Pro Silva Austria | Veranstaltungen | Naturnahe Waldwirtschaft | Links



»Wir setzen auf eine umfassende Erhaltung und Bewirtschaftung des Waldes
durch kontinuierliche Pflege und Nutzung«
Pro Silva Austria
Forstorganisation Veneto: Die Agrargemeinschaftswälder von Comelico
Die Landesforstverwaltung des Landes Veneto ist in einer Oberforstdirektion (in Mestre bei Venedig) und 5 Dienststellen organisiert. Die Aufgaben der Landesforstverwaltung sind:
  • Die Wildbachsanierung,
  • der Schutz der Böden und der Hänge,
  • die Forsteinrichtung und
  • die Waldbrandbekämpfung.
Tabelle 1: Verteilung der Waldfläche des Landes Veneto
ProvinzWaldfläche (ha)
Belluno184.381
Vicenza77.294
Verona37.267
Treviso-Venezia26.501
Padova-Rovigo5.277
Land Veneto330.720

Die Exkursion führt uns in die Provinz (Landkreis) von Belluno, und insbesondere in das Gebiet Comelico.

Tabelle 2: Waldfläche, Vorräte, Zuwachs und Nutzung in den Agrargemeinschaftswäldern von Comelico
Gesamte Fläche19.572,54 ha
Waldfläche10.767,69 ha
Wirtschaftswald7.631,82 ha
Schutzwald2.892,81 ha
Gesamter Vorrat3.039.648 fm
Gesamter Vorrat im Wirtschaftswald2.761.940 fm
Durchschnittlicher Vorrat im Wirtschaftswald359,16 fm
Gesamter Vorrat im Wirtschaftswald48.671 fm
Prozentueller Zuwachs im Wirtschaftswald1,76 %
Jährlicher Einschlag24.235 fm
Prozentueller Einschlag in 10 Jahren8,77 %

Die privaten Waldbesitzer haben eine Waldfläche von ungefähr 4.000 ha, mit einem jährlichen Einschlag von 6.000 fm/Jahr.

Forstbehörde und Kontrolle in Comelico

In diesem Gebiet ist folgendes Aufsichtspersonal tätig:
  • Landesforstverwaltung: 1 (Giuseppe Menegus)
  • Staatliche Forstbehörde: 4
  • Revierförster der Agrargemeinschaften: 7

Waldgeschichte

Forstgesetze

Die Republik von Venedig, die „Serenissima“, hat schon im Jahr 1438 die ersten Forstbehörde eingeführt, die darauf zu achten hatte, dass die Hauptstadt Venedig nicht ohne Bau- und Brennholz blieb. Die folgenden Forstgesetze (1470, 1476, 1493) hatten immer das Ziel, genug Holzvorräte zu haben (minimale Umtriebszeit für den Niederwald, Verbot von unbewilligter Holzernte von Hochwald). Nadelholz war wichtig für den Bau von Häusern und Schiffen, das Buchenholz aus Niederwäldern war wichtig für die Heizung (Privathaushalte und Industrie) und das Buchenholz aus Hochwäldern wurde für den Bau von Rudern eingesetzt.

Im Jahr 1495 wurde verboten, die Wälder zu roden („wo eine Eiche wächst, müssen immer Eichen wachsen“).

Die österreichische Verwaltung, ab Jahr 1798, behielt die schon geltenden venezianische Forstgesetze.

Im Jahr 1811 Eugen Napoleon von Frankreich, Stellvertretender König von Italien, im Auftrag von Napoleon, Kaiser von Frankreich und König von Italien, unterschrieb das allgemeine Forstgesetz, mit dem Ziel, den Schutz der Wälder, der Böden und der Aufsicht zu organisieren.

Im Jahr 1877 wurde das erste italienische Forstgesetz (Einigung von Italien: 1861) eingeführt, um die Wälder und die Stabilität der Hänge zu schützen.

Im Jahr 1923 wurde das allgemeine Forstgesetz eingeführt, das noch heute gilt.

Nach der Umorganisation des Staates im Jahr 1977, wurde im Jahr 1978 das Forstgesetz des Landes Veneto eingeführt.

Holzverkauf nach Venetien

Das Holz wurde geerntet und mit Hilfe der Flüsse transportiert. Zuerst wurden die freien Stämme ins Wasser transportiert und geführt, und dann, als der Fluß breiter und tiefer wurde, wurden die Stämme zusammen gebunden und als „Floß“ bis Venedig transportiert. Auf diesen „Schiffen“ aus Rundholz wurde auch die Schnittware transportiert, die in den Sägewerken verarbeitet wurde.

