Forstliche Bundesversuchsanstalt - Index Forstschutz
Wildökologie

Standortsfaktor Wirbeltiere

W. Stagl


wuehlmausschaden
Wühlmausschaden in Wiesenaufforstung
Wirbeltiere beeinflussen den Erfolg von Aufforstungen in sehr großem Ausmaß. Ihre Anwesenheit ist als Standortsfaktor zu beurteilen. Die möglichen Auswirkungen ihrer Tätigkeit sollten daher bei der Begründung von Kulturen ein Planungskriterium sein.

Kleinnager

Die Gruppe der Kleinnager wird hinsichtlich ihres Einflusses auf die Waldverjüngung zumeist sehr unterschätzt. Nicht nur ihr Anteil am Verschwinden von Waldsamen und Keimlingen wird im Allgemeinen kaum bemerkt, auch für andere Schäden wie benagen der Rinde, abbeißen kleiner Zweige und Knospen und zerstören der Wurzel wird nicht selten ohne genauere Untersuchung anderen Tieren die Schuld gegeben.

Wühlmäuse

Wühlmäuse können ganze Kulturen vernichten, oder einzelne Bestandesglieder aus dem Verband entfernen, meist betrifft das Laubbäume, aber auch alle heimischen Nadelbaumarten können betroffen sein. In der Hauptsache werden Wurzeln benagt, aber auch die Rinde an der Stammbasis.

Besonders gefährdet sind:

  • Neuaufforstungen auf Wiesen
  • Aufforstungen in der Nähe landwirtschaftlicher Flächen
  • Aufforstungen auf stark verunkrauteten Böden
  • Aufforstungen in der Nähe guter Deckungsmöglickeiten wie Fratten, Heuhaufen etc.

Die Wühlmäuse sind mit Ausnahme der Rötelmaus schlechte Kletterer. Sie Ringeln die Stämmchen innerhalb der Deckung , soweit sie von Boden (oder Schnee) gelangen und benagen die Wurzeln. Der Hauptschaden entsteht zumeist, wenn die krautige Vegetation abgedörrt ist und Sämereien nicht mehr zur Verfügung stehen, also im Spätherbst und Winter. Der Schaden wird meist erst realisiert, wenn er nicht mehr zu verhindern ist: in der nächsten Vegetationsperiode.

Probefänge können eine Populationsdynamik anzeigen, und damit zu Entscheidungen über Maßnahmen beitragen. Solche Stichproben sind vor Allem nach warmem, trockenem und anhaltendem Herbstwetter zu empfehlen, weil dabei oft die Populationen noch keinem anderen wirksamen Reduktionsmechanismus unterworfen worden sind.

Als Vorbeugung ist das Niederhalten (Mähen) und Entfernen des Mähgutes sowie aller anderen Deckungs- und Nahrungsmöglickeiten sehr effizient.

Langschwanzmäuse

Die forstlich relevanten Arten Waldmaus und Gelbhalsmaus sind gute Kletterer. Bei genügend Deckung (Schnee, Kollerbüsche) benagen sie zarte Zweige und Knospen, was sogar mit Wildschäden verwechselt werden kann. Diese Schäden können Rötelmäuse ebenso verursachen. Sie können auch durch Samen- und Keimlingsfraß die Hoffnung auf natürlichen Anflug von Mischhölzern vereiteln.

