Forstliche Bundesversuchsanstalt - Index

Waldfläche wächst weiter - Tendenz zu mehr Laubholz
Wolfgang Russ

Österreich ist einer der waldreichsten Staaten Europas. Die Waldausstattung ist mit 47 Prozent der Staatsfläche um fast zwei Drittel höher als im europäischen Durchschnitt. Nach der aktuellen Auswertung der Österreichischen Waldinventur 1992/96 wächst die Waldfläche weiter und beträgt nun 3,924 Mio. ha.

Seit 1961 kann eine ständige Flächenzunahme des österreichischen Waldes beobachtet werden. Im Vergleich zur ersten Inventurperiode 1961/70 hat die Waldfläche um mehr als 233.000 ha zugenommen (Abb. 1) . Dies entspricht fast der Fläche Vorarlbergs. Seit 1991 ist die Waldfläche im gesamten Bundesgebiet um knapp 46.000 ha oder fast 7700 ha/Jahr angewachsen, das entspricht in ihrem Ausmaß etwa der Bundeshauptstadt Wien.

Ausdehnung und räumliche Verteilung der Waldfläche ist ständigen Veränderungen unterworfen. Neben kontrollierten Eingriffen wie Aufforstungen oder Rodungen beeinflussen natürliche Abläufe die Waldflächenentwicklung. Vor allem stetiges Zuwachsen von Ödland, nicht mehr bewirtschaftete Almen und Brachland oder Naturkatastrophen sind entscheidende Faktoren. Bei näherer Betrachtung zeigt sich daher ein sehr differenziertes Bild für Österreich.
Die laufende Flächenveränderung ist ein komplexer, dynamischer Prozeß. Die Summe der Randlinieneffekte entlang der Wald-Nichtwaldgrenze bewirkt selbst bei geringfügiger Verschiebung der Grenzlinie zwischen Wald- und Nichtwaldflächen eine starke Dynamik und Flächenwanderung. Ein Flächenzugang von insgesamt 88.000 ha steht einem Flächenabgang von 42.000 ha gegenüber. Dies ergibt eine bilanzierte Flächenzunahme von 46.000 ha seit der letzten Inventurperiode.

 

Starke Waldflächenzunahme im bäuerlichen Kleinwald

Vergleicht man die einzelnen Eigentumsarten, so zeigt sich, daß 82 % der Waldflächenzunahme im bäuerlichen Kleinwald mit einer Besitzgröße bis 200 ha stattfindet (Abb. 2).
Das langsame natürliche Zuwachsen von Brachland und nicht mehr bewirtschafteten Alm- und Weideflächen durch natürlichen Anflug führt vor allem entlang der Waldränder zu einem starken Anstieg der Waldfläche in dieser Eigentumskategorie.
Betriebsstillegungen, aber auch die Entscheidung mancher bäuerlicher Klein- und Nebenerwerbsbetriebe zur Aufforstung ehemaliger Weideflächen und landwirtschaftlicher Grenzertragsstandorte bedingte einen Anstieg der Waldfläche.

Zuwachs an bewirtschafteten Hochwaldflächen
In den einzelnen Betriebsarten fällt zu-nächst der Zuwachs in der Kategorie bewirtschafteter Hochwald auf. Die Fläche im Wirtschaftswald und im bewirtschafteten Schutzwald nimmt um insgesamt 33.000 ha zu. Dies entspricht 70 % des gesamten Waldflächenanstiegs (Tab. 1).

Waldflächenzunahme in Hektar
Wirtschaftswald 31.000 67 %
Schutzwald i. E. 2.000 3 %
Schutzwald a. E. 15.000 33 %
Ausschlagwald -2.000 -3 %
Gesamt 46.000 100 %

Mehr unbewirtschafteter Schutzwald
Im Schutzwald außer Ertrag mit keinen oder nur unbedeutenden Nutzungen ist ebenfalls ein Ansteigen der Fläche um rund 15.000 ha zu verzeichnen. Dies ist einerseits auf das Zuwachsen von Ödland und nicht mehr bewirtschafteten Almen und die Erweiterung des Waldgürtels zurückzuführen. Andererseits erfolgten laut Waldbericht des Bundesministeriums für Land und Forstwirtschaft, Wien, alleine zwischen 1993 und 1995 jährlich im Durchschnitt auf fast 1500 ha Neu- und Wiederaufforstungen sowie Nachbesserungen im Rahmen der Maßnahmen zur Sanierung der österreichischen Schutzwälder.
Im Schutzwald außer Ertrag wurden erstmals detaillierte terrestrische Erhebungen durchgeführt. Dadurch konnten die aktuellen Waldverhältnisse genauer als bei der bisherigen Luftbildauswertung angesprochen werden. Flächenänderungen im Schutzwald außer Ertrag sind auch dadurch erklärbar.