Merkwürdig ist das Maß der Stämme: die Länge 4,17 m kommt aus der Einheit der Messung der venezianischen Republik.

1 Oncia: 2,89 cm, 1 Fuß = 12 Oncia = 34,78 cm, 1 Stamm (Taglia) = 12 Füße = 4,17 m.

Jährlich wurden nach Venedig geführt:
580.000 kurze (4,17 m) Stämme, 200 Mäste und 20.000 lange Stämme.

Besitzstruktur

Übersicht Veneto

In Comelico ist der Waldbesitz ausschließlich auf die Agrargemeinschaften und die Gemeinde aufgeteilt. Alle Agrargemeinschaften bzw. die Gemeinde(n) verfügen über eine durchschnittliche Waldfläche von 500 ha. Die privaten Waldbesitzer verfügen über eine durchschnittliche Waldfläche von 0,5 ha.

Jagd

Die Jagd ist mit einem Reviersystem organisiert. Das Revier ist die Gemeinde, und auf die Jagd dürfen nur die gehen, die die Jagdprüfung bestanden haben und deren Wohnsitz seit mehr als 5 Jahren in dem betreffenden Dorf ist. Jedes Revier hat einen Jagdleiter und eine Kommission für die Verwaltung der Jagd, und jedes Revier erhält von der Provinz die maximale Zahl der Jäger, die in diesem Gebiet auf die Jagd gehen dürfen. Falls ein Revier zu viele Jäger hat, muss ein junger Jäger warten, bis einer aufhört.

Jagddruck: ungefähr ein Jäger je 100 ha.

Jedes Revier muss das Wild, in Zusammenarbeit mit den Jagdaufsehern, zählen: Rotwild in April in der Nacht auf den Wiesen, Rehwild in April – Mai, Gamswild in Juli. Nach der Zählung wird der Abschussplan geplant.

Wildbestand und Abschussplan: z. B. San Vito di Cadore, wo Giuseppe Menegus auf die Jagd geht.

Bestand: Rotwild 250, Rehwild 120, Gamswild 300.

Abschussplan: 14 Hirsche, 28 Stücke Kahlwild, 14 Rehböcke, 14 Rehgaisen, 50 Stück Gamswild auf 3500 ha und für 45 Jäger.

Die Abschusspläne werden in der Regel erfüllt.

Die Jagdzeit geht vom erstem Septembersonntag bis zum zweitem Dezembersonntag. Am Dienstag und am Freitag darf man nicht auf die Jagd gehen. Jeder Jäger darf nur 3 mal in der Woche auf die Jagd gehen.

Wenn der Abschussplan erfüllt ist, dann ist die Jagd vorbei. Auf jede Wildart darf man in der Regel 2 Monate jagen:

Rotwild: ab mitte September bis Mitte Oktober ist das Rotwild geschont. Ein Kronenhirsch je 3 Hirsche, sonst ein Drittel Hirsche, ein Drittel Kälber und ein Drittel Tiere.

Rehwild: bis 31. Oktober. Entweder Sechser oder Knöpfler. 50% Rehgaisen und Rehkitze, 50% Rehböcke.

Gamswild: bis mitte Dezember. Gamsbock (IA, >90 CIC Punkte) ab 7. Jahr, Gamsgais ab 11. Jahr (IA). 75% Gaisen, Jährlinge und Kitze, 25% Böcke (IIA e IIB)

Der Jagdschein kostet im Jahr 300,00 €.

Der Jäger darf ohne weitere Kosten die erlegten Stücke behalten (keine Trophäegebühr oder Wildbretgebühr).

Waldplanung und Forsteinrichtung

Gemeinde und Agrargemeinschaften müssen einen Forsteinrichtungsplan haben. Er ist 10 Jahre lang gültig und wird zu 50% vom Land Veneto gefördert.

Der Forsteinrichtungsplan hat einen „Fällungsplan“, der sagt „Wann, wo und wie viel“ geerntet darf. Eine bestimmte Flexibilität ist natürlich vorhanden: „Wann“ und „Wo“ können aus verschiedenen Gründen (Borkenkäfer, Windwurf, Erdrutsch, finanzielle Lage des Waldbesitzers) umorganisiert werden, nur das geplante „Wie viel“ darf nicht mehr als 10 % überschritten werden.

