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Phytopatologie


Phytophtera - Auftreten
Phytophthora – Erlensterben – aktuelle Situation in Österreich

T.L. Cech


1997 berichteten wir in "Forstschutz Aktuell” über das Phytophthora-Erlensterben und dessen Verbreitung in Österreich (Cech 1997). Aufgrund der europaweit zunehmenden Bedeutung erforscht seit 1998 ein internationales Team diese Krankheit auf EU-Ebene (Concerted Action), wobei auch das Institut für Forstschutz der FBVA beteiligt ist. Im Folgenden wollen wir einige neue Erkenntnisse präsentieren und über die momentane Verbreitung in Österreich berichten.

Neues zum Ursprung der Krankheit

Vor 1990 war das Phytophthora-Erlensterben weltweit völlig unbekannt. Nachdem die Symptome sehr charakteristisch sind (Cech 1997) ist die Annahme, daß sie in früherer Zeit schlichtweg übersehen worden sein könnten, nicht wahrscheinlich. Die früheste bislang bekannte Meldung einer Phytophthora "cambivora” an Erlen stammt aus den Niederlanden (1983), doch ist das Pilzisolat nicht erhalten geblieben. In die Achzigerjahre fällt auch das vermehrte Auftreten von Krankheitsfällen von Schwarzerlen im niederösterreichischen Waldviertel. Wie bereits erwähnt (Cech 1997) wurden damals an einigen Flüssen genau jene Symptome registriert, die in England nach 1990 mit Phytophthora in kausalen Zusammenhang gebracht werden konnten. Die Krankheit verschwand im Waldviertel während der folgenden Jahre zwar nicht, erreichte aber auch nicht bestandesbedrohende Ausmaße. Nach dem erneuten Aufflackern der Krankheit 1998 an denselben Gewässern konnte die Pilzart schließlich erfolgreich isoliert werden, womit nahezu Gewißheit erreicht ist, daß Phytophthora-Erlensterben Mitte der Achzigerjahre im Waldviertel bereits aufgetreten war. In den anderen europäischen Ländern häufen sich Berichte über die Krankheit erst seit den Neunzigerjahren. Außereuropäische Vorkommen sind derzeit nicht bekannt.

Die Annahme einer rezenten Entstehung der Erlen-Phytophthora wird auch durch neueste Erkenntnisse der molekularbiologischen Verwandtschaftsforschung maßgeblich unterstützt (Brasier et al. 1999). Die Art zeigt Hybridisierungsmerkmale von Phytophthora cambivora, einer weit verbreiteten, wirtsvagen, an Holzgewächsen pathogenen Art und Phytophthora fragariae, die ebenfalls an verschiedenen Wirten vorkommt. Auf das geringe Alter der Art deutet die hohe Variabilität mehrerer genetischer Merkmale hin (Brasier et al. 1999). Warum zwei unspezifische Krankheitserreger, von denen keiner auf Erlen vorkommt (was auch experimentell nachgewiesen wurde) zu einem hochspezifischen hybridisieren, der ausschließlich an Erlen pathogen ist (ebenfalls durch Versuche bestätigt), ist noch ungeklärt. Schwer vorstellbar ist eine +- gleichzeitige spontane Entstehung der Hybridform in verschiedenen Ländern. Es ist eher zu vermuten, daß die Pilzart an einem Ort entstanden ist und über Pflanzenmaterial bzw. Wasserläufe weiter verbreitet wurde. Wo dieser Ursprung liegt, wissen wir noch nicht.


Verbreitung in Österreich

Die tatsächliche Verbreitung der Phytophthora-Krankheit der Erle in Österreich war aus zwei Gründen bisher nicht genau zu erfassen. Zum einen ist ein Monitoring auf der Basis eines Ordinaten-Netzes aus finanziellen Gründen kaum realisierbar, zum anderen sind die Berichte über Erlensterben nachwievor rar, was eher das geringe Interesse an dieser wirtschaftlich wenig bedeutenden Baumart reflektiert als einen Beweis für die Seltenheit der Krankheit darstellt. Es ist zu vermuten, daß die Krankheit auch in Österreich recht häufig ist, wenngleich die Befallsintensität meist gering sein dürfte (<10%) . Bis etwa 1996 war sie nur in Großbritannien weit verbreitet und ein wirklich ernstes Problem, in allen anderen Ländern war sie nur lokal vorhanden (Cech 1997, Gibbs et al. 1999). Mittlerweile findet sie sich in nahezu ganz Frankreich und Deutschland. Vor allem das zahlreiche Vorkommen in Bayern verstärkt den Verdacht, daß im angrenzenden Innviertel wesentlich mehr Erlenzeilen entlang der Gewässer erkrankt sind, als bisher bekannt war und auch im Waldviertel und im Mühlviertel ist dies denkbar. Eher unwahrscheinlich ist nach dem derzeitigen Erfahrungsstand ein Auftreten des Erlensterbens entlang der Flüsse im Gebirge, denn bislang stammen alle Nachweise aus außeralpinen Gebieten.