Der Ausschlagwald nimmt weiter ab
Der Flächenrückgang im Ausschlagwald hat sich in der Inventurperiode 1992/96 fortgesetzt. Insgesamt nahm die Fläche des Land- und Auenausschlagwaldes um fast 2000 ha ab. Dabei ist gerade diese sehr alte, seit dem Mittelalter praktizierte Betriebsart des Nieder- und Mittelwaldes gekennzeichnet durch vielfältige Fauna und Flora und Vorkommen seltener Tier- und Pflanzenarten.
Zu berücksichtigten ist, daß der beobachtete Verlust an Ausschlagwaldflächen in der Vorperiode 1986/90 fast dreimal größer war. Somit kann der Trend der Flächenabnahme im Ausschlagwald immerhin als rückläufig beurteilt werden.

Die Waldfläche nimmt in allen Höhenlagen zu
Ein differenziertes Bild der Waldflächenentwicklung zeigt eine nähere Untersuchung der Waldflächenzunahme in den verschiedenen Höhenstufen (Tab 2). Ein großer Teil des gesamten Flächenzuwachses ist bis 900 m Seehöhe zu verzeichnen. In den mittleren Lagen ist die Waldflächenzunahme geringer, hingegen ein hoher Flächenzuwachs im schmalen Höhengürtel von 1500 bis 1800 m feststellbar.
Bemerkenswert: Vor allem in den mittleren Lagen hat die produktive Holzbodenfläche nur geringfügig zugenommen. Vermehrt wurden hier Waldflächen für die Verdichtung des Erschließungsnetzes in Anspruch genommen.

Waldflächenzunahme in Hektar
- 900 m 17.000 37 %
900-1500 m 7.000 16 %
1500-1800 m 14.000 31 %
>1800 m 8.000 16 %
Gesamt 46.000 100 %

 

Regional unterschiedliche Waldflächenentwicklung

Mehr als die Hälfte der gesamten Waldflächenzunahme konzentriert sich auf den westlichen Teil Österreichs (Abb. 3).
In Salzburg sind in der Region vom Hochkönig über das Tennengebirge bis Bad Gastein die größten Waldflächenzuwächse zu beobachten. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich im Dreiländereck Salzburg – Kärnten – Steiermark.
Tirol ist das Bundesland mit der absolut stärksten Waldflächenzunahme im Ausmaß von 11.000 ha in den letzten sechs Jahren. Dort konzentriert sie sich vor allem auf das Gebiet vom Achental über das Kaiser Gebirge bis zu den Loferer Steinbergen sowie auf die westlichen Gebiete Tirols. Demgegenüber sind auch Waldflächenabgänge entlang der westlichen Landesgrenze zu verzeichnen.
In Vorarlberg erhöhte sich insbesondere in der Region Walgau – Großes Walsertal – Montafon sowie im Bereich des Kleinen Walsertales die Waldfläche stark.
Zuwächse sind auch in Niederösterreich und der Steiermark zu verzeichnen, der Großteil im steirisch-niederösterreichischen Grenzgebiet.
Neben Waldflächenzugängen sind in den Niederen und Hohen Tauern auch verstärkt Waldabgänge feststellbar.
Im mittleren und südlichen Burgenland stehen den beobachteten Waldflächenzugängen kaum Verluste gegenüber.

Waldausstattung der waldarmen Regionen nimmt kaum zu
Während sich der Waldanteil vor allem in waldreichen Regionen verbesserte, ist der Anstieg in den waldarmen Gebieten Österreichs nur geringfügig. Im nördlichen Alpenvorland Ober- und Niederösterreichs sind zumindest punktuell Waldflächenzuwächse festzustellen. Das Weinviertel, das Wiener Becken und das nördliche Burgenland sind Gebiete mit wenig Wald. Hier sind kaum Veränderungen zu beobachten. Dabei wäre gerade im unterbewaldeten Osten Österreichs und in der Nähe von Ballungszentren eine höhere Waldausstattung wünschenswert.

 

Laubholzanteil steigt

Nicht nur die quantitative Flächennachhaltigkeit des österreichischen Waldes ist von Bedeutung. Im Sinne einer umfassenden Nachhaltigkeit treten auch qualitative Flächenmerkmale immer mehr in den Vordergrund.
Von besonderem Interesse erscheint eine nähere Untersuchung der Flächenveränderungen der Baumarten und ihrer Mischung im Waldbestand. Die mit Laubholz bestockten Flächen haben um mehr als 60.000 ha zugenommen. Damit erreicht der Laubholzanteil im bewirtschafteten Wald mehr als ein Fünftel (Tab. 3).

