Forstliche Bundesversuchsanstalt - Index

Die Biotopholzausstattung des österreichischen Waldes
Hamid Mylany
Elmar Hauk

Der Wald ist nicht nur Holzproduktionsstätte sondern stellt auch Wohnraum und Infrastruktur für eine Unzahl verschiedener Lebewesen zur Verfügung. Die Lebensräume in diesem Ökosystem sind vielfältig und reichen vom Boden bis in die höchsten Baumkronen. Seit die Erhaltung der Artenvielfalt zu einem wichtigen Anliegen geworden ist, kommt dem toten, im Wald verbleibenden Holz hohe biologische Bedeutung zu.

Die Biotopholzausstattung wurde bisher nur kleinräumig erforscht. In der Periode 1992/96 führte man im Rahmen der Österreichischen Waldinventur eine Biotopholzerhebung durch. So kann erstmals Auskunft über das Volumen und den Zustand des stehenden und liegenden Biotopholzes für die gesamte österreichische Waldfläche gegeben werden.

 

Was ist Biotopholz ?

Als Biotopholz wird jenes Holz bezeichnet, das nach dem Absterben ganzer Bäume oder einzelner Baumteile im Wald stehen oder liegen bleibt. Das Absterben kann biotische oder abiotische Ursachen haben. Als stehendes Biotopholz bezeichnet man die Dürrlinge. Liegendes Totholz setzt sich aus umgefallenen Bäumen, Astmaterial, Reisighaufen und Stöcken zusammen. Auch im Wald "vergessenes" Holz, das offensichtlich nicht mehr abtransportiert wird, rechnet man dem Biotopholz zu.

In sensiblen Bereichen Garant für nachhaltige Waldentwicklung
Das Biotopholz leistet einen wichtigen Beitrag zur Humusbildung und zur Nährstoffanreicherung im Boden. Es beeinflußt Wasserhaushalt und Kleinklima und schafft außerdem wichtige Lebensräume. Auf Standorten, wo die Entwicklung der natürlichen Baumartenverjüngung durch Klima, Feuchtigkeit oder Erosion gehemmt wird, kann auf liegendem Biotopholz Kadaververjüngung erfolgen. Damit trägt eine ausreichende Biotopholzausstattung gerade auf sensiblen Problemstandorten zur Sicherung der Nachhaltigkeit bei.

Die Scheu vor dem Biotopholz – rechtliche Probleme
Obwohl nur im Absterben befindliches, aber nicht bereits totes Holz zur Brutstätte von Schädlingen werden kann, sind mit dem Belassen des Biotopholzes im Wald rechtliche Probleme hinsichtlich der Waldhygiene verbunden. Ferner stellt herabfallendes Biotopholz vor allem in der Nähe von Wander- oder Forstwegen eine Gefahrenquelle dar. Hier müßten im Sinne einer stärker ökologisch orientierten Betrachtungsweise befriedigende gesetzliche Lösungen gefunden werden.

Viele schwache Stämme
Im Durchschnitt stehen im österreichischen Wald nahezu 50 tote Bäume/ha (Tab. 1).

Stehendes Biotopholz

Stz/ha

46,8

4,6 % v. Ges.

V/ha

4,5

1,5 % v. Ges.

Liegendes Biotopholz

m³/ha

0,8

-

Das sind rund 5 % aller stehenden Stämme. Der Vorrat dieser abgestorbenen Stämme beträgt 4,5 Vfm/ha, bezogen auf den Gesamtvorrat: 1,5 %. Der unterschiedliche Anteil an der Gesamtstammzahl bzw. an der Masse bedeutet, daß eine große Anzahl der toten Stämme eher schwächere Dimensionen aufweist.
Von den ökologisch besonders wertvollen Stämmen mit starken Durchmessern findet man im Durchschnitt nur einen Stamm auf zehn Hektar.
Das liegende Biotopholz ab 20 cm Durchmesser besteht zu einem großen Teil aus den verbleibenden Stöcken. Die Gesamtmasse beträgt weniger als einen Kubikmeter pro Hektar.

Dürrlingsanteil gestiegen
Im Vergleich zu früheren Beobachtungsperioden hat sich der Dürrlingsanteil im Wald insgesamt um 10 % erhöht.
Zusätzlich wurde festgestellt, daß abgestorbene Bäume vermehrt natürlich zusammenbrechen. Dies weist offensichtlich auf einen Rückgang der Pflegemaßnahmen vor allem in unzugänglicheren Gebieten hin.

Deutlich regionale Unterschiede
Zwischen den einzelnen Bundesländern schwankt die Biotopholzausstattung beträchtlich. Das Burgenland hat zwar mit 3,7 Vfm/ha den geringsten Vorrat an stehendem Biotopholz, mit 65 Stämmen aber die höchste Stammzahl/ha.
Das Verhältnis ist etwa in Tirol gerade umgekehrt (Tab.2). Daraus erkennt man, daß das stehende Biotopholz in Tirol von stärkeren Stämmen gebildet wird als in den östlichen Bundesländern.
Die Masse des liegenden Biotopholzes ist je nach Bundesland unterschiedlich. Klima und Baumartenzusammensetzung haben offensichtlich einen großen Einfluß. In Vorarlberg befindet sich achtmal soviel Biotopholz am Waldboden wie im Burgenland. Möglicherweise trägt im Osten, vor allem im Ausschlagwald, die intensivere Brennholznutzung dazu bei, daß weniger Holz im Wald bleibt. Ein weiterer Grund für die Armut an liegendem Biotopholz im Flachland könnte auch die geringere Höhe verbleibender Stöcke sein. Im Gebirge werden zur Sicherung steiler Hänge die Bäume höher über dem Boden abgeschnitten.