Der Forsteinrichtungsplan wird von Waldbesitzer bewilligt, bevor er von der Landesforstverwaltung bewilligt wird. Bei der Holzauszeige ist immer ein Vertreter des Waldbesitzers dabei. Der Holzverkauf wird nur vom Waldbesitzer durchgeführt.

Die Forsteinrichtung wird von privaten Dipl.-Ingenieuren (forstliche Ausbildung an der Universität) durchgeführt.

Aufnahmemethodik
20% der Wirtschaftswaldfläche wird durch die Vollkluppung aufgenommen. So wird in 5 Forsteinrichtungszeiten (50 Jahren) die gesamte Fläche vollkluppiert.

80% der Wirtschaftswaldfläche wird durch Bitterlichrelaskopaufnahmen (Band Nr. 2) aufgenommen. In der virtuellen Fläche werden alle Bäume gekluppt, um eine Durchmesserverteilung darzustellen.

Der Zuwachs wird in den Abteilungen wo eine Vollkluppung durchgeführt worden ist, durch die Kontrolle geschätzt und durch die Schneidermethode (K=400) in den anderen Abteilungen geschätzt.

Der Forsteinrichtungsplan wird dann an der Forstbehörde gegeben, um die notwendigen Kontrollen zu machen (korrekte Beschreibung der Abteilungen, nachhaltiger Einschlag, Übereinstimmung der Daten des abgelaufenen und des neuen Forsteinrichtungsplan, Wartung der Grenzen u.s.w.). Nach der Kontrolle und der Verbesserung wird der Forsteinrichtungsplan abgenommen durch die Oberforstdirektion.

Die Kosten der Forsteinrichtung
Hochwald: 8,64 €/ha
Almflächen und unproduktive Flächen: 0,52 €/ha
Karten: 0,52 €/ha
Grenzenzeichnung: 3,10 €/ha
Vollkluppung (20% der Wirtschaftswald): 41,00 €/ha
Winkelaufnahme mit Bitterlichrelaskop und Kluppung: 6,70 €/ha
Winkelaufnahme mit Bitterlichrelaskop ohne Kluppung: 3,30  €/ha
Aufnahme von Zuwachs (Schneidermethode mit K=400), Baumhöhen und Alter: € 1,00/ha

Holzauszeige: Organisation, Kosten und Zeitaufwand
Die Holzauszeige wird wie folgt organisiert: ein „Auszeigedirektor“ entscheidet welche Bäume zu ernten sind, ein Mitarbeiter mit Kluppe nimmt den BHD auf, ein Mitarbeiter stempelt mit dem „Forsthammer“ die Wurzelausläufe, zwei Mitarbeiter schneiden mit der Axt ein Stück Rinde an der Berg- und Talseite des Baumes ab, damit auch vom Weitem die ausgezeigten Bäumen gut erkennbar sind.

Die Mitarbeiter sind vom Waldbesitzer zu bezahlen und kosten 80,00 € pro Tag. Eine so organisierte Mannschaft leistet im Durchschnitt eine Holzauszeige von 100 fm/Stunde.

Der „Auszeigedirektor“ muss ein Forstakademiker sein, wenn die Holzauszeige über 100 fm liegt. Unter 100 fm darf ein Revierförster die Holzauszeige durchführen. Nach der Holzauszeige im Wald, füllt der „Auszeigedirektor“ ein Formular aus (Schlägerungsprojekt), wo die folgenden Informationen zu finden sind:
Waldbesitzer, Abteilung (Parzelle), Jahr der geplanten Nutzung, geplante Auszeige (fm), effektive Auszeige (fm), Baumarten- und Durchmesserverteilung der ausgezeigten Bäume, vorausgesehene verkaufbare Holzmenge (Kubikmeter), Schätzung der Preise: Rundholz frei Strasse (A), Erntekosten (B), stehendes Holz im Wald (A-B), besondere Vorschriften für die Holzernte.

Ausbildung und Arbeitslohn von Forstpersonal
Die Ausbildung der Revierförster ist praxisbezogen. Ein Revierförster verdient um die 800,00-900,00 € im Monat. Ein Akademiker verdient im Durchschnitt 1100,00 € im Monat.

Fällung und Bringung
Motormanuelle Holzernte und Bringung mit Traktor (75%) oder Seilkran (25%). Keine vollmechanisierte Holzernte (Harvester).
Die Holzernte wird von Schlägerungsunternehmern geführt. Diese Unternehmer haben eine kleine Struktur: 1,7 Mitarbeiter pro Betrieb, 160 Arbeitstage pro Jahr (viele haben einen anderen Job: Schilehrer, Arbeiter in Hangsanierungen, Dienstleistungen für die Gemeinden). Diese Unternehmer arbeiten selbstständig und sind bei der Handwerkskammer eingegliedert und versichert. Die Arbeitsleistung liegt bei 5 fm/Tag (Fällung, Aufarbeitung und Bringung).

