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Die Insektenfamilie der Borkenkäfer - Biologie, Bedeutung und Schäden
Borkenkäfer-Situation 2011: Schäden deutlich geringer
Trotz zahlreicher Befürchtungen gingen die Borkenkäferschäden 2011 deutlich zurück. Es wurde Käferschadholz im Ausmaß von 1,6 Millionen Festmeter gemeldet, gegenüber 2010 stellt das eine Reduktion um rund 1,1 Millionen Festmeter dar. In Anbetracht des früh beginnenden Schwärmfluges und der günstigen Witterung im Frühling war die Höhe des Rückganges überraschend. Der Trend war nicht in ganz Österreich einheitlich, so nahmen die Buchdrucker-Schäden in 30 % der Bezirksforstinspek­tionen weiter zu. Eine Entwarnung kann daher nicht gegeben werden. Die möglichen Gründe für eine Ent­spannung der Situation in Bezirken waren zahlreich und sicherlich regional in unterschiedlicher Kombination und Gewichtung zutreffend.

Der Trend bei den Borkenkäferschäden der Jahre 2006 bis 2008 - eine geringfügige, aber konstante Abnahme nach dem damaligen Maximum von 2005 - wurde infolge der enormen Orkan- und teilweise auch Schneebruchschäden der Jahre 2007 und 2008 mit zusammen knapp 19,5 Millionen Festmeter jäh unterbrochen (Krehan et al. 2010). Im Jahr 2009 wurde die Rekordhöhe von 2,87 Millionen Festmeter erreicht. 2010 gingen die Käferholzmengen trotz der feuchten Witterung nicht wesentlich zurück. Das Schadausmaß lag bei 2,72 Millionen Festmeter, der zweithöchste Wert seit der österreichweiten Erfassung ab den 1950er Jahren (Steyrer und Krehan 2011).

Früher Flugbeginn - trotzdem weniger Schäden

Im österreichischen Borkenkäfer-Monitoring werden die wöchentlichen Fangzahlen von Pheromonfallen erfasst. Dadurch stehen regionale Daten über Beginn, Verlauf und Intensität der Borkenkäferaktivität zur Verfügung. 2011 setzte der Schwärmflug von Buchdrucker (Ips typographus) und Kupferstecher (Pityogenes chalcographus) sehr früh ein, bei machen Fallenstandorten bereits im letzen Märzdrittel. Der Hauptflug der überwinterten Generation wurde zirka vier Wochen später registriert.

Die Winter- und Frühjahrsmonate 2010/11 waren praktisch in ganz Österreich zu warm und verbreitet niederschlagsarm. Eine Ausnahme stellten nur der Osten und Norden des Landes dar, als nach frühlingshaften Temperaturen von rund 20 °C Ende Februar nochmals tiefe Minuswerte gemessen wurden (ZAMG 2011). Der Frühling und der Vegetationsbeginn setzten sehr abrupt ein: Der März war ein ausgesprochen sonniger, warmer und trockener Monat. Noch extremer setzte sich die Witterung im April fort. Bereits am Monatsanfang wurden Temperaturen bis knapp unter 30 °C erreicht. Auch im Mai blieben die Temperaturen überdurchschnittlich und nur in den westlichen Bundes­ländern gab es in der zweiten Monatshälfte den lang ersehnten Regen (ZAMG 2011).

Aus dieser Kombination von Witterungsverlauf und sehr zeitigem Schwärmbeginn bei den Borkenkäfern wurden am Beginn der Vegetationszeit vielfach Befürchtungen geäußert, dass sich die Borkenkäfer­situation 2011 wieder verschärfen oder sich zumindest der Trend einer leichten Verbesserung aus dem Jahr 2009 nicht weiter fortsetzen würde. Umso über­raschender waren dann die Ergebnisse der Dokumentation der Waldschädigungsfaktoren (DWF): 2011 wurden von den Bezirksforstinspektionen (BFI) insgesamt 1,6 Millionen Festmeter Käferholz gemeldet, um rund 1,1 Millionen Festmeter weniger als 2010. Damit wurde innerhalb der letzten neun Jahre - nach dem Föhnsturm 2002 - das geringste Schadniveau erreicht. In manchen Gebieten, die in den vergangenen Jahren schwer mit der Borkenkäferkalamität zu kämpfen hatten, sprach man sogar schon den Status "käferfrei" aus.