 

Stehend

Liegend

 

Vfm/ha

Stz./ha

m³/ha

B

3,7

65,3

0,2

K

4,2

48,7

1,0

4,3

50,5

0,6

3,8

36,5

0,8

S

5,3

53,7

0,9

Stmk

4,8

46,5

0,8

T

5,3

38,2

1,0

V

6,0

44,3

1,7

Viel Biotopholz im Schutzwald und höheren Lagen
Der Schutzwald weist gegenüber dem Wirtschaftswald mehr als die doppelte Masse an stehendem Biotopholz auf (Tab.3).

 

Stehend

Liegend

 

Vfm/ha

Stz/ha

m³/ha

Hochwald- Wirtschaftswald

4,2

46,7

0,8

Schutzwald

8,6

45,8

1,7

Ausschlagwald

3,1

55,3

0,1

Hingegen ist bezüglich der Stammzahlen kaum ein Unterschied festzustellen. Die toten Stämme im Schutzwald sind also erwartungsgemäß im Durchschnitt dicker. Es bleibt auch doppelt soviel Biotopholz wie im Wirtschaftswald am Boden liegen.
Das meiste Biotopholz findet man in den hochmontanen bis tiefsubalpinen Höhenstufen zwischen 1200 und1500 m. Hier stehen mit 62 toten Stämmen/ha weit mehr Bäume als im Gesamtdurchschnitt. Auch am Boden liegt mit 1,5 m3/ha mehr Totholz. In höheren Lagen sinkt die Stammzahl, es verbleiben dickere tote Bäume im Wald (Abb.1).
Die Waldflächen der ÖBF verfügen mit 7,2 Vfm/ha bundesweit über den höchsten Vorrat an stehendem Biotopholz. Mehr tote, aber schwächere Stämme gibt es in Forstbetrieben unter 1000 ha Waldfläche. Der geringste Vorrat an stehendem Biotopholz wurde im Kleinwald mit 3,3 Vfm/ha festgestellt.

Tanne und Lärche –größter Dürrlingsanteil
Von allen Baumarten hat Tanne den höchsten Anteil von dürrem Holz bezogen auf ihren Gesamtvorrat (Tab.4).

Stehendes Biotopholz

 

% von
Ges.- Vorrat

% von
Ges.- Stz.

Tanne

3,0

6,7

Lärche

2,2

7,1

Kiefer

2,0

5,5

Eiche

1,8

4,4

Fichte

1,3

4,8

Buche

0,6

2,7

Diese Situation ist insofern auffällig, da Tanne meist besser erreichbare Lagen besiedelt und eine Entfernung der Dürrlinge im Zuge der Waldpflege leichter möglich wäre. Darüber hinaus findet man viele starke abgestorbene Tannen, eine Tatsache, die in Verbindung mit der mangelhaften Verjüngungssituation Anlaß zur Sorge gibt.
Die Lärche weist den höchsten Anteil an dürren Stämmen auf. Eine Erklärung dafür: ein großer Teil des Lärchenvorkommens befindet sich im Schutzwald, also außerhalb der gut erschlossenen Wirtschaftswälder. Hier ist offensichtlich eine Entfernung der Dürrlinge nicht so einfach.
Dagegen hat Buche sowohl den Vorrat als auch die Stammzahl betreffend den geringsten Totholzanteil.

Biotopholzausstattung in den natürlichen Waldgesellschaften
Die Biotopholzausstattung in der potentiell natürlichen Waldgesellschaft Fichte-Tanne-Buche entspricht ziemlich genau dem Durchschnitt des österreichischen Waldes (Tab.5).

 

Stehend

Liegend

 

Vfm/ha

Stz/ha

m³/ha

Fi- Ta- Bu

4,8

49,1

1,0

Fichtenwald

6,7

53,7

1,2

Buchenwald

4,0

42,4

0,5

Vergleicht man die beiden anderen in Österreich dominierenden natürlichen Waldgesellschaften Fichten- und Buchenwald, findet man im Fichtenwaldgebiet wesentlich mehr Biotopholz. Dies läßt sich wieder aus der schlechteren Aufschließungssituation der natürlichen Fichtenwaldgebiete erklären.

 

Zuviel oder zuwenig?

Eine Beurteilung, ob im österreichischen Wald genügend Biotopholz vorhanden ist, um nachhaltigen Arten- und damit Biotopschutz zu gewährleisten, ist wegen der Komplexität des Themas und des Mangels an Vergleichswerten nur schwer zu beantworten. Biotopholzvorräte unter 5 Vfm/ha werden in der Literatur als biotopholzarm bezeichnet. Dazu ist anzumerken, daß auch die Qualität des Biotopholzes für seine Funktionserfüllung ausschlaggebend ist. Wichtig wäre jedenfalls eine interdisziplinäre Erforschung des Einflusses von Biotopholz auf das Ökosystem Wald und eine dauernde Kontrolle. Vergleichsflächen in Naturwaldreservaten und Nationalparks könnten langfristig Aufschluß über eine natürliche Biotopholzentwicklung geben.

Beilage zur Österreichischen Forstzeitung 12/1997


FieSy, 8/1/98 zurückInhaltvor