Schlafmäuse

Obgleich jede der einzelnen Arten (Haselmaus, Gartenschläfer, Baumschläfer und Bilch) auch Forstkulturen durch Benagen von Knospen schädlich werden kann, ist ihr forstlich bedeutenderes Schadauftreten in Dickungen, Stangen- und jungem Baumholz festzustellen, wo Schlafmäuse durch Ringeln von Stämmen erheblichen Schaden verursachen können. Wenn auch für keine dieser Arten eine Gefährdung besteht, sind sie in den meisten Bundesländern Österreichs unter Naturschutz gestellt.

eichhoernchenverbiß
Eichhörnchenverbiß in Fichtendickung

Eichkätzchen

Der Schaden dieser Nagetiere in Kulturen wird oft übersehen, bzw. dem Wildverbiß zugezählt. Eichkätzchen sind gewöhnlich unverträglich und daher in geringer Dichte über die Bestände verstreut. Zur Notzeit, im Winter wird jedoch eine gewisse Toleranz geübt und so können sich diese Tiere in unnatürlich hoher Dichte an für sie günstigen Plätzen versammeln. Derartige Orte sind vor allem Wildfütterungen, in denen Kraftfutter, Sämereien, Obsttrester und Ähnliches vorgelegt wird. In der Umgebung solcher Plätze nagen Eichkätzchen Wipfeltriebe ab, mit denen sie sich an sichere Orte zurückziehen , um die Knospen herausbeißen zu können. Dieser Schaden betrifft bevorzugt Tannen und Fichten und wird ebenfalls meist mit Wildverbiß verwechselt.


Hasenartige

Hasen und Kaninchen benagen vor allem Laubhölzer, wobei Knospen und Zweige abgebissen werden . Vor Allem im Bergwald können Schneehasen entscheidend zum Verschwinden der Laubhölzer aus Mischwaldverjüngungen beitragen. Dieser Verbiß verstärkt zumeist den Einfluß der übrigen Verbißschäden. Kaninchen neigen dort, wo sie geeignete Lebensräume finden, auch bereits stärkere Stämmchen zu schälen und damit zum Absterben zu bringen. Diese Schäden treten vermehrt in der Nähe der Bauten auf und können die Vernichtung einer Kultur, oder auch deren Lichtung und Entmischung bedeuten.


durchgewachsener kollerbusch
Stammverkrümmung bei durchgewachsenem Kollerbusch (Seitenäste entfernt)

Schalenwild

Sicherheitsbedürfnis

Die Gefährdung einer Kultur hängt nicht alleine von einer (zumeist hypothetischen) Höhe des Wildstandes ab, sondern von der Attraktivität und Verfügbarkeit der Flächen für das Wild. Das Sicherheitsbedürfnis wildlebender Tiere ist dabei das stärkste Motiv. Die Nähe zu Verkehrswegen, Arbeitsstätten oder anderen Quellen der Beunruhigung kann Kulturen weitgehend schützen, soferne diese Beunruhigung nicht örtlich oder zeitlich zu sehr abschätzbar wird, da sich Wild sehr schnell an gleichbleibende Situationen anpassen kann. Ein wichtiger Faktor des Sicherheitsgefühles ist die Fluchtmöglichkeit. Ist ein Schlag (z.B. ein Windwurf) groß und übersichtlich, wird sich das Wild eher scheuen, dessen Mitte zu nützen, weil davon ein zu langer, ungedeckter Fluchtweg zur schützenden Deckung notwendig wäre. Aus diesem Grund sind Schlagränder bis zum Heranwachsen brauchbarer Deckungsmöglichkeiten weit mehr gefährdet als die Schlagmitte. Offene Flächen, die nicht durch orographische Gegebenheiten wie Gräben, Mulden, Hohlwege, Felsen etc. über keine natürliche Deckung verfügen, sind daher weniger gefährdet als strukturierte. Mögliche Fluchtwege, in deren Verlauf Hindernisse wie Blockhalden, Spalten, Felsen, Bäche oder Straßen sind bzw. die von größeren Fratthäufen behindert werden, machen das Betreten der so geschützten Flächen weniger attraktiv. Umgekehrt kann hoher Pflanzenwuchs (z.B. Unkraut), zu enger Pflanzverband und damit früher Dickungsschluß die Attraktivität einer Verjüngungsfläche entschieden steigern.

