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Verjüngung ist die Zukunft
des Waldes
Heimo Schodterer
Klemens Schadauer
Nicht nur die Entwicklung der Waldfläche und des Vorrates sonder auch das Verhältnis von Zuwachs und Nutzung sind Maßzahlen für die Nachhaltigkeit der Waldwirtschaft, langfristig entscheidend sind außerdem Art und Zustand der Verjüngung. Mit der Verjüngung werden die Weichen für die nächste Bestandesgeneration gestellt. In der neuen Waldinventur hat man ab 1992 der Verjüngung besonderes Augenmerk geschenkt und im Gegensatz zu früher auch die Verjüngung unter Schirm in die Erhebungen miteinbezogen.
Aus dem Rückgang der Verkaufszahlen für
Forstpflanzen kann geschlossen werden, daß der Anteil der Naturverjüngung
im letzten Jahrzehnt laufend gestiegen ist. Die Waldinventur stellte daher
unter Beratung von Ao. Prof. Dr. F. REIMOSER, Wien, ihr System der Verjüngungsbeurteilung
gänzlich um und trug damit der steigenden Bedeutung der Naturverjüngung
Rechnung.
Für eine umfassende Aussage zur Verjüngungssituation mußte
ein einheitliches Erhebungssystem für alle Verjüngungsformen in
den verschiedenen Waldgesellschaften von den Tieflagen bis zur Waldgrenze
gefunden werden. Dabei stellte es sich als zielführend heraus, die
Randbereiche Ausschlagwald und Latschen- bzw. Grünerlengebüsch
von der Untersuchung auszuschließen, da die Verjüngungsökologie
dort mit einem einheitlichen Erhebungsschema nicht sinnvoll erfaßbar
ist.
Die Auswertung der Verjüngungsdaten umfaßt auch Bewertungsansätze.
Damit können Aussagen zur Verjüngung hinsichtlich Zielbaumarten,
ausreichender Stammzahl und waldbaulicher Bewertung des Verbißschadens
getroffen werden.
Genug Verjüngung vorhanden?
Zur
Beurteilung der Verjüngungssituation mußte zunächst ein
Kriterium für das "Vorhandensein von Verjüngung"
gefunden werden. Da nicht jede Einzelpflanze bereits als Verjüngung
gezählt werden konnte, wurde von vorhandener Verjüngung erst ab
einem bestimmten Schwellenwert gesprochen.
Ebenfalls wesentlich war die Beurteilung der Notwendigkeit von Verjüngung.
Dabei wurde angenommen, daß unter Schirm ein Naturverjüngungsverfahren
zur Anwendung kommt. Die Notwendigkeit orientierte sich im Wirtschaftswald
an einer unterstellten Umtriebszeit. Im Schutzwald war die zur
Aufrechterhaltung der Schutzwirkung erforderliche Dauerbestockung maßgebend.
Nur für den Fall, daß eine Verjüngung sowohl vorhanden
als auch notwendig war, wurde sie detailliert erhoben. Mehr als ein
Drittel der verjüngungsnotwendigen Waldfläche von rund 1,4 Mio.
ha weist bereits Verjüngung auf (Abb.1).
Davon sind zwei Drittel als beginnende, der Rest als ausreichende Verjüngung
eingestuft.
Zuwenig Verjüngung im Schutzwald
Die räumliche Verteilung der Flächen mit vorhandener Verjüngung
bzw. mit Verjüngungsbedarf ist in Abbildung
2gezeigt. Es sind auch jene Flächen
dargestellt, bei denen momentan kein Verjüngungsbedarf besteht. In
den Innenalpen überwiegen jene Flächen, auf denen notwendige
Verjüngung fehlt. Diese besitzen häufig Schutzwaldcharakter. Die
Erhebung ergab, daß zwei Drittel der Schutzwälder Verjüngung
benötigen. Tatsächlich wurde sie nur auf 20 % der verjüngungsnotwendigen
Fläche angetroffen. Die Verjüngungsdefizite im Schutzwald sind
daher offensichtlich.
