Forstschutz Aktuell
Forstliche Bundesversuchsanstalt
Nr.21/1997
Rosskastanienminiermotte

Erste Ergebnisse populationsgenetischer Untersuchungen von Cameraria ohridella


Abstract
[First results of isozymes analysis of Cameraria ohridella (D&D).]
Samples of 6 populations of Cameraria ohridella from different locations in Upper-, Lower Austria and Vienna (Austria) were collected and examinated by isozyme-electrophoresis using a discontinous PAGE-system. The first results indicate that only 3 of 12 isozymes (esterase, amylase and malate-dehydrogenase) show polymorphism in allele frequencies. These results and the high genetic identity detected by cluster analysis seem to prove that there is only one motherpopulation responsible for the outbreak of Cameraria ohridella in Austria. Although there are signs of "inbrulling", no negative effects like epidemic occurrence of pathogens or lower rates of reproduction could be found so far.


Einleitung

Anlaß für die genetische Untersuchung von Cameraria ohridella - Populationen in Österreich waren einige Fragen, die vor allem durch Ausbreitungsgeschichte und Vermehrungspotential des Schädlings aufgeworfen wurden. Vom ersten Auftreten in Österreich (1989 im Raum Linz/Oberösterreich), breitete sich der Schädling binnen weniger Jahre, vor allem ostwärts, sehr schnell aus.

Eine der ersten Fragen war nun jene, ob sich die Verbreitung von Cameraria ohridella von einem "Ursprungsort" vollzogen hat oder ob mehr oder weniger gleichzeitig an mehreren Orten Österreichs der Schädling importiert wurde und so sein jetziges Verbreitungsgebiet erobert hat. Weiters war von Interesse zu wissen, ob sich die genetische Struktur der einzelnen Populationen aufgrund des rasanten Vermehrungspotentials (bis zu 4 Generationen pro Jahr) schon nach so kurzer Zeit des Auftretens der Motte in Österreich verändert und wie diese potentiellen Veränderungen im Vergleich zu einer möglichen einzigen Ausgangspopulation ausfällt. In diesem Zusammenhang ist auch der allgemeine Zustand der österreichischen Kastanienminiermottenpopulationen in Bezug auf die genetische Vielfalt zu beachten.

Material und Methode

Im Herbst 1996 wurden an verschiedenen Orten entlang des Donautales (= Hauptverbreitungsrichtung) Laubproben gewonnen, die Mottenbefall zeigten. Es wurde dabei darauf geachtet, von möglichst vielen Bäumen Laub zu bekommen. Je nach Ort und Beprobungszeitraum wurden die Proben direkt vom Baum oder dem Fallaub entnommen. Die Probenorte und ihre geographische Lage können der Abb. 1 entnommen werden. Mit Ausnahme von Hollenstein liegen sie alle in der Hauptwindrichtung, östlich von Linz, wo der erstmalige Nachweis gelang.
Als Untersuchungsmethode kam die Isoenzym-Elektrophorese zum Einsatz. Die Elektrophorese macht sich das Prinzip zu nutzen, daß sich in Lösung befindliche, elektrisch geladene Enzymproteine entsprechend ihre Größe und Ladung in einem Trägermedium, an das ein elektrisches Feld angelegt wird, eine bestimmte Strecke wandern. Mittels spezifischer Farbreaktionen werden die Proteine als mehr oder weniger scharf abgegrenzte Bandmuster sichtbar gemacht. Aufgrund der genetischen Variation kann ein Enzymsystem, das eine bestimmte Funktion erfüllt, ein unterschiedliches genetisches Muster aufweisen. Solche polymorphen Enzymsysteme werden dann ausgewertet und ermöglichen oft eine Unterscheidung von Arten oder auch Populationen einer Art. Als Trägermedium wurden bei diesen Untersuchungen Polyacrylamid-Gele verwendet. In der ersten Phase der Methodenanpassung wurden sowohl Larven als auch Puppen für die elektrophoretische Auftrennung verwendet. Da bei Larven oft keine bzw. nur schwache Farbreaktionen festgestellt werden konnten, kamen in der Folge nur noch Puppen von Cameraria ohridella zur Untersuchung.
Nach einigen Probeläufen wurden die Puppen für die elektrophoretische Trennung wie folgt aufgearbeitet: Eine Puppe wurde in 100 µl Probenpuffer in einem Zentrifugenröhrchen homogenisiert und bei 12.000 U/min in einer Mikrozentrifuge zentrifugiert. Die Proben wurden anschließend bis zu ihrer Weiterverarbeitung bei -20°C tiefgekühlt gelagert.

Ergebnisse und Diskussion

Von den 12 untersuchten Enzymsystemen (siehe Tab. 1) war bisher bei 2 kein Färbeerfolg gegeben, 7 waren bei teilweise gutem Bandmuster monomorph und nur 3 (Esterasen, Amylase und Malat-Dehydrogenase) wiesen einen Polymorphismus in ihren Allelfrequenzen auf. Für die Enzymsysteme Esterasen (EST) und Amylase (AMY) liegen bereits Auswertungen aus Allelfrequenzuntersuchungen und Clusteranalyse vor.