Dauerbeobachtungsflächen

Das Institut für Forstschutz geht seit 1996 allen Meldungen nach, die Erlenprobleme betreffen. An allen Standorten, wo aufgrund der charakteristischen Symptome Verdacht auf Phytophthora-Krankheit vorliegt, werden Isolierungsversuche zum Nachweis des Pilzes durchgeführt. An Standorten mit ausreichend vielen Bäumen, (mehr als 50), werden Dauerbeobachtungsflächen eingerichtet. 1997 waren es 3 Standorte in Oberösterreich, 1998 folgte eine weitere Fläche im Waldviertel (Niederösterreich), nachdem auch dort die Isolierung der pathogenen Pilzart von Erfolg gekrönt war. Ebenfalls 1998 wurde die Erlen-Phytophthora in absterbenden Grauerlen in den niederösterreichischen Donauauen entdeckt und in der Folge 1999 eine weitere Beobachtungsfläche nach den durch die Arbeitsgruppe festgelegten Kriterien angelegt, so daß gegenwärtig insgesamt fünf Flächen mit gesichertem Phytophthora-Erlensterben vorhanden sind (Abb.1).

Es handelt sich durchwegs um entlang von Bächen oder Flüssen Erlenzeilen bzw. – bestände unterschiedlichen Alters. An jeder Beobachtungsfläche wurden 50 lebende Bäume (gesunde wie kranke) markiert, bei denen jährlich einmal genaue Symptomkartierungen durchgeführt werden. Aufgrund der Tatsache, daß jeder Baum individuell erfaßt ist, kann die Krankheitsentwicklung präzise verfolgt werden.

Krankheitsverlauf Die drei seit 1997 taxierten Probeflächen zeigten im ersten Jahr durchwegs eine Stagnation bzw. sogar einen geringfügigen Rückgang der Krankheit: einige 1997 erkrankte Erlen wiesen 1998 keine Symptome mehr auf. Im nächsten Jahr erfolgte dann offensichtlich ein neuer Krankheitsschub: in allen Monitoringflächen stieg die Anzahl erkrankter Erlen von Juni 1998 bis Juni 1999 deutlich an (Abb.2). In Bezug auf die Dauer des Krankheitsverlaufes zeigen die Erlen eine ziemlich starke Variation, die nicht unbedingt mit dem Alter der Bäume korreliert. So können selbst junge Bäume mehrere Jahre lang erkranken, ohne abzusterben, wie an 10 Bäumen, die in einer der oberösterreichischen Probeflächen schon 1996 markiert wurden, ersichtlich ist (Abb.3).

Außerdem sind an vielen Bäumen alte Kallusbildungen im Bereich der Stammbasis zu erkennen, von denen ein Teil als erfolgreiche Abwehrversuche gegen früher erfolgte Infektionen und nicht als Reaktion auf mechanische Verletzungen zu verstehen sein dürfte. Andererseits wurden einige Fälle registriert, wo die Bäume innerhalb eines Jahres nach dem Erscheinen der ersten Kronensymptome abstarben. Die Erlen reagieren somit unterschiedlich auf die Infektion, zum anderen ist eine Abhängigkeit des Krankheitsverlaufes von klimatischen Faktoren wahrscheinlich, wie die Unterschiede in der Befallsintensität zwischen 1997/98 und 1998/99 zeigten. Weitere Faktoren biotischer Natur spielen vermutlich auch eine nicht unbedeutende Rolle: so sind an manchen Standorten Minierungen der Stammbasis durch den Weidenbohrer (Cossus cossus) recht häufig, wobei der Erlenwürger (Cryptorhynchus lapathi) bislang nicht festgestellt wurde.