Situation im Wirtschaftswald besser
Die Waldinventur geht bei der Beurteilung der Verjüngungsnotwendigkeit
von der Annahme aus, daß im Wirtschaftswald ausschließlich
Naturverjüngung eingesetzt wird, deren Entwicklungsprozeß ein
bis drei Jahrzehnte andauern kann. Erst am Ende dieser Zeitspanne ist eine
ausreichende Verjüngung erforderlich.
Weiters ist zu bedenken, daß die allerersten Verjüngungstendenzen,
etwa Keimlinge, von der Inventur nicht berücksichtigt werden können.
Daher kann nicht auf der gesamten Fläche mit Verjüngungsbedarf
bereits ausreichende Verjüngung gefordert werden.
So ist es erklärlich, daß im Wirtschaftswald nur auf 40 % der
verjüngungsnotwendigen Fläche eine solche auch angetroffen
wurde. Davon hatten wiederum weniger als die Hälfte eine ausreichende
Stammzahl.
Die Frage, wieviel tatsächlich beginnende oder ausreichende Verjüngung
im Wirtschaftswald vorhanden sein soll, ist nicht leicht zu beantworten,
da der Inventur konkrete betriebliche Ziele zum Verjüngungsverfahren
nicht zugänglich sind. Im Durchschnitt zeigt sich der Wirtschaftswald
hinsichtlich der vorkommenden Verjüngung relativ zufriedenstellend.
Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man Baumartenmischung, Höhenentwicklung
und Schäden an Jungpflanzen berücksichtigt. Fest steht, daß
im Wirtschaftswald die Diskrepanz zwischen Notwendigkeit und Vorhandensein
der Verjüngung deutlich geringer ist als im Schutzwald.
Was hemmt das Ankommen?
Zur Feststellung der Ursachen für fehlende Verjüngung wurden
Hemmfaktoren (Tab.1).
Hemmfaktoren | |
% |
|
Bodenvegetation |
50 |
Lichtmangel |
37 |
Verbiß |
25 |
Erosion |
17 |
Waldweide |
14 |
Humus |
12 |
Für das Fehlen der Verjüngung kommen oft
mehrere Faktoren zugleich in Frage. Auf der Hälfte der Flächen
verhindert die Konkurrenz durch Gräser, Kräuter oder Sträucher
die Naturverjüngung. Auf mehr als einem Drittel ist zu wenig Licht,
und auf etwa einem Viertel wurde der Verbiß als Ursache für die
fehlende Verjüngung angegeben.
Bei dieser Aufzählung ist zu beachten, daß die Konkurrenz der
Bodenvegetation oft erst sekundär die Verjüngung verhindert. In
einem frisch aufgelichteten Bestand wird die ankommende Verjüngung häufig
stärker durch Verbiß geschädigt als einige Arten der
Bodenvegetation. Zu hoher Wildverbiß verschiebt das natürliche
Gleichgewicht zwischen jungen Bäumen und der Konkurrenzvegetation.
Damit kann in vielen Fällen die Bodenflora so dicht werden, daß
sie weiteres Ankommen der Verjüngung unmöglich macht.
Ein nicht zu unterschätzender Faktor für das schlechte Ankommen
der Naturverjüngung in den höheren Lagen dürfte die relativ
geringe Ausstattung mit liegendem Totholz sein. Die natürliche
Kadaververjüngung stellt oftmals eine erfolgreiche Strategie gegen
lange Schneebedeckung, konkurrenzierende Bodenvegetation, Verbiß und
Erosion dar.
Auf mehr als 50 % der Fläche wird mit
Naturverjüngung gearbeitet
Naturverjüngungsverfahren nehmen viel mehr Zeit in Anspruch als künstliche
Verfahren. Aus der Tatsache, wie häufig die zwei Verjüngungsarten
zu einem bestimmten Zeitpunkt angetroffen werden, kann man nicht direkt
darauf schließen, wie oft beide Verfahren wirklich eingesetzt
werden.
Zusätzlich ist unbekannt, ob eine bereits unter Schirm vorhandene
Naturverjüngung nicht später durch eine Kultur ersetzt wird. Für
einen Vergleich der Häufigkeit der Anwendung der beiden Verjüngungsverfahren
kann daher nur die freistehende Verjüngung herangezogen werden. Hier
geht man davon aus, daß Naturverjüngung bei ausreichender
Stammzahl erwünscht ist und erhalten bleibt.