Flächenänderung in Hektar
Fichte - 4.000
Tanne - 4.000
Lärche - 4.000
Weißkiefer - 11.000
sonst. Nadelholz + 21.000
Summe Nadelholz - 21.000
Buche + 14.000
sonst. Hartlaub + 35.000
Weichlaub + 14.000
Summe Laubholz + 63.000

Besonders deutlich ist die Zunahme der Buche. Aber auch sonstige Hartlaubhölzer, vor allem Esche, Ahorn und Hainbuche, verzeichnen Flächenzuwächse von über 35.000 ha. Die mit Weichlaubhölzern wie Birke, Erle oder Linde bestockten Flächen sind seit 1991 ebenfalls stark angewachsen.

Rückgang der Nadelholzflächen
Insgesamt ist ein Rückgang der Nadelholzflächen um 21.000 ha festzustellen. Vor allem mit Weißkiefer, aber auch mit Fichte und Lärche bestockte Flächen haben abgenommen.
Das Vorkommen der Tanne ist neuerlich um rund 4000 ha zurückgegangen. Interessant ist ein Vergleich der aktuellen Tannenverbreitung mit historischen Fakten.
Anhand von Pollenanalysen konnte das Vorkommen der Tanne um das Jahr 1000 n.Chr., also vor der Besiedelung des Ostalpenraumes, noch mit rund einem Viertel des österreichischen Waldbestandes nachgewiesen werden. Besonders die im Spätmittelalter betriebene großflächige Kahlschlagwirtschaft zur Deckung des enormen Holzbedarfes der Salinen und Bergbaubetriebe, der Glas- und Erzverhüttung sowie der Holzkohlegewinnung gestalteten das Waldbild in Mitteleuropa drastisch um, und Schattbaumarten wie etwa Tanne verloren an Boden.
Das bereits seit dem 16. Jahrhundert bekannte Tannensterben trägt ebenso zu einer Abnahme der Tanne bei, wie schlagweiser Betrieb mit überwiegend künstlicher Freiflächenverjüngung oder überhöhte Wilddichten. Heute beträgt der Tannenanteil im bewirtschafteten Hochwald nur noch 2 % der Fläche.

 

Tendenz zu laubholzreichen Mischbeständen

Nicht nur die Veränderungen der Flächen einzelner Baumarten sind von Bedeutung, sondern auch jene der Mischungsanteile im bewirtschafteten Wald.
Je nach Anteil von Nadel- bzw. Laubholz werden vier Formen ausgeschieden. In Reinbeständen beträgt der Anteil an Nadel- bzw. Laubhölzern mehr als 80 %. Nadelholz-Reinbestände mit mehr als 80 % Fichte wurden gesondert als Fichten-Reinbestände ausgewiesen. Darüber hinaus wurden zwei Typen von Mischbeständen mit überwiegend Nadel- bzw. Laubholzanteil unterschieden.
Gegenüber der Vorperiode 1986/90 haben Mischbestände und Laubholz-Reinbestände um mehr als 70.000 ha zugenommen (Tab. 4). Besonders hervorzuheben ist, daß die Tendenz zu laubholzreicheren Beständen unabhängig von der Besitzstruktur ist.

Waldflächenanteile in Prozent
  71/80 81/85 86/90 92/96
Nadelholz-Reinbestände 70 68 67 65
Fichten-Reinbestände 45 45 45 44
Nadel-Laubholz-Mischbestände 13 14 14 14
Laub-Nadelholz-Mischbestände 8 9 9 10
Laubholz-Reinbestände 9 10 10 11

Rückgang der Fichten-Reinbestände
Die Fläche der Nadelholz-Reinbestände hat seit 1991 um 2 % oder insgesamt 30.000 ha abgenommen. Im langfristigen Vergleich zur Aufnahmeperiode 1971/80 ist ein Rückgang um fünf Prozent feststellbar.
Der Anteil der Fichten-Reinbestände ist erstmals rückläufig. Dieser Trend ist nicht nur im vorwiegend bäuerlichen Klein- und Kleinstwald, sondern auch bei größeren Betrieben zu beobachten. Obwohl diese fast ausschließlich von der Holzproduktion leben, ist eine Abkehr von reinen Nadelholzbeständen und von der Fichte als einziger "Brotbaumart" zu laubholzreicheren Mischbeständen tendenziell erkennbar.

 

Kleine Veränderungen – spürbare Auswirkungen

Veränderungen im Ökosystem Wald sind an das langsame Baumwachstum gebunden. Kurzen Beobachtungszeiträumen stehen lange Umtriebszeiten von durchschnittlich 100 und mehr Jahren gegenüber. Daher haben relativ geringfügige Veränderungen der Waldfläche sowie der Baumartenzusammensetzung langfristig große Auswirkungen.
Die Flächennachhaltigkeit des österreichischen Waldes ist mit der ausgewiesenen Zunahme gesichert. Die auf den ersten Blick geringfügig erscheinende Zunahme an Laubhölzern ist als deutliches Signal in Richtung naturnäherer Mischbestände zu werten.

Beilage zur Österreichischen Forstzeitung 12/1997


FieSy, 8/1/98 zurückInhaltvor