Buchdrucker und Kupferstecher für das Gros der Schäden verantwortlich

Den größten Anteil an der gesamten Käferholzmenge hatten Schäden durch Buchdrucker mit 1,38 Millionen Festmeter sowie Kupferstecher mit rund 170.000 Festmeter. Im Vergleich zu 2010 reduzierten sich die Buchdruckerschäden um rund 41 % und die Kupferstecherschäden um rund 46 %. Auch die Schäden durch Tannen­borkenkäfer und weniger deutlich durch den Großen Lärchenborkenkäfer (Ips cembrae) nahmen ab. Der Riesenbastkäfer (Dendroctonus micans), der Kleine Buchdrucker (Ips amitinus), der auch auf der Zirbe vorkommt, und die Kiefernborkenkäfer (Ips sexdentatus, I. acuminatus) traten stärker auf. Der Schadholzanteil aller anderen Borkenkäfer, von Buchdrucker und Kupfer­stecher abgesehen, machte aber lediglich 3,4 % des gesamten Käferholzvolumens aus.

Regional unterschiedliche Schadensentwicklung

Österreichweit reduzierte sich 2011 die gesamte Käfer­holzmenge um zirka 41 %. Zahlreiche Einflussgrößen wirken auf die Entwicklung einer Borkenkäferkalamität, und so weichen die Ergebnisse in den Bundesländern wie erwartet von der landesweiten Entwicklung ab und sind differenziert zu betrachten. Die höchsten Schäden gab es in den Bundesländern Steiermark, Kärnten, Ober- und Niederösterreich (Abbildung 1). Den Landesgrößen und den hohen Waldflächenan­teilen entsprechend waren dort 88 % der Gesamt­schäden zu verzeichnen.


Abbildung 1: Entwicklung der Borkenkäfer-Schadholzmengen in den Bundesländern.

In diesen Bundesländern waren aber auch die Veränderungen sehr groß: So wurden die Schäden in Oberösterreich um 57 % verringert (von 588.000 auf 253.000 Festmeter), in der Steiermark um 43 % (von 1,1 Millionen auf 635.000 Festmeter) und in Niederösterreich um 40 % (von 381.000 auf 228.000 Festmeter). In Kärnten fiel die Verbesserung nur gering aus, mit rund 280.000 Festmeter Käferholz wurde rund 95 % der Schadenshöhe von 2010 erreicht (Abbildung 1).

Obwohl Kärnten und ebenso die Steiermark durch die Sturmschäden des Jahres 2008 am stärksten betroffen waren, führt das unterschiedliche Ausmaß der Reduktion in diesen Bundesländern vor Augen, wie ungleich die Wirkung anderer Einflussgrößen gewesen sein muss. Die größte Reduktion wurde aus Salzburg gemeldet, um mehr als 60 % gingen die Borkenkäferschäden zurück. In Tirol und im Burgenland nahmen die Käferholzmengen - entgegen der Gesamtentwicklung - um rund 8 bzw. 33 % zu, jedoch bei vergleichsweise niedrigen absoluten Schadenszahlen.

Ein Drittel der Bezirke mit ansteigenden Schäden

Eine weitere Differenzierung ist zu erwarten, wenn man die Ergebnisse der DWF 2011 auf Bezirksebene analysiert. Dabei zeigte sich, dass der positive Gesamteindruck der Verbesserung im Detail nicht aufrechtzuerhalten war. Bei rund einem Drittel (24) aller Auswerteorte, den Bezirksforstinspektionen (BFI) entsprechend, war eine Verschlechterung evident. Bei 47 BFI (rund 64 %) nahmen die Schäden ab, bei 3 BFI blieben sie mehr oder weniger gleich (bei einem Änderungsbereich von drei Prozent). In 25 BFI nahmen die Schäden um jeweils mehr als 5.000 Festmeter ab, zusammen rund 530.000 Festmeter (Abbildung 2).


Abbildung 2: Absolute (in Festmeter) und relative Abnahmen der Borkenkäferschäden im Jahr 2011 in allen Bezirksforst­inspektionen mit Abnahmen größer 5.000 Festmeter.

