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Forstschutz
Aktuell Forstliche Bundesversuchsanstalt |
Nr.21/1997 Rosskastanienminiermotte |
Möglichkeiten einer biologischen Kontrolle von Cameraria ohridella mit eingeführten natürlichen Feinden
Abstract
[Possibilities of biological
control of Cameraria ohridella.]
Many examples of the past have shown
that the natural parasitiodes of the original habitat have much better
chances to reduce an insect population than polyphagous enemies in the new
habitat. Therefore the most important step for biological control of
Cameraria ohridella is to identify the origin of this insect and to find
out what are the main natural regulators there.
Einleitung
Alle Entwicklungsstadien phytophager Insekten werden von verschiedenen natürlichen Feinden befallen. Es können Parasitoide, Räuber oder Pathogene sein, deren Bedeutung, für verschiedene Gruppen phytophager Insekten unterschiedlich ist. Bei den Blattminierern sind die Parasitoiden gewöhnlich bedeutsamer als Räuber und Pathogene. Im allgemeinen haben Blattminierer eine größere Anzahl von Parasitoiden und leiden unter höheren Parasitierungsraten als andere Phytophage (Hawkins, 1994).
Natürliche Feinde haben eine wichtige Funktion in der Regulierung ihrer Wirtspopulationen. Das wird besonders dann erkennbar, wenn phytophage Insekten ohne ihren Komplex natürlicher Feinde in ein Gebiet außerhalb ihrer natürlichen Verbreitung verschleppt werden, und sich dann stärker vermehren und größere Schäden verursachen. Die sogenannte klassische biologische Kontrolle bemüht sich durch die Einführung natürlicher Feinde aus dem Heimatgebiet in das Einschleppungsgebiet und deren permanente Ansiedlung ein Populationsgleichgewicht herzustellen, das unterhalb einer akzeptablen Schadenschwelle liegt. Andere biologische Kontrollstrategien versuchen, dieses Ziel durch die periodische Freilassung von natürlichen Feinden (Augmentation) oder die gezielte Förderung vorhandener natürlicher Feinde (Konservation) zu erreichen. Hier wollen wir uns auf die klassische biologische Bekämpfung, also auf die Einfuhr natürlicher Feinde aus dem natürlichen Verbreitungsgebiet eines eingeschleppten Schädlings beschränken. Diese Methode wurde gegen eine große Anzahl von Schadinsekten erfolgreich eingesetzt. Sie ist umweltfreundlich, hat ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis als alle anderen Kontrollmethoden und eine dauerhafte Wirkung, die weitere Eingriffe überflüssig macht.
Können einheimische natürliche Feinde einen eingeführten Schädling kontrollieren?
Bevor man gebietsfremde natürliche Feinde zur Kontrolle eines eingeschleppten Schädlings einführt, sollte man sich die Frage stellen, ob nicht die vorhandenen einheimischen natürlichen Feinde diese Funktion erfüllen können. In der Tat werden die meisten eingeschleppten Schadinsekten im Einschleppungsgebiet früher oder später von einheimischen, polyphagen Parasitoiden angegriffen. In den meisten Fällen führt die Parasitierung durch solche polyphagen Arten jedoch nicht zu einer effektiven Populationsregulierung. Diese erfolgt in der Regel durch gut an die Wirtsart angepaßte monophage oder oligophage Arten, deren Lebenszyklus eng mit dem ihrer Wirtsarten verbunden ist.
Eingeschleppte Blattminierer sind dem Angriff einheimischer Parasitoide deshalb besonders ausgesetzt, weil im Gegensatz zu vielen anderen Insektengruppen, viele ihrer Parasitoide polyphag sind. Ein eingeschleppter Blattminierer wird von einheimischen Parasitoiden als Wirt genützt, wenn er 1) zu einer im Gebiet vorkommenden Gattung gehört, und 2) wenn die Wirtspflanze bereits von anderen Arten von Blattminierern befallen wird. In unserem Fall ist festzustellen, daß es in Europa keine weitere Cameraria-Art gibt, und daß Aesculus hippocastanum von keinem anderen Blattminierer befallen wird. Es ist deshalb sehr unwahrscheinlich, daß Cameraria ohridella Deschka & Dimic von polyphagen einheimischen Parasitoiden in Mitteleuropa kontrolliert wird. Erste Untersuchungen (Lethmayer & Grabenweger; Stolz, dieser Band) haben gezeigt, daß Cameraria ohridella zwar von verschiedenen polyphagen Parasitoidenarten als Wirt genutzt wird, aber die Parasitierungsraten weitaus geringer sind als jene, die bei einheimischen Blattminierern erreicht werden.