Enzymsystem Färbung Polymorph Ergebnis
Esterase
Amylase
Malat-Dehydrogenase  
Asparat-Aminotransferase    
Saure Phosphatase    
Alkalische Phosphatase    
Malic-Enzym    
Leucin-Aminopeptidase    
Peroxidase    
Isocitrat-Dehydrogenase      
Alkohol-Dehydrogenase      
Oktanoldehydrogenase      

Esterasen: Bei EST war bisher nur der 2. Locus (=Genort) - insgesamt dürften es 4 Loci sein - auswertbar. Es wurden dabei insgesamt 4 Allele festgestellt, von denen die Allele 2 und 3 in allen Populationen vorhanden waren - wenngleich mit unterschiedlichen Häufigkeiten - und die anderen beiden Allele äußerst selten und nur bei drei Herkünften (Wien-Neulaa, Zwentendorf und Hollenstein) auftraten. Bemerkenswert ist hier auch der hohe Anteil an homozygoten (reinerbigen) Individuen. Die anhand der gewonnenen Allelfrequenzen durchgeführte Clusteranalyse zeigte eine sehr enge Verwandtschaft zwischen den einzelnen Herkünften (Abb. 2). Zwischen den Herkünften Steyr, Hollenstein und Herzogenburg beträgt die genetische Identität 0,9935 (1,0 = völlig identisch). Auch die 3 anderen Herkünfte bilden auf einem hohen Identitätsniveau einen Cluster (0,9764). Zu einer Vereinigung dieser beiden Cluster kommt es auf dem noch immer sehr hohen Verwandtschaftsgrad von 0,94.

Amylase: Da die Herkunft Wien-Hietzing zum Zeitpunkt der Untersuchungen noch nicht zur Verfügung stand, beziehen sich die Ergebnisse hier nur auf fünf Herkünfte. Im Gegensatz zu EST lagen nach der ersten Auswertung von AMY 21 Allele am einzigen Locus vor. Durch die Wiederholung von Elektrophoreseläufen zeigte sich, daß tatsächlich doch nur 9 Allele vorhanden waren.
Die Allele 3-6 traten am häufigsten und in allen Herkünften auf. Besonders langsame Allele (kurze Laufstrecke) waren nur bei den Herkünften Hollenstein und Herzogenburg festzustellen. Das Dendrogramm für AMY zeigt größere Distanzen auf, die um so größer zu werden scheinen, je weiter die Herkunft vom Raum Linz weg ist (Abb. 3). Lediglich Hollenstein weicht davon ab. Da diese Herkunft aber nicht in der Hauptwindrichtung liegt, könnten für sie andere Verbreitungsparameter gelten.
Die Identitätsgrade sind generell geringer als bei EST, was schon alleine in der größeren Anzahl von Allelen begründet sein kann. Die vier, entlang der Ost-West-Achse gelegenen Herkünfte weisen eine gemeinsame genetische Identität von ca. 0,8 auf, Hollenstein gesellt sich erst bei 0,683 zu den anderen Herkünften. Auch bei diesem Enzymsystem konnte ein bemerkenswert hoher Anteil an homozygoten Tieren festgestellt werden.

Abb.2 Clusteranalyse Abb.3 Clusteranalyse

Betrachtet man nun die bisher vorliegenden Ergebnisse, so kann man mit der gebotenen Vorsicht sagen, daß sich die einzelnen Herkünfte hinsichtlich ihrer genetischen Zusammensetzung nicht unterscheiden. Einzige Ausnahmen bilden die Ergebnisse von AMY für Hollenstein, die - wenngleich die Unterschiede nur bei einem Enzymsystem feststellbar sind - möglicherweise auf eine selektivere Ausbreitung als in der Hauptwindrichtung zurückzuführen ist.
Trotzdem ist anzunehmen, daß die elektrophoretisch untersuchten Mottenpopulationen von einer einzigen "Ausgangspopulation" stammen, wobei diese aufgrund der auffallend geringen Allelzahlen (vor allem bei EST) und dem damit verbundenen hohen Anteil an homozygoten Individuen aus relativ wenigen Motten bestanden haben muß.

Obwohl deutliche Anzeichen für Inzucht vorliegen, sind bis jetzt, nach fast 6-jähriger Massenvermehrung, noch keine Anzeichen für die typischen, durch Inzucht induzierten negativen Veränderungen - vor allem Gesundheit und Vitalität betreffend - der Populationen, wie eine erhöhte Sterblichkeit durch Pathogene oder verminderte Reproduktion, feststellbar. Das kann einerseits in der für Pathogene ungünstigen, isolierten Lebensweise begründet sein, andererseits kann die vorgefundene Variabilität durchaus normal sein, da über die Populationsstrukturen in der vermuteten Heimat dieser Motte, Mazedonien und in den anderen neuen europäischen Verbreitungsgebieten (Italien, Deutschland) noch nichts bekannt ist. Der Vergleich mit Daten aus Österreich und den anderen Gebieten soll Klarheit über die Populationsstrukturen von Cameraria ohridella bringen und ist der Schwerpunkt der weiteren Arbeiten.

B. Perny
I
nstitut für Forstschutz
Forstliche Bundesversuchsanstalt, Wien


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