Preise der Holzernte
Fällung und Aufarbeitung: 13,00 €/fm
Bringung: Traktor und Winde, einfaches Gelände: 13,00 €/fm
Bringung: Traktor und Winde, schwieriges Gelände: 18,00 €/fm
Seilkran: 27,00 €/fm

Kontrolle
Die Kontrolle wird durch die Landesforstverwaltung, der staatlichen Forstbehörde und das eigene Personal (Revierförster) durchgeführt. Vor allem wird kontrolliert, dass keine Bäume geerntet werden, die keinen Stempel haben. Die Fällung und die Bringung sollen auch keine Schäden am Bestand verursachen. Für jeden Schaden, der vermeidbar war, gibt es Straftabellen. Die Strafe beträgt ungefähr das 3-fache des Wertes des illegal gefällten Baumes.

Verkauf des Holzes und Holzabfuhr
Jeder Waldbesitzer verkauft das eigene Holz. Der Verkauf wird so organisiert: der Waldbesitzer bietet den Holzhändlern die Holzmenge, die ausgezeigt worden ist. Der Holzhändler bietet den Preis für das stehende Holz im Wald, den sogenannten „Waldpreis“. Die Kosten der Ernte muss der Holzhändler selbst übernehmen.

Nach der Schlägerung werden die aufgearbeiteten Bloche im Wald vermessen (Holzvermessung). Dies erfolgt mit zwei Mitarbeitern mit Kluppe, einem Vertreter des Käufers und einem Vertreter des Waldbesitzers, die unabhängig die „Tessera“ ausfüllen. Nach der Vermessung werden die zwei „Tessera“ verglichen und von beiden Seiten unterschrieben. Nach der Holzvermessung darf das Holz zur Waldstrasse gebracht werden. Die Holzmenge, die so vermessen worden ist, wird dann nach dem „Waldpreis“ bezahlt.

In seltenen Fällen wird das Holz auf Kosten des Waldbesitzers geerntet und frei Strasse verkauft (Freistrassepreis). Die Holzabfuhr wird vom Holzhändler geführt, entweder zum eigenen Sägewerk oder zu weiteren Holzhändlern.

Erlöse
Spitzenpreise: 170,00 €/fm frei Straße
Gute Preise: 96 €/fm frei Straße
Durchschnittliche Preise: 80 €/fm

Zusammenfassung der Untersuchungen von Bagnaresi (2002)

Die Analyse des Bestandes durch die Durchmesserverteilung stellt nicht das gesamte Waldbild dar. Die Analyse der Ökoeinheiten und dessen Entwicklungsphasen (Verjüngung, Wachstum, Climax,) ist geeigneter, den Wald genauer zu beschreiben. Die Naturverjüngung ist das Ziel nachhaltiger Waldwirtschaft. In den Wäldern, wo kleine Ökoeinheiten nebeneinander leben, entstehen oft „Randbedingungen“, wo die Naturverjüngung optimale Bedingungen findet.

Die Biodiversität solcher Wälder ist hoch, und die Biodiversität der Naturverjüngung ist höher als die des Altholzes. Das Ziel der nachhaltigen Waldwirtschaft ist eine mehrstufige Struktur, hohe Biodiversität und hohe Vorräte.

Die Auszeige in solchen Wäldern ist gleichzeitig Pflege, Durchforstung und Endnutzung (Einzelstammnutzung, Femelschlag, Räumung, Streifenhieb und alle andere Varianten). Damit die mehrstufige Struktur nicht verloren geht, sind sanfte Eingriffe mit Zeitabständen von 10 bis 20 Jahren notwendig. Diese Eingriffe haben je nach Standort ein Auszeige/Vorrat Verhältnis von 10 bis 20 Prozent.

Vorteile: keine Aufforstung, keine Pfleg oder Durchforstung in der Dickung oder im Stangenholz, permanenter Schutz des Bodens gegen Erosion, hohe Stabilität gegen Windwurf, Schneewurf und Wildschaden, hohe Biodiversität.

Nachteile: höhere Kosten in der Holzernte, Bedarf an dichtem Waldstrassennetz
12.08.09 | Lackner, C.
hosting BFW © 2009