Voraussetzungen noch ungeklärt

Wenn auch die Erlen-Phytophthora als wahrscheinlich rezent entstandener Hybrid hohe Pathogenität besitzt, - Infektionsversuche sind meist zu 100% erfolgreich - ist doch zu erwarten, daß besondere Voraussetzungen für den Ausbruch der Krankheit notwendig sind, andernfalls die Erle längst ähnlich bedroht wäre wie die Ulme durch die Welke oder die Edelkastanie durch den Rindenkrebs. Denkbar sind klimatische Streßfaktoren, Ernährungsinbalanzen, die Chemie der Wasserläufe sowie mechanische Verletzungen.

Untersuchungen in England haben gezeigt, daß die Erlen-Phytophthora im stammnahen Wurzelsystem wahrscheinlich begrenzte Infektionsherde bilden kann, die sich unter noch ungeklärten Voraussetzungen in die Rindengewebe des Stammes ausbreiten. Wie lange derartige Herde latent bleiben können ist ebensowenig bekannt, wie die Häufigkeit solcher Wurzelinfektionen. Am Institut für Forstschutz wird derzeit experimentell der Frage nachgegangen, inwieweit lang andauernde Bodentrockenheit oder ein stark wechselnder Bodenwassergehalt der Infektionsausbreitung förderlich sein kann.


Andere Schadensauftreten an Erlen

Neben dem nun schon Jahre dauernden großflächigen Grauerlensterben in den Donauauen oberhalb von Wien (siehe Publikation "Tragen Wildschweine zum Grauerlensterben bei?” in dieser Nummer), waren 1998 nur lokale Probleme zu verzeichnen. An mehreren Standorten in der Steiermark sowie in Niederösterreich traten im Frühsommer plötzlich Teerflecken am Stamm jüngerer Schwarzerlen auf, später waren dann mehrere Meter lange streifenförmige Rindenverfärbungen zu erkennen, die einheitlich an der Südseite der Bäume entstanden waren und nicht von der Stammbasis ausgingen. Unter diesen Streifen waren Rinde und Holz bis zum Zentrum abgestorben, wobei die Zone gegen das lebende Gewebe scharf abgesetzt war. Innerhalb der Rindennekrosen fanden sich herdenweise Fruktifikationen der Mikropilze Ophiovalsa suffusa und Valsa oxystoma. Wenn diese Rindenschäden fast stammumfassend waren, kam es zum Zurücksterben der Erlenkronen bzw. selten zu einem +- simultanen Kronensterben. In anderen Fällen heilte der Befall völlig aus, 1999 waren die Bäume symptomfrei.

Beobachtungen der Waldbesitzer zufolge trat im April 1998 ein plötzlicher Frost auf während die Erlen gerade im Austriebsstadium waren. Die Schwarzerle stand infolge der außergewöhnlich milden Januartemperaturen bereits Anfang Februar im Saft, der Austrieb war Mitte April bereits erfolgt. Die Schäden traten bevorzugt an Orten stark wechselnder Wasserversorgung auf (vor allem bei hoher Winterfeuchtigkeit - Verwöhnungseffekt! - und starker Sommertrockenheit). An Standorten, an denen die Erlen insgesamt eher suboptimal wasserversorgt sind hat sich der Frosteinbruch weniger stark manifestiert.

Die auftretenden Mikropilze (Valsa oxystoma und Ophiovalsa suffusa) sind als Folgeschädlinge anzusehen, spezifisch Valsa wird immer wieder in der Literatur als Frostfolger beschrieben. Isolierungsversuche ergaben keinen Nachweis der pathogenen Phytophthora-Art.


Literatur:
Cech, Th.L. 1997: Phytophthora – Krankheit der Erle in Österreich. Forstschutz Aktuell 19/20, pp.14-16
Brasier, C.M.; Cooke, D.E.L.; Duncan, J.M. 1999: Origin of a new Phytophthora pathogen through interspecific hybridisation. Proc.Natl. Acad.Sci.USA 96, pp.5878-5883.
Gibbs, J.N.; Lipscombe, M.A.; Peace, A.J. 1999: the impact of Phytophthora disease on riparian populations of common alder (Alnus glutinosa) in southern Britain.

Weiterführende Literatur kann beim Autor angefordert werden. Das Institut für Forstschutz bittet um Meldungen von Problemfällen mit Erlen.


Der Beitrag wurde auch veröffentlich in :Forstschutz Aktuell Nr. 23


Kontaktpersonen:Dr.Th.L.Cech, Ing.M.Brandstetter: Tel. 01-87838-1147/1148.

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CecT/FeiH, 1998-10-14