Forstschutz Aktuell Nr. 22

Inhalt


Herbizide in Christbaumkulturen
F. Gruber und J. Brandl

Im Sommer 1995 traten Besitzer von Christbaumkulturen mit der Bitte um Klärung von Schadbildern an das Institut für Forstschutz heran. Die betroffenen Flächen liegen in NÖ bei Maria Taferl. Die Flächen sind jeweils etwa 4 ha groß. Die Böden weisen einen durchschnittlichen PH-Wert von 5, 5-6 auf. Gegenwärtig stockt eine Nordmannstannen-Christbaumkultur im zweiten Umtrieb nach einer Blaufichtenpflanzung. In den ersten Jahren nach der Pflanzung (1988-1991) wurde Velpar, 1993 Roundup, ausgebracht. Das Schadbild äußert sich in Wachstumsstörungen und Triebanomalien, in zahlreichen “steckengebliebenen” Terminalknospen sowie in auffallender Kurznadeligkeit der letztjährigen Triebe (Abb. 1). Zirka 70% der in der Kultur stockenden Nordmannstannen waren unabhängig vom Alter in unregelmäßiger Verteilung betroffen. Der wirtschaftliche Schaden durch Qualitätsminderung der zum Teil erntereifen Christbäume war entsprechend hoch. Die beobachteten Vitalitätsbeeinträchtigungen konnten anfangs nicht ausreichend erklärt werden. Die phytopathologische Untersuchung der geschädigten Terminalknospen ergab hinsichtlich Pilzbefalls nur Sekundärschädlinge (Phomopsis sp., Cytospora sp., Nectria cinnabarina, Lythiostroma pinastri).

Am 29.7. und 18.9.1996 wurden versuchsweise jeweils 300 Bäume mit Fungiziden, Amistar 0,3%ig und Decarol 0,3%ig, behandelt. Die Kontrollen zeigten jedoch keine Unterschiede zu den Bäumen der unbehandelten Vergleichsfläche.

Ab dem Frühjahr 1997 erholte sich ein großer Teil der Bäume wieder. Neben den kurzen und zum Teil abgestorbenen Trieben wurden kräftige Terminal- und auch Seitentriebe geschoben (Abb. 2). Es werden allerdings aufwendige Formschnittarbeiten notwendig sein, um aus einem Teil der geschädigten Pflanzen doch noch verkaufsfähige Christbäume zu erhalten. Die oben erwähnten Vitalitätsbeeinträchtigungen treten in letzter Zeit in Christbaumkulturen häufiger auf.

Matschke et al. (1995; 1997) hat mit zahlreichen physiologischen Untersuchungen an Meristemen, Assimilationsorganen und Wurzeln von Blaufichten (Picea pungens glauca) und Nordmannstannen (Abies nordmanniana) nachgewiesen, daß herbizidbelastete Gehölze in ihrer Atmungsaktivität deutlich gestört werden können. Durch die zusätzliche Verschiebung der Phytohormonverhältnisse zueinander wird der Stoffwechsel der Pflanzen beeinträchtigt. Die Ausprägung der Organe wird auf verschiedenen Ebenen frühzeitig gestört, was bei empfindlichen Baumarten und Herkünften bzw. mit zunehmender Belastung der Gehölze zu Defekten und zum Absterben der Terminal-Meristeme führen kann. Mikroskopisch wurden kollabierte Meristeme von Trieben und Wurzeln sowie diverse Anomalien beobachtet. Bemerkenswert ist, daß nicht nur herbizide Wirkstoffe belastend auf den Stoffwechsel der Pflanzen wirken, sondern auch fungizide und insektizide Wirkstoffe – die Beeinträchtigungen auslösen können, wenn sie auf die Vegetationspunkte von Sprossen oder Wurzeln gelangen.

Als Schlußfolgerungen der Untersuchungen von Matschke et al. (1995; 1997) und eigenen Beobachtungen muß vor der Anlage von Christbaumkulturen auf herbizidbelasteten Böden gewarnt werden. Ebenso abgeraten wird von Herbizidausbringungen, bei denen die Christbäume (schon ab Sämlingsalter) von der Spritzbrühe getroffen werden. Eine “über Kopf-Ausbringung” muß als riskant betrachtet werden; zusätzlich wird darauf hingewiesen, daß die Pflanzen in der Lage sind, schädigende Stoffe speziell nach Verletzungen, auch über die Rinde aufzunehmen.

Literatur

Matschke, J. & Amenda, R., 1995: Absterben von Wurzelspitzen bei Gehölzen durch herbizide Wirkstoffe. Vitalitätseinbußen und Qualitätsverluste. Allgemeine Forstzeitschrift, München, 50, Nr. 20: 1100-1104.

Matschke, J., Machackova, I. & Amenda, R., 1997: Hormonveränderungen in belasteten Weihnachtsbaum-Kulturen. Indiz für Qualitätsminderungen. Allgemeine Forstzeitschrift, München, 52, Nr. 1: 21-24.


1998-07-21  Rückfragen: johann.brandl@fbva.bmlf.gv.at
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