (in Prozent der höchsten Wochenfangleistung) der Buchdrucker-Pheromonfallen der Jahre 2005 und 2006 in Salzburg (a) und der Steiermark (b) (Hochlagen)


Die Absolutfangzahlen waren mit Ausnahme des Spitzenwertes in der letzten Juniwoche 2006 mit Salzburg vergleichbar, insgesamt wurden aber in der Steiermark beinahe doppelt so viele Käfer pro Falle gefangen als in Salzburg (Tabelle 1).


Tabelle 1: Durchschnittliche Fangzahlen verschiedener Fallenkollektive aus Salzburg und der Steiermark


Ob die geringeren Fangleistungen im Spätsommer in der Steiermark damit zusammenhingen, dass die Käfer anstatt zur Falle zu befallsfähigen Bäumen geflogen waren, kann nur vor Ort überprüft werden. Weiters war auffallend, dass 2005 der Flug in Salzburg früher begonnen hat als in der Steiermark, der erste Höhepunkt Anfang Mai war aber primär auf das erstaunliche Fangergebnis einer einzelnen Falle zurückzuführen, die in der ersten Maiwoche 55.000 Buchdrucker gefangen hatte.
In den mittleren Höhenlagen (500-1000 m Seehöhe) waren kaum wesentliche Unterschiede zwischen den relativen Flug- und Fangergebnissen Salzburgs und der Steiermark erkennbar. Die durchschnittlichen Gesamtfangzahlen waren aber in Salzburg deutlich höher als in der Steiermark, wobei aber keine ausgeprägten Unterschiede zwischen dem Jahr 2005 und 2006 in beiden Bundesländern sichtbar waren. Die Schwärmhöhepunkte und auch die Fangmengen der Flugperioden stimmten weitgehend überein (Abbildung 9). Der Flugbeginn war 2006 nahezu identisch, 2005 wurden vergleichbareMengen in Salzburg früher erreicht als in der Steiermark. Ende August war es in der Steiermark noch zu einem deutlichen Flug von Käfern gekommen, die offensichtlich Geschwisterbruten anlegen wollten.


Abbildung 9: Relative Fangzahlen (in Prozent der höchsten Wochenfangleistung) der Buchdrucker-Pheromonfallen der Jahre 2005 und 2006 in Salzburg (a) und der Steiermark (b) (mittlere Höhenlagen)


Das österreichische Borkenkäfer-Monitoring macht deutlich, dass im Gegensatz zum Jahr 2005, wo die höchste Flugaktivität schon in der ersten Jahreshälfte gemessen worden war, der höchste Käferdruck 2006 erst im Sommer entstand. Für die Steiermark galt dies noch mehr als für Salzburg: Größere Flüge wurden noch Ende August registriert und vergleichbare Fangmengenanteile später erreicht. Da zu diesem Zeitpunkt Fangbaumschlägerungen oder Fangschläge nicht mehr routinemäßig durchgeführt wurden, verblieb daher als einzig wirksame Bekämpfungsmethode das Schlägern des frisch befallenen Holzes und das anschließende Entrinden oder Entfernen aus dem Bestand, bevor die Käfer ausschlüpfen konnten.
Warum bei vergleichbarer Sturmausgangslage im Jahr 2002 die Entwicklung des Käferschadholzes 2006 so diametral unterschiedlich verlaufen ist, kann durch den Schwärmverlauf und die Fangmengenentwicklung nicht lückenlos erklärt werden. Teilaspekte liefern Erklärungsansätze. Wie weit sich die Fallen in der Repräsentanz der örtlichen Borkenkäfersituation unterschieden, kann aus den Daten des Borkenkäfer-Monitoring nicht begründet werden. Auch kann die Schätzung der Borkenkäfer-Schadholzmenge in beiden Bundesländern mit unterschiedlich hohen Fehlern behaftet sein.
27.09.07 | Krehan, H.; Steyrer, G.
BFW © 2005