Wilddichte

Da sich Wild weder zeitlich noch geographisch sondern nur rechnerisch gleichmäßig über bestimmte Flächen verteilen läßt, existieren immer Bereiche, wo selbst bei geringem Wildstand Schäden auftreten. Dies betrifft z.B. Nähe zu Wechseln, Einständen, Fütterungen, Äsungsflächen, Suhlen etc. Auch zu den verschiedenen Jahreszeiten oder Witterungsbedingungen werden bestimmte Lagen bevorzugt aufgesucht. In solchen Bereichen kann trotz angepaßten Wildstandes eine erhöhte Schadensdisposition bestehen.

Beliebtheitsskala

In zahlreichen Publikationen wird eine Reihung nach Bevorzugung von Hölzern als Verbißpflanzen aufgestellt. Diese Reihungen sind von Autor zu Autor recht unterschiedlich, obgleich kein Zweifel besteht, daß solche Erhebungen für den Bereich solcher Untersuchungen zutreffen. Wenngleich es sicher objektiv Unterschiede in der Beliebtheit von Forstpflanzen als Wildäsung gibt, kann davon ausgegangen werden, daß die Gefährdung, verbissen zu werden um so größer ist, je seltener diese Art in der Umgebung vorkommt. Seltene Baumarten werden daher auch von möglicher Weise nur in geringer Anzahl vorhandenem Wild gezielt aufgesucht und verbissen. Ein Einzelschutz solcher Individuen ist daher fast immer unerläßlich, sollte deren Einbringung erfolgreich sein. Gedüngte und gepflegte Pflanzen aus dem Forstgarten sind gegenüber den in der Natur aufgewachsenen wesentlich attraktiver. Sie sind zumeist schneller gewachsen, weniger verholzt und enthalten mehr Eiweiß und Nährstoffe. Sie sind daher gegenüber solchen aus Naturverjüngungen stärker gefährdet. Ihr Schutz kann daher trotz geringen Verbißdruckes auf Bäumchen in der Nachbarschaft notwendig werden.

eingewachsener steilast
eingewachsener Steilast

Verbißschaden

Wiederholter starker Verbiß kann sich, wenn die Kultur über mehrere Jahre in Form von "Kollerbüschen" "sitzen bleibt", nicht nur wegen des nicht wieder aufzuholenden Verlustes an Zeit negativ auswirken, die Qualität des Holzes kann schweren Schaden erleiden, der sich mit den Jahren nicht "auswächst" sondern noch zunimmt. Die Konkurrenzverhältnisse innerhalb der Mischbaumarten werden durch verstärkten Verbiß, zumeist der selteneren Arten, verschoben, so daß die betroffenen Bestandesglieder, zumeist die wertvollen Mischbäume, in der Folge dem Konkurrenzdruck unterliegen und ausfallen.

Fegeschaden

Markantere Bäume, besonders die selteneren Mischhölzer sind gefährdet, gefegt zu werden. Dieses Markierverhalten dient der innerartlichen Kommunikation, das Ergebnis soll daher möglichst auffallen. Gewöhnlich reicht ein Fegeangriff aus, den betroffenen Baum, soferne er nicht abstirbt, in seiner Konkurrenzkraft soweit zurückzuwerfen, daß er in den künftigen Bestand nicht einwachsen wird. Dennoch sollten solche Bäume nicht entfernt werden, da sie, solange sie stehen meist wieder gefegt werden. Fehlt der betreffende Baum, wird Ersatz gesucht, was in weiterer Folge zu weiterer Entmischung führen kann.


Einbeziehung des Standortsfaktors Wildtier

Der Erfolg einer künstlichen Bestandesbegründung hängt daher öfter als zumeist angenommen, von der richtigen Einschätzung des Standortsfaktors Wirbeltiere ab und davon, wieweit der wirtschaftende Forstmann auf diesen Komplex eingeht und reagiert.


Dieser Beitrag wurde als Referat bei der Tagung "Fehler bei der künstlichen Bestandesbegründung" vorgetragen.


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PfiA, 2000-04-11