Beispiele für die biologische Bekämpfung eingeschleppter Blattminierer
Ein eindrückliches Beispiel für die erfolgreiche biologische Bekämpfung eines Blattminierers aus der Familie Gracillariidae ist die Eichenmotte, Phyllonorycter messaniella (Zeller). Diese europäische Art wurde um 1950 nach Neuseeland eingeschleppt und wurde zu einem bedeutenden Schädling von Eichen und anderen Baumarten. Im Gegensatz dazu ist Phyllonorycter messaniella in Europa eine unbedeutende Art, deren Population von einer größeren Anzahl von Parasitoiden niedrig gehalten wird. 1957 wurden die beiden bedeutendsten europäischen Parasitoidenarten, Achrysocharoides splendens (Delucchi) und Apanteles circumscriptus vom International Institute of Biological Control nach Neuseeland geschickt und dort freigelassen. Schon wenige Jahre nach ihrer Aussiedlung wurden Parasitierungsraten bis zu 80 % erreicht und der Befall durch die Eichenmotte in den folgenden Jahren auf ein unbedeutendes Maß reduziert (Thomas & Hill, 1989).
Godfray et al. (1995) publizierten eine interessante Studie über zwei Phyllonorycter-Arten, die aus Kontinentaleuropa nach England gelangten. Eine Art, P. leucographella, miniert die Blätter von Pyracantha, die andere, P. platani (Staudinger) von Platanen, Platanus spp.. In England gibt es viele einheimische Phyllonorycter-Arten, die eine relativ große Anzahl von Parasitoiden gemeinsam haben. Es wurde deshalb erwartet, daß die beiden neuen Arten von einheimischen Parasitoiden angegriffen werden. Tatsächlich konnte Godfray feststellen daß die beiden neuen Arten von mehreren Parasitoiden befallen wurden, daß sich ihre Parasitoidenkomplexe wesentlich unterschieden. Die häufigsten Parasitoiden-Arten von P. leucographella waren einheimische Arten, deren Wirte ähnliche ökologische Charakteristika hatten wie P. leucographella. Im Gegensatz dazu war der bedeutendste Parasitoid von P. platani eine spezialisierte Art, welche vermutlich mit ihrem Wirt zusammen eingeführt worden war. Polyphage einheimische Parasitoidenarten waren bei P. platani bedeutungslos.
Eine andere Gracillariidae, die Citrusmotte, Phyllocnistis citrella Stainton, gelangte vor kurzer Zeit aus Asien in Citrus-Plantagen der südöstlichen USA, in das Mediterrangebiet und nach Australien. Die Parasitierung durch einheimische Parasitoidenarten ist in Florida und Südeuropa, wo einheimische Phyllocnistis-Arten existieren, wesentlich höher als in Australien, wo nah verwandte Arten fehlen. In keiner der neu besiedelten Regionen ist der Parasitierungsgrad durch einheimische Parasitoiden ausreichend für eine akzeptable Populationskontrolle von P. citrella. Man sucht deshalb in Asien nach geeigneten Parasitoiden für die Einfuhr in die neuen Befallsgebiete (z.B. Neale et al., 1995; Argov & Rösler, 1996).