Bei der freistehenden Jugend mit ausreichender Verjüngung ist der
Anteil der Naturverjüngung etwas höher als der von Kulturen.
Angesichts des großen Naturverjüngungspotentials, das 87 % der
gesamten Verjüngungsfläche einnimmt, scheint eine Steigerung
dieses Wertes künftig möglich. Dies setzt jedoch gezielte Maßnahmen
zur Förderung der Weiterentwicklung der vorhandenen Verjüngungskerne
voraus.
Zahlreiche kleine Verjüngungsflächen
Ein Zeiger für naturnähere Waldwirtschaft ist auch die Flächengröße
der einzelnen Verjüngungen. Diese wurden für die freistehenden
Jugenden erhoben (Tab.2).
Verjüngungsfläche |
WiWa |
SiE |
% |
% |
|
- 500 m² |
26 |
15 |
- 1000 m² |
21 |
55 |
- 5000 m² |
27 |
15 |
> 5000 m² |
26 |
15 |
Gesamt |
100 |
100 |
Daraus wird erkennbar, wie kleinflächig im österreichischen Wald genutzt und verjüngt wird. Im Wirtschaftswald machen die Kategorien bis zu 0,1 ha rund die Hälfte aller Nutzungsflächen aus. Nur ein Viertel aller freistehenden Verjüngungsflächen sind größer als 0,5 ha.
Reiches Baumartenpotential
Wie häufig Mischbaumarten in der Verjüngung angetroffen
werden, zeigt Tabelle 3.
Baumart | ||
Fläche |
% |
|
Fichte |
382000 |
76 |
Tanne |
106000 |
21 |
Lärche |
82000 |
16 |
übr. Nadelholz |
44000 |
9 |
Buche |
209000 |
42 |
Esche |
143000 |
29 |
Ahorn |
190000 |
38 |
Eberesche |
152000 |
30 |
übr. Laubholz |
264000 |
53 |
Das teilweise gemeinsame Vorkommen der Baumarten
bedingt, daß die Summe ihrer Anteile 100 % übersteigt.
Neben der zu erwartenden Dominanz der Fichte ist das Vorkommen der Tanne
in 21 % der Verjüngungen bemerkenswert. Laut Auswertung nach Höhenklassen
kann sie diesen Prozentsatz leider nicht annähernd bis in die
Dickungsphase beibehalten.
Erfreulich hoch ist der Anteil an Laubhölzern. Sie sind an drei
Viertel aller Verjüngungen beteiligt. Die wichtigsten Baumarten sind
neben Buche der fast ebenso häufige Ahorn, Esche und Eberesche.
Teilweise fehlen natürliche Baumarten
Da die Inventur auf allen Probeflächen die potentiell natürliche
Waldgesellschaft angesprochen hat, können die in der Verjüngung
vorhandenen Baumarten mit den Hauptbaumarten dieser Gesellschaften
verglichen werden.
Zusätzlich wird über ein Bewertungsverfahren beurteilt, ob die
vorhandene Stammzahl der einzelnen Baumarten für ihren Fortbestand
ausreichend ist. In Tabelle 4 sind für Gruppen von natürlichen
Waldgesellschaften die prozentuellen Anteile angeführt, in denen die
Hauptbaumarten vorkommen bzw. deren Stammzahl für ausreichend
erachtet wurde. (Tab. 4)
Waldgesellschaften | |
% |
|
Nadelwald | |
Hauptbaumarten vorh. |
65 |
Hauptbaumarten ausr. |
23 |
Nadel- Laub- Mischwald | |
Hauptbaumarten vorh |
22 |
Hauptbaumarten ausr. |
13 |
Laubwald | |
Hauptbaumarten vorh |
67 |
Hauptbaumarten ausr. |
44 |
Bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist zu berücksichtigen,
daß im beginnenden Verjüngungsstadium noch nicht alle Baumarten
vorkommen müssen. Trotzdem ist auffällig, daß im natürlichen
Nadel-Laub-Mischwaldgebiet, das fast ausschließlich durch den
Fichten-Tannen-Buchenwald gebildet wird, nur auf 22 % Buche und Tanne
gemeinsam in der Verjüngung vorkommen. Nur etwa die Hälfte
dieser Flächen weist eine ausreichende Stammzahl der einzelnen
Baumarten auf.