Die Reduktionen bei den Käferholzmengen, die sich am stärksten auf die Gesamtergebnisse niederschlugen, wurden aus den folgenden fünf Bezirken aus dem nördlichen Kalkalpenbereich gemeldet: Liezen (154.000 Festmeter), Salzburg-Umgebung mit Stadt Salzburg (135.000 Festmeter), Bruck an der Mur (125.000 Festmeter), Gmunden (118.000 Festmeter) und Kirchdorf an der Krems (95.000 Festmeter). Zusammen entspricht das 57 % der gesamten Abnahme. Die 25 BFI, in denen die Käferholzmenge um jeweils mehr als 5.000 Festmeter abgenommen hat, sind in Abbildung 2 dargestellt.

Dem gegenüber stehen Verschlechterungen in 24 BFI. Am stärksten stiegen die Schadholzmengen in Völkermarkt (15.300 Festmeter), Freistadt (9.200 Festmeter), Osttirol (8.800 Festmeter), Burgenland-Nord (6.900 Festmeter) und St. Veit an der Glan (6.300 Festmeter). Abbildung 3 zeigt jene BFI, in denen die Borken­käferschäden um mehr als 1.000 Festmeter zuge­nommen haben.


Abbildung 3: Absolute (in Festmeter) und relative Zunahmen der Borken­käferschäden im Jahr 2011 in allen Bezirksforstinspektionen mit Zunahmen größer 1.000 Festmeter.

Trend zur Entschärfung der Borkenkäfer­situation nicht überall anhaltend

Beobachtet man Veränderungen in den BFI über drei Jahre (2009 bis 2011), so ist der Trend in 32 BFI (43,2 %) gleichbleibend. Bei 24 BFI bedeutet das eine positive Entwicklung, weil anhaltende Abnahme. Aber bei immerhin acht BFI (10,8 %) wird eine weitere, anhaltende Verschlechterung aufgezeigt (BFI Baden, Feldbach, Imst, Landeck, Osttirol, St. Veit an der Glan, Tamsweg, Völkermarkt).

In 42 BFI (56,8 %) ist die Entwicklung von 2009 auf 2010 jener von 2010 auf 2011 entgegen gesetzt (Trend nicht gleichbleibend). Davon weisen 23 BFI (31,1 %) im Jahr 2011 eine Abnahme der Schäden (nach einer vorherige Zunahme von 2009 auf 2010) und damit eine Entschärfung auf. Aber bei 16 BFI (21,6 %) steigt die Schadholzmenge nach einer Verbesserung der Käfersituation von 2009 auf 2010 im Jahr 2011 wieder an.

Mögliche Ursachen für die Reduktion der Schäden

Nach einer langen Phase der Gradation ist derzeit offen­bar ein Rückgang der Buchdrucker-Populationsdichten zu verzeichnen. Die Gründe dafür können mannig­faltig sein, aus heutiger Sicht können wir nur begründete Vermutungen anstellen.

Ein bedeutendes Faktum dürfte das Ausbleiben größerer Windwurfereignisse seit 2008 sein, und damit ein Ausbleiben erneuter Bereitstellung großer Mengen bruttauglichen Materials. Nach den enormen Schäden durch Sturm (17,7 Millionen Festmeter) und Schnee (1,7 Millionen Festmeter) in den Jahren 2007 und 2008 nahmen die abiotischen Schäden in den Folgejahren massiv ab (Abbildung 4). Die Windwurfschäden waren zwar 2009 in den Bundesländern Ober-, Niederösterreich, Steiermark und Kärnten noch überdurchschnittlich hoch, in Kärnten auch Schneebrüche, nach einer weiteren starken Reduktion 2010 lag jedoch das Schadensausmaß 2011 (530.000 Festmeter) auf dem niedrigsten Niveau der letzten 40 Jahre.


Abbildung 4: Schadholzmengen in Festmeter infolge von Sturm und Schnee, 2001 bis 2011 (* Schäden durch Schnee 2001 nur als Flächenwert vorliegend, Schadholzmenge vergleichbar mit 2003).

In dieselbe positive Richtung wirken forstwirtschaftliche Aktivitäten. Die Nachfrage am Holzmarkt für Säge­rundholz war groß und die Preisentwicklung für die Forstbetriebe und Waldbauern günstig. Nach dem hohen Kalamitätsholzaufkommen besonders der Jahre 2003 (Föhnsturm 2002), 2007 und 2008 war die Preisentwicklung ab 2009 bis 2011 anhaltend steigend. 2011 wurden Höchstpreise von über 95 Euro erzielt (Grill 2012; Abbildung 5). Entsprechend der hohen Nachfrage dürfte 2011 verstärkt genutzt worden sein, wodurch auch die Borkenkäferbekämpfung profitiert haben dürfte, dem Buchdrucker wurde konsequent Brutmaterial und Vermehrungspotenzial entzogen. Nicht zuletzt dürfte durch den großen Schadholzanfall der letzten Jahre und die anhaltende Käfer­kalamität ein verstärktes Problembewusstsein in der forstlichen Praxis entstanden sein, und viele Betriebe steigerten ihre Aktivitäten in der Borkenkäferbe­kämpfung.


