Forstliche Bundesversuchsanstalt - Index

Waldinventur und Nachhaltigkeit
Karl Schieler

Das Projekt Österreichische Waldinventur ist fast 40 Jahre alt. In dieser für den Wald nicht allzulangen Zeit haben sich Anforderungen und Erwartungen an den Wald laufend verändert, und eine moderne Inventur muß diesem Wandel gerecht werden. Zu Beginn der Inventur sowie heute am Ende des Jahrtausends bildet Nachhaltigkeit den primären Leitgedanken für den Umgang mit Wald, wobei sich die Inhalte zu diesem Begriff deutlich erweitert haben.

Bei der seinerzeitigen Namensänderung von Forstinventur zu Waldinventur wurden einige kritische Stimmen laut. Die Inventur solle wie bisher die ökonomischen Fakten des österreichischen Waldes bereitstellen und sich nicht um Fragen kümmern, die zum Teil im Bereich der Umweltpolitik oder des Naturschutzes liegen. Die Beobachtung der im Wald ablaufenden ökologischen Prozesse wird jedoch immer wichtiger. Einerseits arbeitet die Forstwirtschaft mit langen Behandlungszeiträumen, wodurch die Auswirkungen von Eingriffen erst Jahrzehnte später sichtbar werden. Andererseits ist eine große Fläche unbewirtschaftet, wo natürliche Abläufe die dort geforderte Schutzfunktion ständig beeinflussen.

Die Planung der Inventur 1992/96 setzte sich daher zum Ziel, verstärkt Erhebungen auch in dieser Richtung durchzuführen. Damit können unvollständige bzw. unrichtige Aussagen über den Waldzustand weitgehend vermieden werden. Dies ist umsomehr von Bedeutung, da bereits Kompetenzen in forstfremde Zweige abgewandert sind. Wichtig war auch die Erhebung von möglichst vielen Informationen, die heute zum Teil international verpflichtend sind.

Nachhaltigkeit – ein ökonomisches und ökologisches Ziel
Der erweiterte Begriff der Nachhaltigkeit hat eine zentrale Rolle erlangt. Er steht an erster Stelle der Helsinki-Resolutionen zum Schutz der europäischen Wälder. Im Pan-Europäischen Prozeß wurden dazu Kriterien erarbeitet. Zu diesen kann die Waldinventur schon heute wichtige Aussagen treffen.
Dabei darf die Datenerhebung über die nachhaltige Produktionskraft nicht zu kurz kommen. Auskünfte zur Waldfläche, zur Eigentums- und Altersstruktur sind ebenso gefragt, wie Veränderungen des Vorrates. Das Verhältnis von Zuwachs und Nutzung spielt eine wesentliche Rolle.
Ein wichtiges Kriterium der Nachhaltigkeit ist die Gesundheit und Vitalität der Waldökosysteme. Die Waldinventur ermöglicht Aussagen zu den qualitätsmindernden Stammschäden sowie über Schäden an der Verjüngung. Der Verjüngungserhebung kam in der abgelaufenen Periode besonderes Augenmerk zu, und erstmals können etwa Ergebnisse über das Verhältnis von Kunst- zu Naturverjüngung präsentiert werden.
Auch zur Biodiversität, die neben der Artenvielfalt die Vielfalt innerhalb der Arten und der Ökosysteme umfaßt, sind erste Aussagen möglich. Veränderung der Baumartenverteilung, die Reichhaltigkeit der Verjüngung sowie Informationen zur Biotopholzausstattung gehören dazu. Die nächste Inventur wird die Aufnahmen in diese Richtung intensivieren.

Wissenschaftliche Kriterien
Erhebungen zur nachhaltigen Bewirtschaftung des Ökosystems Wald verlangen entsprechende Qualifikation, damit die Ergebnisse auch von der Umwelt- und Naturschutzforschung anerkannt werden.
Neben intensiv geschultem Personal erfordern die zunehmend schwierigen Fragestellungen auch die wissenschaftliche Bearbeitung der Erhebungsdaten. Deshalb wurden in letzter Zeit verstärkt spezielle Problembereiche in Form von Dissertationen bearbeitet.
Die Aufnahmedaten bilden darüber hinaus eine wichtige Grundlage für wissenschaftliche Projekte außerhalb der FBVA. So wurde zum Beispiel am Institut für Waldwachstumsforschung der Universität für Bodenkultur, Wien, unter Verwendung der Inventurdaten ein Wachstumssimulator entwickelt. Weiters wird derzeit am Institut für Waldbau an einem Vegetationssimulator gearbeitet, der mögliche Klimaänderungen berücksichtigen soll.
Infolge der fünfjährigen Erhebungsdauer kann die Inventur auf tagespolitisch aktuelle Fragestellungen nicht sofort Antworten liefern. Der Einsatz moderner Technologien ermöglicht eine Anhebung der Aktualität. Erstmals konnten mit Hilfe der mobilen Datenerfassung und von Datenbanksystemen die Ergebnisse schon ein Jahr nach den Feldaufnahmen bereitgestellt werden.

Als forstpolitisches Instrument ist die vorausschauende Planung für eine Inventur besonders wichtig. In Zukunft wird man etwa der immer besser werdenden Qualität von Satellitenbildern Rechnung tragen müssen. Einfache Informationen über den flächigen Waldzustand können mit dieser Methode rascher bereitgestellt werden. Komplexe Fragestellungen erfordern aber auch in Zukunft terrestrische Stichprobenerhebungen.
Das Nachhaltigkeitsprinzip ist auch für eine Inventur von Bedeutung. Sie muß trotz ständiger Anpassungen an vielen bestehenden Erhebungen festhalten, um auch langfristige Entwicklungen aufzeigen zu können. Die Waldinventur ist somit wichtiger Bestandteil der gesamten Waldforschung.

Beilage zur Österreichischen Forstzeitung 12/1997


FieSy, 8/1/98 zurückInhaltvor