Forstliche Bundesversuchsanstalt - Index Forstschutz
Wildökologie

Überwallungen
Tragen Wildschweine zum Grauerlensterben bei?

W. Stagl, Th. Cech


In den niederösterreichischen Donauauen sterben seit einigen Jahren Grauerlenbestände großflächig ab. Charakteristische Symptome sind zurücksterbende Kronen sowie nekrotische Läsionen am Stamm mit starken lokalen Überwallungen und wiederholtem Austreiben und Absterben von Wasserreisern an und um diese Stellen (Abb.1).

Die Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt, könnten jedoch mit der von einem plötzlichen Frosteinbruch abgelösten extremen Trockenheit im Jahre 1994 in Zusammenhang stehen, da die Datierung der Überwallungsringe einheitlich den Spätherbst 1994 als Beginn der Wundholzbildung ausweist. An einigen Standorten fallen darüber hinaus Verletzungen an den Stämmen auf, die von Wildschweinen verursacht werden und von den erwähnten Läsionen oft nur schwer unterscheidbar sind. Dies ist darauf zurückzuführen, daß beide Symptome eine gewisse Form- und Größenvariabilität aufweisen.


Hiebwunden

Schäden durch Wildschweine

Bei den Rinden- und Holzverletzungen durch Wildschweine können drei Typen unterschieden werden, die alle im basalen Stammabschnitt bis zu einer Höhe von etwa 1,5 m auftreten: Hiebwunden, schnittförmige Wunden, flächige Wunden.

Hiebwunden sind etwa 3cm groß, rundlich und reichen meist in den Holzkörper des Stammes (Abb. 2).

Schnittförmige Wunden können bis zu einem Meter Länge erreichen, sind wenige Millimeter bis etwa 2 Zentimeter breit, leicht geschwungen und erreichen ebenfalls das Holz (Abb. 3).

Flächige Wunden entstehen, wenn die Schnittwunden so dicht nebeneinander liegen, daß die Rinde auch dazwischen abstirbt (Abb. 4).

Im ersten Jahr ist der mechanische Ursprung dieser Läsionen leicht identifizierbar. Später sind aufgrund der Überwallungsaktivität der Bäume nur die großflächigeren Wunden und die Schnittwunden als solche eindeutig anzusprechen, während kurze Schnittwunden und Hiebwunden nur schwer von den oben erwähnten, länglichen Wucherungen zu unterscheiden sind (Abb.5).

Diese oft völlig überwallten Läsionen nicht mechanischen Ursprungs treten nur nach vorsichtigem Entfernen von Rinde und Wundholz zutage: das Zentrum der ursprünglichen Läsion ist dann immer durch den Rest eines abgestorbenen Adventivtriebes markiert bzw. reagiert der Baum mit weiteren stammbürtigen Trieben an und um derartige Stellen (Abb.6).


schnittförmige Wunden

Schadursachen

Die Schäden sind naturgemäß in Wildschweingattern mit hoher Populationsdichte besonders stark. Das Schwarzwild wird dort gut gefüttert und ist selbst am Tag leicht zu beobachten. Die hohe Wilddichte strapaziert offensichtlich das soziale Gefüge weit mehr, als es in Revieren mit genügend Ausweichmöglichkeiten der Fall wäre. Geschlechtsreife Keiler leben die meiste Zeit außerhalb der Rotten, in der Rauschzeit jedoch, beginnend im Oktober mit Schwerpunkt November/ Dezember, finden sie sich bei den Rotten ein, angezogen von dem Geruch rauschiger Bachen. Die erregten Keiler produzieren durch das Aneinanderschlagen mit dem Gebrech einen steifen Schaum aus Speichel, angereichert mit Duftstoffen. Dieser Träger des Individualgeruches wird an Rivalen, Bachen, Bäumen, Büschen und verschiedenen Gegenständen abgestreift und dient der olfaktorischen Kommunikation, vorwiegend aber der Markierung. Dabei können Bäume dermaßen massiv behauen werden, wie das ein unterlegener Keiler am realen Gegner mangels Kraft nie könnte - eine Ersatzhandlung ähnlich wie das Schlagen der Stirnwaffenträger. Gerade wegen der dichten Population gibt es zahlreiche "arme Schweine”, die nicht zum Zug kommen und aus gutem Grund lieber Bäume bearbeiten, indem sie das Unterkiefer seitlich herausschieben und mit den Waffen reißen und schlagen, als gelte das einem Gegner. Die Emotion wird damit kanalisiert und der dabei aufgetragene Duftstoff weist den "Kerl” aus, der in der Lage war, solche Hiebe und Fahrer anzubringen, wie sie am markierten Objekt zu sehen sind.

Dieses Verhalten hilft, Beschädigungskämpfen zu entgehen und ist ein Weg, dennoch Stärke demonstrieren zu können. Damit ist auch der Zeitraum des Auftretens der meisten dieser Läsionen eingegrenzt, nämlich der Spätherbst und Frühwinter. Da Bachen jedoch auch außerhalb dieses Zeitraumes rauschig werden können, ist dieses Imponier- und Markierverhalten, wenn auch in geringerem Umfang, das ganze Jahr über möglich.

Die Grauerlen scheinen auch großflächige Verletzungen durch Wildschweine zu vertragen, solange sie nicht zusätzlich erkrankt sind. Bäume mit gut überwallten, oft tief ins Holz reichenden Wunden, bei denen größere Holzflächen frei liegen, weisen oft keinerlei Kronensymptome auf. Kritisch wird es dann, wenn die Verletzungen stammumfassend sind und die Ernährung des Wurzelsystemes aufgrund der fehlenden Rindenbrücken nicht mehr gewährleistet ist. In dieser Intensität geschädigte Grauerlen werden von rindenpathogenen Pilzarten befallen und sterben ab, wobei im Endstadium auch Teerflecken oberhalb der Rindennekrosen auftreten können.

flächige Wunden alter Schadenfreigelegter älterer Schaden
Der Beitrag wurde auch veröffentlich in :Forstschutz Aktuell Nr. 23

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StaW/FeiH, 1999-05-04