Abbildung 5: Entwicklung des Holzpreises (Fichte/Tanne, Blochholz B, Media 2 b), 1995 bis 2012 (Grill 2012).

Durchschnittliche, überregionale Witterungs­be­­din­gungen alleine können Trends in der Schadholzentwicklung lokaler Gebiete nicht erklären, aber sie geben in Kombination mit Daten aus dem Borkenkäfer-Monitoring Hinweise auf die Entwicklung in der Borken­käfergradation. Die Witterung im Frühjahr und Frühsommer 2011 war in fast allen Gebieten Österreichs günstig für die Borkenkäferentwicklung. Lediglich ein Kälteeinbruch mit Spätfrost Anfang Mai unterbrach den ersten Schwärmflug. Die Witterung dürfte die Entwicklung und den beginnenden Flug der der ersten Filial­generation Ende Juni bis Mitte Juli wenig beeinträchtigt haben. In weiterer Folge war es ab Mitte Juli aber häufig wechselhaft mit deutlich unterdurchschnittlichen Temperaturen. Eine weitere Schwärmphase mit einem Maximum in der zweiten Augusthälfte war daher nicht eindeutig der Generationenentwicklung zuzuordnen.

Vielfach dürften die Verhältnisse für die Borken­käfer so ungünstig gewesen sein, dass die Tochtergeneration nur verzettelt (und mancherorts gar nicht) ausgeflogen ist. Ob sich dann noch eine zweite Tochtergeneration vollständig entwickeln konnte, ist fraglich. Jedenfalls wäre der Einfluss auf die Populations­dynamik enorm gewesen. Dafür spricht schon, dass im weniger von den Wetterstörungen betroffenen Süden und Südosten Österreichs im Gegensatz zur Nordseite der Alpen kein (deutlicher) Abwärtstrend in der Schadholzentwicklung zu beobachten war.

Nach Jahren erhöhter Buchdruckerpopulationen ist weiters davon auszugehen, dass natürliche Gegen­spieler in ihrer Dichte zunahmen. Sowohl bei Räubern, wie dem Ameisenbuntkäfer Thanasimus formicarius, und Parasitoiden als auch bei bestimmten Insekten­pathogenen können wir verzögert eine dichteab­hängige Reaktion erwarten. Hierzu liegen uns aus den fraglichen Populationen allerdings keine Daten vor, aber lokale Beobachtung sowie Fangzahlen von Beifängen aus Lockstofffallen bestätigen diese Regel­mechanismen im Verlauf von Gradationen.

Um die Faktoren für diese Trendumkehr bei der Borkenkäfermassenvermehrung fundiert zu identifi­zieren, wären detaillierte Analysen wohl auf der Ebene ausgewählter Bezirke nötig. Eine genaue Betrachtung der Situation im Jahr 2012, in dem sich eine Fort­setzung der Entwicklung abzuzeichnen scheint, wird weitere Hinweise liefern.

Literatur

Grill, G. 2012: November 2012 - Holzmarktbericht Österreich. Landwirtschaftskammer Österreich: http://www.agrarnet.info/?+November+2012+-+Holzmarktbericht+OEsterreich+&id=2500% 2C1751279%2C%2C%2Cc2V0PTE%3D (15.11.2012).
Krehan, H., Steyrer, G., Tomiczek, Ch. 2010: Borkenkäfer-Kalamität 2009: Ursachen für unterschiedliche regionale Befallsentwicklungen. Forstschutz Aktuell, Wien, (49): 9-16.
Steyrer, G., Krehan, H. 2011: Borkenkäfer-Kalamität 2010: Schäden weiterhin sehr hoch. Forstschutz Aktuell, Wien, (52): 10-13.
ZAMG 2011: Klima aktuell, Monatsrückblicke. http://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/klima-aktuell/monatsrueckblick.
21.03.13 | Krehan, H.; Steyrer, G.; Hoch, G.
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