Protokoll für ein mögliches biologisches Kontrollprogramm für Cameraria ohridella
Die Planung und Durchführung von biologischen Kontrollprogrammen ist in verschiedenen Publikationen im Detail beschrieben worden (z.B. Pschorn-Walcher, 1977; Cock, 1986; van Driesche & Bellows, 1996). In Kürze, ein biologisches Kontrollprogramm gegen Cameraria ohridella sollte folgendermaßen durchgeführt werden:
Die Lokalisierung des Heimatgebiets von Cameraria ohridella ist die schwierigste Aufgabe innerhalb des Programmes. Deschka & Dimic (1986) beschrieben diese Art und vermuten, daß sie auf der Balkanhalbinsel heimisch ist. Gegen diese Annahme sprechen jedoch mehrere Gründe (Pschorn-Walcher, 1984). Erstens, Cameraria ist keine aus Europa bekannte Gattung, sondern eher eine amerikanische oder asiatische. Zweitens, obwohl die Lepidopterenfauna Europas, speziell auch der Balkanhalbinsel, sehr gut bekannt ist, wurde Cameraria ohridella bei einem Massenauftreten in den 80er Jahren in Mazedonien erstmals gefunden und beschrieben. Drittens, Deschka & Dimic (1986) fanden im Befallsgebiet keine Parasitoiden, was für Blattminierer außergewöhnlich ist. Obwohl unterdessen einige polyphage Parasitoiden in Mitteleuropa gefunden worden sind (Lethmayer & Grabenweger; Stolz, in diesem Band), spricht das völlige Fehlen monophager und oligophager Parasitoiden dafür, daß es sich bei Cameraria ohridella nicht um eine einheimische europäische Art handelt. Da sich die Beobachtungen von Deschka und Dimic auf Plantagen nahe dem Ohrid See in Mazedonien beschränkten, sollten zuerst natürlich vorkommende A. hippocastanum in Bulgarien, Albanien und Griechenland nach einem Vorkommen von Cameraria ohridella untersucht werden.
Sollten in den genannten Ländern keine spezifischen Parasitoiden gefunden werden, müssen andere Gebiete untersucht werden, in denen Aesculus spp. und Cameraria spp. bekannt sind. Acht der weltweit bekannten Aesculus-Arten stammen aus Nordamerika, eine Art aus Japan, fünf aus China und zwei aus Zentralasien (Pozhidaev, 1995). Aus all diesen Ländern und Gebieten sind Cameraria-Arten bekannt, aber nur eine Art lebt auf Aesculus spp., Cameraria aesculisella Chambers, in Nordamerika. Obwohl diese Art sich eindeutig von Cameraria ohridella unterscheidet, könnten ihre Parasitoiden oder auch jene anderer auf Aesculus spp. lebende Cameraria spp. für die Einfuhr nach Europa berücksichtigt werden.
Zusammenfassung
Die klassische biologische Kontrolle der Kastanienmotte ist eine aussichtsreiche Kontrollstrategie. Während alle bekannten Blattminierer von artenreichen Parasitoidenkomplexen parasitiert werden, wurden aus Cameraria ohridella nur einige wenige Exemplare polyphager Parasitoide gezüchtet. Es ist deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten, daß die Einfuhr und Ansiedlung oligophager Parasitoide aus anderen Gebieten, die durch Cameraria ohridella in Mitteleuropa verursachten Schäden wesentlich vermindern würde. Der kritische Punkt des Programms ist die Lokalisierung des Heimatgebiets von Cameraria ohridella. Wenn das nicht möglich sein sollte, könnten auch Parasitoide von anderen auf Aesculus lebenden Cameraria spp., wie z.B. von Cameraria aesculisella, berücksichtigt werden. Die Suche nach dem Heimatgebiet von Cameraria ohridella, die Suche und das Studium ihrer Parasitoide (oder jene von anderen Cameraria spp.), sowie die Auswahl geeigneter Arten für eine spätere Freilassung, sollte von Mitarbeitern einer auf biologische Kontrolle spezialisierten Institution, wie z.B. dem International Institute of Biological Control (IIBC) durchgeführt werden. Das IIBC ist Teil einer zwischenstaatlichen, gemeinnützigen Organisation (CABI) und bearbeitet gegenwärtig weltweit über 100 Projekte zur biologischen und integrierten Bekämpfung von Schädlingen und Unkräutern. Das IIBC hat Stationen und Kontakte in allen Kontinenten, und wäre bereit, sich an einem Programm zur biologischen Bekämpfung von Cameraria ohridella zu beteiligen.
Danksagung
Ich möchte Herrn Dr. Christian Tomiczek für die Einladung zu diesem Workshop, Herrn Dr. Dieter Schroeder für die Übersetzung des Textes und Herrn Dr. Don Davis für seine Informationen zur Taxonomie der Gattung Cameraria danken.
M. Kenis
International
Institute of Biological Control
CH-2800 Delémont, Switzerland
Literatur
PfiA/1/12/97 | ![]() ![]() ![]() |