Probleme mit neu auftauchenden Wirbeltieren
W. Stagl
Lebewesen haben immer die Tendenz, ihren Lebensraum auszuweiten. Gewöhnlich wird durch den Geburtenüberschuß der Lebensraum überbeansprucht und jüngere, wie sozial schwächere Tiere, suchen gezwungenermaßen neue Lebensmöglichkeiten, zumeist in weniger geeigneten Gebieten. Aufgrund der dort herrschenden ungünstigeren Umstände sind Lebenserwartung und Vermehrungsrate entsprechend geringer; solche Randgebiete funktionieren daher als Reservoir und Bereiche verstärkter Selektion für die übrige Population. Diese Situation trifft im großen und ganzen für die Siedlungsgebiete unserer heimischen Wildtiere zu. Anders verhält es sich mit der Wiederbesiedlung ehemaliger Lebensräume (die sich seither sicher wesentlich geändert haben), der Neubesiedlung bisher von einer Art nicht genutzter Gebiete oder gar mit der Eroberung neuer Lebensräume durch Exoten. Das bedeutet für die dort vorhandene Lebensgemeinschaft nicht selten eine massive Umstellung und für den Gesetzgeber in vielen Fällen Orientierungs- und Ratlosigkeit. Elche in ÖsterreichEin Beispiel von "Wiederbesiedlung ist vor etwa fünf Jahren im Waldviertel aufgetreten, als durch den Fall des "Eisernen Vorhanges Elchwild im nördlichen Waldviertel aufgetaucht ist und begonnen hat, die dortige Kulturlandschaft zu "nutzen. Zielsicher hat es jene Kulturen, Dickungen und Verjüngungen aufgesucht, die von einem um Naturnähe bemühten Besitzer begründet und gepflegt worden sind. Dort hat es an den seltenen Mischbaumarten, die teuer und unter großem finanziellen Einsatz der Forstverwaltung eingebracht worden waren, Verwüstungen angerichtet (nebstbei auch an einigen Wildzäunen). BiberBiber sind vor zweieinhalb Jahrzehnten erfolgreich an der Donau angesiedelt worden und haben sich davon abgesehen, von Bayern her auch durch Erweiterung ihrer Streifgebiete, entlang der Donau und ihrer Nebenflüsse, angesiedelt. Von Naturschützern und dem Großteil der Bevölkerung begrüßt, setzte sich die Verbreitung dieser Tiere auch in Flußtälern außerhalb des Donautales, vor allem aber außerhalb der Schutzgebiete, fort. Diese Tiere fielen durch ihre Nahrungsbeschaffungsstreifzüge in land- und forstwirtschaftlich genutzte Erwerbsflächen unangenehm auf, die betroffenen Grundeigentümer klagten die Jägerschaft auf Ersatz. Die Jägerschaft selbst sah keinen Grund, irgend eine Entschädigung flüssig zu machen, da Biber keiner Abschußregulierung unterliegen und Jäger mit diesen Tieren daher nicht mehr zu tun haben, als jeder andere Österreicher auch. Die Naturschutzorganisationen zeigten sich zwar beglückt, Biber auch so weit von den Aussetzungsorten zu wissen, fühlten sich bei der Schadensabgeltung aber auch nicht zuständig, da sie diese dort nicht ausgesetzt hatten. Schließlich mußte nach vielen Mühen der Betroffenen das Land einspringen. Wieweit in solchen Fällen eine für die Geschädigten befriedigende Lösung gefunden werden wird, werden wohl zukünftige Musterprozesse zeigen. ExotenVom südchinesischen Muntiak (Muntiacus reevisi) wird berichtet, es gäbe in Südengland von dieser Art bereits mehr Exemplare, als Rehe. In Europa ist der Muntiak bereits in Frankreich verbreitet und taucht zunehmend in den westlichen Nachbarländern auf. Mir wurden bereits Sichtbeobachtungen aus Österreich mitgeteilt, wobei die Art dem Beobachter unbekannt war, die genaue und detaillierte Beschreibung aber diesen Schluß nahelegte. Das Nahrungsspektrum dieser Schopfhirsche ist ähnlich dem der Rehe; die Tiere sind jedoch kleiner und gedrungener. Speziell das Auftauchen einer nicht "eingenischten Spezies kann die Lebensraumbelastung nicht nur additiv steigern, der zusätzliche Schaden nimmt in solchen Fällen oft exponentiell zu. Heimische Wild und neue LebensräumeGegenwärtig machen aber jene Zuwanderungen die meisten Probleme, die von heimischen Tieren bei der Erweiterung ihres bisherigen Lebensraumes in neue, zumeist wenig geeignete "Ersatzbiotope ausgelöst werden. Am häufigsten tritt dieses Problem bei Gamswild in Mittelgebirgslagen auf. Gewöhnlich genügt das Vorhandensein einiger schwer zugänglicher Felspartien als Besiedlungsanreiz. Die betroffenen Jäger sind naturgemäß von der Erweiterung der Jagdmöglichkeiten durchaus angetan, der Naturschutz sieht in land und forstwirtschaftlichen Kulturen nichts unbedingt Schützenswertes und die Bevölkerung empfindet das "Abknallen von Tieren a priori als verabscheuungswürdig. Saisonale Nutzung der LebensräumeDer Lebensraum einer Population wird nicht zu jeder Zeit in seiner Gesamtheit genutzt. Diese den meisten Jägern und Forstleuten selbstverständliche Binsenweisheit hat jedoch manchmal keinerlei Auswirkung auf forstpolitische Entscheidungen. Das kann sein, wenn das Wild, dem der Schaden angelastet wird, zur Schußzeit in einem anderen Revier einsteht, wo kein solcher Schaden auftritt. Der Abschußregelung liegen aber noch immer zumeist Vorstellungen einer relativ gleichmäßigen Wildverteilung zugrunde und der Fortschritt in der Beurteilung des Wildeinflusses aufgrund des Vegetationszustandes wird dadurch teilweise wieder beeinträchtigt, da die Reduktion des Wildes eben manchmal in einem Revier stattfinden müßte, dessen Jagdberechtigter keine Veranlassung sieht, zu reduzieren. Auch wenn der Schaden im gleichen Revier auftritt, bzw. den identen Waldbesitzer betreffen sollte, ist dieses Problem nicht immer zu lösen. Der Beitrag wurde auch veröffentlich in :Forstschutz Aktuell Nr. 23 |