Dieser Zustand ist zum Teil durch die fichtenfreundliche
Bewirtschaftungsform der schlagweisen Nutzung bedingt. Zum Teil sind aber
Mischbaumarten in den Althölzern noch vorhanden und fallen durch
Verbiß in der Jugend aus.
Verbiß nach Baumarten
Auf
85 % der Waldfläche mit Verjüngung ist Beeinflussung durch Verbiß
festgestellt worden. Diese verteilt sich jedoch sehr unterschiedlich auf
die Baumarten. In Abbildung 3 ist für die wichtigsten
Baumarten die Verbißbeeinflussung anhand der Häufigkeit des
Terminaltriebverbisses dargestellt.
Danach sind Tanne und Eberesche am stärksten vom Verbiß
betroffen. Auf fast der Hälfte der Flächen, wo sie vorkommen,
sind mehr als 90 % der Individuen verbissen. Auch Esche, Ahorn und Buche
sind auf einem Großteil ihrer Verbreitungsfläche durch Verbiß
stark beeinflußt. Anders aber Fichte: Sie ist nur auf 15 % ihrer
Verjüngungen zu mehr als 50 % terminaltriebverbissen.
Bedeutet jeder Verbiß schon Schaden?
Um aus der Beeinflussung durch Verbiß einen Schaden ableiten zu
können, ist eine Bewertung notwendig. Dies ist aber nur dort möglich,
wo die Stammzahl insgesamt ausreicht. Ob zu geringe Stammzahl oder das
Fehlen einer Baumart verbißbedingt ist, könnte nur durch
Kontrollzäune bestimmt werden.
Die Bewertung geht zunächst nicht von der Zahl der verbissenen
Pflanzen aus, sondern stellt fest, ob genug ungeschädigte Individuen übrig
sind.
Zusätzlich ist es notwendig, den Schaden an der Einzelpflanze zu
definieren. Zwei Varianten wurden berechnet:
Die Anteile der Verbißschadensfläche an der ausreichenden Verjüngung für die zwei Varianten sind in Tabelle 5 aufgelistet. (Tab.5).
Verjüngungsfläche |
Var.1 |
Var.2 |
% |
% |
|
geschädigt |
63 |
55 |
ungeschädigt |
37 |
45 |
Bei beiden Bewertungsvarianten beträgt der
Anteil der durch Verbiß geschädigten Flächen über 50
%. Bemerkenswert ist, daß die strengere Bewertungsvariante 2 den
Anteil der geschädigten Flächen nur unwesentlich erhöht.
Die Pflanzen werden also oft mehrjährig verbissen.
Überraschenderweise ist der Anteil an Schadflächen in den
Naturverjüngungen größer als in den Kulturen. Die
Naturverjüngung hat also keineswegs immer so große Stammzahlen,
daß ihr der Verbiß keinen Schaden zufügen könnte.
Aus einem Vergleich der Waldgesellschaften ergibt sich, daß im
Fichten-Tannen-Buchenwald schon nach Variante 1 über 75% der Flächen
geschädigt sind.
Problemschwerpunkte
der Verjüngungssituation im österreichischen Wald sind
Schutzwald und Bergmischwald. Im Schutzwald ist auffallend, daß
nicht genügend Verjüngung vorhanden ist, um die
Schutzwirksamkeit zu erhalten. Im Bergmischwald ist der Ausfall von Tanne
und Buche in der Verjüngung das Hauptproblem. Ein deutlicher Trend
zur Naturverjüngung ist erkennbar. Ohne Verringerung der Verbißbelastung
ist aber eine naturnahe Mischverjüngung nicht erreichbar.
Beilage zur Österreichischen Forstzeitung 12/1997
FieSy, 8/1/98 | ![]() ![]() |